Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt      Foto: www.Slawik.com

Der Spezialist für Pferderecht, Rechtsanwalt  Andreas Ackenheil, gibt auch in dieser Ausgabe diebesten rechtlichen Tipps rund ums Thema Pferd

Im Innersten ist und bleibt auch das bravste Pferd ein Fluchttier, dessen schnelle Reaktionsfähigkeit und Abwehrfähigkeit in der freien Wildbahn über sein Überleben entscheidet. Wissenschaftlich erwiesen, hängt die Reaktion des Pferdes mit seinem Verhalten als Flucht-, Steppen- und Herdentier sowie mit seiner Sinneswahrnehmung zusammen. Daher ist der Umgang mit Pferden nicht ungefährlich. So häufen sich leider die Unfälle im Zusammenhang mit Pferden.

Warum ist der Reitsport so gefährlich?

Die Interaktion mit einem Lebewesen dieser Größe birgt zwar große Risiken, sie ist allerdings auch das, was viele Menschen gerade am Reitsport begeistert. Im Umgang mit Pferden muss man jedoch immer bedenken: Auch ein braves Reitschulpferd kann erschrecken, und auch das liebste Pferd kann einmal einen „schlechten Tag“ haben.

Der Umgang mit dem Pferd ist deshalb so gefährlich, weil Kraft und Größe des Pferdes unkontrollierbar sind. Ein Pferd wiegt etwa 500 Kilogramm und ist meist 170 bis 180 Zentimeter hoch – wenn es steigt, sogar an die drei Meter. Da Pferde Fluchttiere sind, rennen sie bei Gefahr einfach davon. Ein Pferd kann daher bis zu 65 km/h schnell werden. Unerfahrene Reiter können ein Pferd im gestreckten Galopp kaum anhalten, und aufgrund mangelnder Erfahrung wissen sie auch nicht, wie sie sich in solchen Situationen verhalten sollen. Jährlich kommt es daher zu etwa 30.000 bis 90.000 Reitunfällen. Damit gehört der Reitsport zu den unfallträchtigsten Sportarten bei Kindern und Jugendlichen. Die meisten Patienten, die aufgrund eines Reitunfalls im Krankenhaus landen, sind unter 18 Jahren. Neben Unfällen mit Verletzungen des eigenen oder eines anderen Pferdes sowie Unfällen mit Personenschaden ereignen sich leider auch immer wieder Unfälle mit Todesfolge. Das „unvorhersehbare Pferdeverhalten“ ist dabei die häufigste Ursache. Der Umgang mit dem Pferd will daher sorgfältig gelernt sein!

Pferdehalter haftet für den Unfall

Wenn es nun zu einem Unfall mit einem Pferd gekommen ist, haftet in erster Linie der Pferdehalter gemäß der Tierhalterhaftung für den Schaden. Diese Tierhalterhaftung ist verschuldensunabhängig und sehr weitreichend. Auch hat der Tierhalter stets dafür Sorge zu tragen, dass von seinem Tier keine Gefahr ausgeht. Kommt es zu einem Unfall mit einem Pferd, so haftet der Pferdehalter nach § 833 BGB. Allerdings bedeutet dies nicht, dass die geschädigte Person pauschal ihren Schaden in voller Höhe ersetzt bekommt. In Haftungsfällen stellt sich hauptsächlich die Frage nach dem Mitverschulden der verletzten Person. Danach richtet sich sodann die prozentuale Aufteilung des Ausgleichs des entstandenen Schadens.

Hierbei ist zu beachten, wie erfahren die geschädigte Person selbst mit Pferden ist und inwiefern sie sich selbst in die Gefahrensituation gebracht hat. Der Mitverschuldenseinwand ist dann begründet, wenn die geschädigte Person die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Mensch im eigenen Interesse aufwendet, um sich vor Schaden zu bewahren, so der Bundesgerichtshof. Das Oberlandesgericht in Hamm urteilte, dass es für die Frage, ob ein Mitverschulden des Geschädigten anzunehmen ist, auf die Erkennbarkeit der konkreten Gefährlichkeit des Verhaltens sowie auf die Möglichkeit und Zumutbarkeit ihrer Vermeidung ankommt. Im Bereich der Tierhalterhaftung wird zudem ein relevanter Beitrag des Geschädigten zur Entstehung des Schadens angenommen, wenn er eine Situation erhöhter Verletzungsgefahr herbeigeführt hat, obwohl er diese Gefahr erkennen und vermeiden konnte.

