Text: Inga Dora Meyer         Foto: www.slawik.com

Fühlt sich mein Pferd wohl? Die Antwort findet jeder Pferdebesitzer im Komfortverhalten des Vierbeiners. Dazu zählen Verhaltensweisen wie wälzen, sich scheuern und die gegenseitige Fellpflege, die alle der Gesunderhaltung dienen. Doch diese Aktivitäten können auch eine negative Seite haben

Jeder Pferdebesitzer möchte, dass sich sein Pferd wohl fühlt. Beim Reiten ist dafür vor allem die Losgelassenheit ausschlaggebend. Von Losgelassenheit spricht man, wenn sich das Pferd innerlich loslässt, zwanglos bewegt und dabei die gesamte Muskulatur unverkrampft mitarbeitet. Dadurch kann es sich in allen drei Grundgangarten taktrein und raumgreifend vorwärtsbewegen. Ein zufriedener Gesichtsausdruck, eine ruhige Maultätigkeit, entspanntes Abschnauben und Fallenlassen des Halses aus dem Widerrist heraus sowie ein gleichmäßig schwingender Rücken sind Merkmale, anhand derer man sie erkennt. Aber wie sieht es im Stall, auf dem Paddock oder auf der Wiese? Welche Merkmale zählen hier? Woran erkenne ich, dass sich mein Pferd in der Haltung wohlfühlt?

„Im Allgemeinen zeigt ein Pferd über seine Körpersprache (Gestik und Mimik), seine Körperspannung, sein Ausdrucksverhalten und die Kommunikation mit anderen Artgenossen oder dem Menschen, dass es sich wohlfühlt. Es ist ruhig, entspannt, zeigt natürliche Reaktionen und Verhaltensweisen, ruht und schläft regelmäßig im Liegen und hat ein normales Fressverhalten. Auch das Spielverhalten ist bei vielen Vierbeinern (vor allem Wallachen und jungen Hengsten) ein guter Wohlfühlindikator“, weiß Tina Eisenbach, Tierpsychologin mit dem Spezialgebiet Pferde aus Haunetal (Hessen). Wer es genau wissen, will, sollte sich einmal das Komfortverhalten der Vierbeiner näher ansehen.

Wohlbefinden und Gesunderhaltung

„Dazu zählen alle Verhaltensweisen, die der Gesunderhaltung dienen und das Wohlbefinden der Pferde steigern“, erklärt die Expertin. Das sind Aktivitäten der Körper- und Fellpflege, die mit körpereigenen Mitteln, unter Einbeziehung der Umwelt und unter Einbeziehung von Sozialpartnern erfolgen, wie z.B. wälzen, scheuern, sich beknabbern, kratzen, belecken sowie die gegenseitige Fellpflege. „Aber auch das Aufsuchen von Schattenplätzen im Sommer, dem Witterungsschutz im Winter und Behaglichkeitsbewegungen (z.B. gähnen) gehören dazu“, so Eisenbach.

Das Komfortverhalten ist ein fester Bestandteil des Tagesablaufs. Wann und wie oft, aber welche Verhaltensweise gezeigt wird, lässt sich nicht pauschal beantworten. Zu verschiedenen sind die Faktoren, von denen die Aktivitäten abhängen (u.a. vom Pferd selbst, der Haltungsform und der Jahreszeit). „Wenn Pferde z.B. nur in Boxen gehalten werden, dann können sie ihrem Komfortverhalten nicht so intensiv nachgehen wie Pferde, die im Offenstall stehen“, weiß die Expertin.

