Diesmal hieß es beim Wunschpferd-Termin nicht nur „Rauf aufs Pferd“, sondern auch „Runter vom Pferd“ – und das in rasantem Tempo. Unsere Wunschpferd-Kandidatin Nadine Pietschmann hat sich eine Lehrstunde Trickreiten bei Peter Pfister gewünscht und vor keinem Manöver haltgemacht
Text: Jessica Classen; Fotos: picture alliance/Jan Haas
Nadines Gesichtsfarbe wechselt langsam von einem gesunden Rosarot zu Dunkelrot, während sie kopfüber am Pferd hängt. Trotzdem strahlt sie dabei von einem Ohr zum anderen und will gar nicht mehr aufhören, durch die Halle zu galoppieren und ihren Körper in die aberwitzigsten Positionen auf, am und um das Pferd zu bringen. „Das ist einfach nur cool!“, ruft sie währenddessen. Sie scheint keinerlei Berührungs.ngste mit den Stunts und dem Welsh-Cob-Wallach Klötzchen zu haben. Dieser galoppiert gutmütig Runde um Runde. Die einzige Schwierigkeit, die die beiden haben, liegt in der Koordination. Der Wallach hat den Drang, eng an der Bande entlangzulaufen. Dadurch muss Nadine bei dem ein oder anderen Manöver auf ihren Kopf achten. „Ich bin froh, dass ich mal voltigiert habe“, gesteht sie. Trickreiten ist nämlich ähnlich wie Voltigieren, nur schneller, und es steckt extrem viel Arbeit dahinter. Das hat auch Nadine im Laufe ihrer Trainingsstunde bei Peter Pfister gemerkt.

Wie alles begann

Die Nervosität von Nadine wächst. „Ich bin gespannt, was alles auf mich zukommen wird. Es im Fernsehen oder bei Shows zu sehen ist das eine. Aber es ist etwas vollkommen anderes, wenn man selbst kurz davor steht, kopfüber an einem Pferd zu hängen“, sagt Nadine. Die Wunschpferd-Kandidatin ist Bereiterin und reitet täglich die unterschiedlichsten Pferde. „Aber nur Dressur und Springen. Darum wollte ich unbedingt mal etwas anderes machen und andere Sparten kennenlernen.“ Als Peter Pfister dazu kommt, ist Nadines Nervosität durch die unkomplizierte Art des Trainers wie weggeblasen. „Wir duzen uns einfach“, schlägt er direkt am Anfang vor. Dadurch ist das Eis zwischen den beiden sofort gebrochen. Nadine und Peter verstehen sich auf Anhieb und unterhalten sich anfangs lange über die Trickreiterei und ihre Anfänge. Dabei lässt sich Nadine alles haargenau von Peter erklären. „Ich will ja nachher auch nichts falsch machen.“

jan-haas_dpa_auftragsproduktion_mein_pferd_eschenburg_060757_jan_5200Ein Welsh Cob als Showpferd