Wenn der erfahrene Reiter zu nah an einem Pferd vorbeigeht und dabei getreten wird

Das Oberlandesgericht Hamm hatte in einem Pferdetrittunfall mit Todesfolge folgenden Fall zur Entscheidung: Bei der Versorgung seines eigenen Pferdes kam ein erfahrener Reiter aus Unachtsamkeit in die Schlagdistanz eines dort ebenfalls versorgten Pferdes. Dieses trat nach hinten aus und verletzte den Reiter tödlich. Der Haftungsgrund des § 833 S. 1 BGB der Tierhalterhaftung ist zwar durch den Huftritt als typischer Tiergefahr gegeben, dennoch sprach das Gericht nur 50 Prozent der geforderten Schmerzensgeld- und Schadenersatzforderung zu. Es rechnete dem getöteten Reiter eine Mitschuld von 50 Prozent für das Unfallgeschehen an. Das Oberlandesgericht Hamm begründete dies damit, dass es sich um einen geübten Reiter gehandelt hatte und von diesem erwartet werden konnte, dass dieser den „jedem Reiter bekannten und einzuhaltenden Sicherheitsabstand“ nicht unterschreiten würde. In der Vergangenheit entschied der Bundesgerichtshof, dass es für die Haftungsverteilung entscheidend darauf ankommt, ob das Verhalten des Schädigers oder das des Geschädigten den Eintritt des Schadens in wesentlich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat. Wäre der Reiter nicht so nah an dem Pferd vorbeigelaufen, wäre es nicht zu diesem Vorfall gekommen.

Wenn der unerfahrene Reiter zu nah an einem Pferd vorbeigeht und getreten wird

Anders stellt sich die Haftungsverteilung indes dar, wenn die geschädigte Person unerfahren ist. So hatte das Oberlandesgericht Koblenz darüber zu entscheiden, ob bei einer Verletzung in einer engen Stallgasse der Geschädigten ein Mitverschulden zuzurechnen sei. Hier führte die Geschädigte ein Pferd durch eine enge Gasse zwischen Reitstall und Boxengebäude hindurch und wurde dabei durch ein austretendes Pferd verletzt. Einen Mitverschuldensanteil an dem Pferdetrittunfall konnte das Gericht nicht erkennen. Da es sich bei der Geschädigten um eine noch unerfahrene Reitschülerin handelte, verneinte das Gericht ein Mitverschulden, sodass der Pferdehalter des austretenden Pferdes in vollem Umfang haften musste. Grundsätzlich gilt für die Annäherung von hinten an ein Pferd, dass man sich bemerkbar machen muss. Denn das Pferd hat im Gegensatz zum Menschen, bedingt durch die für ein Fluchttier typische seitliche Anordnung der Augen, eine fast komplette Rundumsicht. Lediglich den Bereich direkt vor der Stirn und einen größeren Winkel hinter der Hinterhand kann es nicht einsehen. Dementsprechend sollte sich einem Pferd immer von schräg vorne genähert werden. Geht man von hinten auf ein Pferd zu, muss sich die Person unbedingt bemerkbar machen. Denn auch das ruhigste Pferd kann instinktiv reagieren und möglicherweise ausschlagen.

Gerade im Umgang mit fremden Pferden sollte man auf einen besonderen Sicherheitsabstand achten. Aber selbst im großzügigsten Stall kann es zu beengenden Situationen kommen, was zu einer Unterschreitung des Sicherheitsabstands führen kann. Es gilt hierbei der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme und eine besondere Vorsicht beim Aufeinandertreffen von Pferden. Daher ist es in Ställen und Reithallen üblich, stets auf einen Mindestabstand von zweieinhalb Metern zu anderen Pferden zu achten, wenn die Pferde von der Box zum gewünschten Ziel geführt werden. Wird der Mindestabstand nicht eingehalten und keilt das Pferd aus und verletzt dabei eine Person, haftet zunächst der Pferdehalter nach § 833 BGB. Allerdings stellt sich auch hier die Frage nach dem Mitverschulden des Geschädigten und inwiefern die Tierhalterhaftung dahinter zurücktritt. Hierbei ist zu beachten, wie erfahren die geschädigte Person selbst mit Pferden ist und inwiefern sie sich selbst in die Gefahrensituation gebracht hat. Dabei kommt es nicht nur auf Personengruppen an, die berufsbedingt mit Pferden zusammenarbeiten und sich der berufstypischen Gefahr aussetzen. Ein Mitverschulden kann ebenfalls einem anderen Pferdehalter desselben Stalls zugerechnet werden oder dem Reiter.

Wie kann sich der Pferdehalter rechtlich absichern?

Auf dem Versicherungsmarkt gibt es viele Versicherungen, die sich auf die Absicherung bei der Pferdehaltung spezialisiert haben. In diesen Verträgen wird dann speziell vereinbart, wie und in welchem Umfang die Ansprüche eines Fremdreiters oder einer Reitbeteiligung selbst sowie Dritten gegenüber über den Pferdehalter mitversichert sind.

Unser Experte Andreas Ackenheil

veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Online-Portalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.

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