Der Weg zum Glück

Das richtige Maß 

Ich laufe den Schotterweg hinunter, der zu den Paddocks führt, auf dem mein Wallach mit seinem Kumpel im Winter tagsüber einige Stunden verbringt. Er steht dort, ganz ruhig, schaut mich an, aber kommt nicht auf Anhieb, wie er es sonst macht. Ich rufe ihn, und nach kurzer Überlegung trottet er auf mich zu. Ich gehe mit ihm hoch zum Stall. Er ist ruhig, nicht guckig und nicht „frech“, wie er es sonst oft ist. Oben angekommen, schaue ich ihn mir genauer an. Er ist irgendwie anders, obwohl er nicht wirklich krank wirkt. Er kaut leer, gähnt ab und zu, und seine Augen wirken matter als sonst. Da er Abwehrreaktionen zeigt, wenn ich an seinen Bauch und an die Gurtlage fasse, rufe ich den Tierarzt: „Hey, kannst du kommen und meinen Wallach anschauen? Ich glaube, er hat Bauchschmerzen, und ich will verhindern, dass er gleich anfängt zu koliken.“ Eine halbe Stunde und einige geführte Runden um den Hof später ist der Tierarzt da. „Gut, dass du direkt angerufen hast, er hat sicher ordentlich Schmerzen. Jetzt musst du ihn weiter beobachten, und sonst komme ich heute Nacht noch mal“, erklärt der Arzt. Was das bedeutet, weiß ich nur zu gut. Denn eines meiner letzten Pferde musste wegen einer plötzlichen Darmdrehung eingeschläfert werden. Die körperlichen Qualen des Tieres und die seelischen des Besitzers sind furchtbar; das möchte ich kein zweites Mal erleben.

In den nächsten Tagen und Nächten werden daher alle in der Umgebung meines Wallachs gebeten, ein Auge auf den Patienten zu werfen, wenn ich gerade nicht da bin. Das Futtermanagement muss überprüft und vorsichtshalber Blut abgenommen werden. Man muss schauen, ob es ihm an etwas fehlt oder womöglich die Leberwerte schlecht sind, was auf eine Vergiftung hinweisen könnte – denn aktuell hat es noch vier weitere Pferde am Stall erwischt. Leider wurden die Schmerzen des Pferdes bei den anderen nicht so schnell entdeckt, weshalb sie stärker gekolikt haben oder sogar operiert werden mussten.

Weil ich kein sehr ängstlicher Typ bin, was die Pferdegesundheit angeht, gefällt es mir nicht, dass ich hier wieder bestätigt wurde, dass eine besondere Vorsicht besser als Nachsicht ist. Denn diese Annahme führt leider dazu, dass ich das Gefühl habe, dass nur ich selbst merke, wenn es dem Tier schlecht geht und ich mich nicht wirklich auf die anderen Einstaller und Mitarbeiter verlassen kann. Wie kommt man also wieder heraus aus diesem Stress-Strudel, der einen jeden Abend bibbern lässt, ob wohl beim Vierbeiner alles in Ordnung ist?

Machen wir uns klar: Risiken sind ein fester Bestandteil des Lebens, und wir können sie nie vollständig beseitigen. Sich einen Plan zu machen, wie wir künftig sicherstellen können, dass alles okay ist, ist daher eine gute Idee, um ein gewisses Maß an Kontrolle zu behalten. Man kann auch eine Stallfreundin integrieren, die immer mal eine kleine Aufgabe übernimmt oder nach dem Pferd schaut, im Tausch gegen einen Blick auf ihr Pferd, wenn sie mal nicht vor Ort ist.

Wenn der Gedanke aufkommt, dass Sie, obwohl Sie schon alles getan haben, was nötig ist, das Wohlbefinden des Pferdes selbst kontrollieren müssen, argumentieren Sie gegen dieses Gefühl. Ein gesundes Mittelmaß sollte das Ziel sein: die Zwischentöne beim Pferd erkennen und handeln und trotzdem nicht in Panik oder einen Kontrollzwang verfallen.

Ich wünsche Ihnen, aber auch Ihren Pferden eine ruhige, entspannte Weihnachtszeit und viel Spaß beim Lesen der neuen Ausgabe!

Lara Wassermann

Leitende Redakteurin Mein Pferd

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