Text: Inga Dora Schwarzer    Foto: Anna Auerbach

Können Sie rechnen? Kennen Sie die Geometrie der Pferdesprache? Genau darauf kommt es in der Freiarbeit an. Die Pferde nutzen ihren Körper und ihre Bewegungen, um sich auszudrücken. Nur wer ihre Sprache versteht, kann einen harmonischen Dialog führen, der weder Halfter noch Strick benötigt. Wie das geht, zeigt Anne Krüger-Degener in Teil 5 unserer HarmoniLogie-Serie.

Meine Hunde wirken wie lachende Hunde, die wedeln und rumhopsen und eine feste Anbindung an mich haben. Trotzdem sind sie an ihrer Umwelt interessiert. Man kann es auch schlicht so formulieren: Sie hören immer, gehorchen mir aber vielleicht nicht immer. So wollte ich es bei den Pferden auch haben“, notiert Anne Krüger-Degener in ihrem Buch „Wenn Pferde Komplimente machen“ (Kosmos Verlag). „Losgelassen angeschlossen“ nennt sie diese Verbindung der Tiere zu ihrem Menschen.

Guter Dialog

Sie lässt sich am besten am Boden erarbeiten. „Freiarbeit steht für den Ausbildungsteil, bei dem keine sichtbare Verbindung (z.B. ein Strick) zwischen Pferd und Mensch besteht. Für mich bedeutet dieser Abschnitt der Ausbildung eine verbindlich erarbeitete gemeinsame Sprache, die, wie selbstverständlich und jederzeit abrufbar, Nähe und Distanz zwischen zwei Individuen bedienbar macht. Dabei spielt es keine Rolle, ob Tricks oder Choreographien einstudiert werden“, so die Ausbilderin. Viel wichtiger ist die Zusammenarbeit und der Dialog zwischen Mensch und Tier, bei dem der Reiter sein Pferd richtig kennenlernen kann. „Zunächst einmal ist der Mensch hierbei in einer beobachtenden Position und kann die Signale des Pferdes nicht nur erspüren, sondern auch lesen. Lidschlag, Oberfläche, Blickrichtung, Ausdruck und vieles mehr kann er von unten viel besser erkennen. Zudem erfährt er, ob sein Pferd unmittelbar auf seine Fragen antwortet und sich in der Bewegungsrichtung dominieren lässt“, erklärt sie. Kann der Reiter sein Pferd von seinen Ideen auch ohne Strick und Halfter überzeugen? Darum geht es in der Freiarbeit. Die Antwort darauf hängt vor allem davon ab, wie gut seine Rechenkünste, insbesondere in der Geometrie, sind. Es geht um den Raum und die Beschaffenheit von Körpern, um das Berechnen von Längen, Abständen und Winkeln. „Was hat denn die Geometrie mit der Freiarbeit zu tun?“, mögen jetzt viele denken. Die Antwort: „Viel. Sehr viel.“

Laufwege berechnen

Stellen Sie sich vor, Sie müssten 800 Schafe und vier Hunde durch einen fließenden Verkehr, über Bahnschienen und Autobahnbrücken steuern. Anne Krüger-Degener hat das unfallfrei gemeistert. „Dabei gilt es, 3.200 Füße Nutzvieh und 16 Füße Hütehund sowie meine zwei eigenen Beine zu steuern, die Schafe zu „lesen“, vier Sprachen zu sprechen – denn jeder Hütehund spricht eine eigene – und den Straßenverkehr zu regeln. Das ist Multitasking. Anders gerechnet bedeutet es, ohne Kraft 64.000 Kilogramm Lebendmasse alltagstauglich nach den Gesetzen der deutschen Straßenverkehrsordnung zu lenken“, schreibt sie in ihrem Buch. Wer bei dieser Unternehmung die Laufwege der vielen Füße falsch berechnet, ist hoffnungslos verloren.

„Rechnen“ hat die Ausbilderin vor allem durch das Training mit ihren Leistungs-Border-Collies erlernt. In der Arbeit mit den Hütehunden muss sie den Radius des zu hütenden Tiers errechnen, dessen Verhalten erlesen und die Hunde auf einem bestimmten Radius um das Tier herumschicken. Nur so können ihre Manöver ohne Stress für das zu treibende Vieh und ohne Konflikte erfolgreich sein. Sie bringt den Hunden nicht nur bei, mit und gegen den Uhrzeigersinn zu laufen, sich überall anhalten zu lassen und gerade auf die Herde zuzugehen, sondern sie muss auch lesen und weitergeben, ob eine Flanke (also eine Seitwärtsbewegung im rechten Winkel oder einem 45-Grad-Winkel) gelaufen werden soll, schreibt sie in ihrem Buch.

…den kompletten Artikel – inklusive vieler Übungen zum Nachmachen – finden Sie in der Februar-Ausgabe der Mein Pferd.