Fellpflege ist aber nicht gleich Fellpflege. Experten unterscheiden zwischen der solitären und der sozialen Fellpflege. Zur ersteren zählen belecken und beknabbern mit den Schneidezähnen des eigenen Körpers, kratzen mit den Hinterhufen im Hals- und Kopfbereich, wälzen, schütteln, scheuern an Gegenständen, Schweifschlagen, Hautzucken (zur Abwehr von Insekten), Kopfschlagen, aufstampfen und Unter-den-Körper-schlagen mit Vorder- oder Hinterbeinen. Dazu suchen Pferde auch geeignete Gegenstände in der Umwelt auf. So verwenden sie zum Beispiel Äste, um sich an der Stirn zu kratzen, niedrige Büsche über die sie hinweg treten können, um sich den Bauch zu kratzen und die raue Rinde von Bäumen zum Scheuern der Schweifrübe oder zwischen den Hinterbeinen. Viele Vierbeiner gehen zudem gerne in flache Seen, Teiche und Flüsse, um sich dort durch Schlagen mit den Vorderbeinen auf die Wasseroberfläche mit Wasser zu bespritzen. Einige legen sich sogar in flache Wasserstellen oder schwimmen eine Runde.

Wälzen ist „ansteckend“

Arttypisch und besonders häufig zu beobachten ist das Wälzen, welches in der Regel täglich unabhängig von Witterung und Pflegezustand ausgeführt wird. Ein vom Reiten verschwitztes oder nassgeregnetes Pferd kann manchmal kaum daran gehindert werden, sich bei der erstbesten Gelegenheit hinzulegen. Welcher Reiter kennt das nicht? Dabei bevorzugen die Tiere einen vegetationslosen, sandig-staubigen, weichen und eher trockenen Untergrund, der frei von Kot ist. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel: „Einige Vertreter lieben es geradezu, sich im Matsch zu suhlen – zum Graus vieler Reiter. Auch frisch gefallener Schnee ist bei vielen sehr beliebt“, sagt Eisenbach.

Vor dem Wälzen beriechen die Vierbeiner den Boden, einige erkunden ihn zusätzlich mit den Tasthaaren des Maulbereichs. Häufig wird mit den Vorderhufen gescharrt. Durch das Vorderhandscharren wird der Boden aufgelockert und störende Vegetation entfernt. Dann wird der Körper zur Seite abgelegt und durch Kopf-, Hals- und Beinbewegungen auf dem Untergrund hin und her bewegt. Einige wälzen sich dann mit mächtig viel Schwung über den Rücken und vollziehen auf der anderen Körperseite liegend die gleichen Bewegungen. Andere stehen nach dem Scheuern einer Körperseite auf, legen sich auf der anderen wieder ab und scheuern dann diese auf dem Boden. So entfernen sie Hautschuppen und lose Haare, kratzen sich den Rücken und halten sich Bremsen sowie andere lästige Insekten vom Hals. Denn diese plagen ein Pferd mit staubigem oder sandigem Fell weniger. Nach dem Wälzen folgt das Körperschütteln von Kopf bis Schweif. Haben sich Pferde auf einem feuchten oder morastigen Untergrund gewälzt, ist das anschließende Körperschütteln aber nicht immer zu sehen.

Im Zusammenhang mit Wälzen kann man ein so genanntes allomimetisches Verhalten beobachten, das sicherlich jeder Pferdebesitzer schon einmal mit eigenen Augen gesehen hat. Wälzt sich ein Pferd der Herde, bewegen sich die anderen Tiere zu exakt der gleichen Stelle und legen sich dort ebenfalls nieder. Das hat vverschiedene Gründe: Die gesamte Verhaltenskette, die im Zusammenhang mit dem Wälzvorgang gezeigt wird, beinhaltet auffällige Körperbewegungen, die die Aufmerksamkeit der Artgenossen erregen und damit einen kommunikativen Charakter haben. „Die Tiere lassen sich durch die Stimmungsübertragung anstecken“, weiß Eisenbach. Experten nehmen zudem an, dass durch das Wälzen auf einem gemeinsamen Platz der Körpergeruch jedes einzelnen Pferdes auf jedes andere Pferd der Gruppe übertragen wird und dadurch quasi ein „Gruppengeruch“ entsteht, der dem Zusammenhalt dient. Das bestätigt die Expertin: „Ein Pferd, dass sich gewälzt hat, hinterlässt Haare, Schweiß und Hautschuppen, die einen gewissen Geruch mit sich bringen, und vom Nachfolger gelesen werden. Es entsteht so eine Kommunikation zweiten Grades.“ In freier Natur würde sich z.B. der Leithengst zuletzt wälzen, um den Geruch von allen anderen Tieren zu überdecken.

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