„Wir werden Klötzchen für die Trainingsstunde nehmen“, erklärt Peter. „Er ist ein Routinier, und mit ihm habe ich schon viele Shows geritten.“ Der sanftmütige 22-jährige Welsh-Cob-Wallach eignet sich besonders für eine Trainingseinheit, weil er alles kann und auch auf Knopfdruck macht. „Er hat für alles einen Abrufknopf, und wenn man die betätigt, dann macht er auch alles“, erläutert der Besitzer. Aber haben wir richtig gehört? Klötzchen heißt das Pferd? „Eigentlich heißt er Milstone Survivor. Aber ich wollte keinen ‚Überlebenden‘. Deshalb habe ich auch die Verniedlichung in den Namen gelegt. Er kam als Dreijähriger zu mir, weil seine Vorbesitzerin nicht mit ihm zurechtkam. Wir haben dann unsere Pferde getauscht. Alles, was er kann, habe ich ihm selbst beigebracht“, erzählt Peter. Nadine, die sowieso gestaunt hat, dass sie einen Welsh Cob reiten wird, fragt, welche Pferde sich für das Trickreiten überhaupt eignen. „Alle Pferde eignen sich dafür. Das Wichtigste ist, dass man das Tempo hält. Das muss man anfangs konsequent üben und sofort korrigieren, sollte das Pferd ins Rennen kommen oder zu langsam sein. Der Job der Pferde ist es dann, in einem gleichmäßigem Tempo zu laufen und weder zu rennen noch stehen zu bleiben. Den Rest muss der Reiter leisten“, erklärt der Fachmann. Als Nadine Klötzchen den Sattel auflegt, findet sie neben dem ungewöhnlichen Aussehen des Sattels noch eine Besonderheit: „Da ist ein weiterer Bauchgurt. Muss ich den genau wie den Sattelgurt befestigen?“, fragt sie Peter. „Genau. Dieser Gurt ist dazu da, dass der Sattel bei den Manövern nicht verrutscht. Wenn du verschiedene Stunts auf dem Pferd machst, verlagert sich auch der Schwerpunkt. Damit du dann mit dem Sattel nicht in eine Schieflage gerätst oder der Sattel sogar nach vorne kippt, brauchst du diesen weiteren Gurt. Er wird aber nicht so fest wie der normale Sattelgurt angezogen. Er soll lediglich vor dem Rutschen schützen.“ Eine weitere Besonderheit stellen die Zügel dar: Sie haben einen Schieber, mit dem man sie verkürzen kann. Beim Trickreiten braucht man eigentlich keine Zügel, sie dürfen aber auch nicht frei herumhängen und eine Stolperfalle für das Pferd bilden. Die Zügel werden von den Stuntreitern nur als „Nothaken“ gebraucht, sollte die Richtung korrigiert werden müssen, oder um doch mal das Tempo zu regulieren. Dehnübungen müssen sein Nachdem Klötzchen fertig gesattelt und getrenst ist, geht es in die Halle, wo bereits eine Bahn zum Reiten abgesteckt ist. „Trickreiten findet traditionell immer auf der linken Hand statt. Warum das so ist, hat mir noch keiner erklärt. Ich gehe mal davon aus, dass es daran liegt, dass die meisten Menschen Rechtshänder sind“, beginnt Peter Pfister die Trainingsstunde. „Reiter steigen auch von der linken Seite auf das Pferd auf. Das ist als Rechtshänder ebenfalls praktischer und einfacher zu handhaben.“ Trotzdem muss man im Training darauf achten, dass man beide Seiten gleichmäßig trainiert. Nadine soll erst einmal im Schritt mit Klötzchen vertraut werden und er andersherum mit ihr. Währenddessen kann sie die eigene Körperdehnung in Angriff nehmen, da es draußen ziemlich frisch ist und die Gliedmaßen erst einmal gelockert werden müssen. „Durch die Dehnübungen können sich sowohl Reiter als auch Pferd an die ungewohnten Bewegungen gewöhnen“, so der Fachmann. Erst wird der Oberkörper gedehnt, die Arme werden in die Luft gestreckt, als würde man die Hallendecke abtasten wollen, danach sind die Beine dran, und die Fußspitzen werden nach unten gedrückt. Anschließend testet der Trainer, wie gelenkig Nadine ist: „Jetzt klatschst du mal die Beine über dem Hals von Klötzchen zusammen. Dabei bleibst du gerade sitzen.“ Gesagt, getan – und schon können die Kunststücke losgehen.

jan-haas_dpa_auftragsproduktion_mein_pferd_eschenburg_060747_jan_4919Herausforderung angenommen

„Das erste Manöver sieht gut aus und ist außerdem einfach“, beginnt Peter. „Du stellst dich mit dem rechten Fuß in den Steigbügel, und den linken Fuß stellst du auf den Sattel. Dann präsentierst du mit der linken Hand, die Rechte hält den Pinn am Sattel fest.“ Nadine macht, wie geheißen. Sie steht auf der rechten Seite des Pferdes im Steigbügel und hat den linken Fuß auf der Sitzfläche platziert. Nur das Präsentieren fällt ihr schwer. Aber nicht etwa, weil sie Angst hätte loszulassen. Ihr Problem ist ein ganz anderes: „Wie genau soll ich denn präsentieren?“, „Das kannst du machen, wie du magst. Ob du die flache Hand zeigst, grüßt wie die Queen oder den Mittelfinger zeigst“, ruft ihr Peter im Scherz zu. „Die Hauptsache ist, dass du die Hand hochstreckst und dich nur noch mit einer festhältst.“Das nächste Manöver ist ähnlich dem ersten: Man verhält sich so, als würde man rechts absteigen wollen, bleibt aber wieder im rechten Steigbügel stehen und präsentiert.Die nächsten Manöver dagegen haben es schon mehr in sich: Nadine soll seitlich auf dem Pferd liegen, dabei sogar mal die Beine hochstrecken. Anschließend liegt sie auf dem Widerrist von Klötzchen, oder sie legt sich bäuchlings auf den Sattel und streckt dabei die Fü.e hoch. Auch den „Kosakenhang“, bei dem sie seitlich kopfüber am Pferd hängt, oder die Königsdisziplin, das Stehen auf dem Pferd, macht Nadine alles angstfrei mit. Insgesamt bringt Peter ihr zehn verschiedene Übungen bei. Einzig Klötzchen hat eine andere Vorstellung vom Training: In der Ecke bei M bleibt er gerne stehen. „Wir beide sind uns noch nicht über die Koordination einig“, lacht Nadine. „Aber da arbeiten wir dran.“ Sie ist auf die Übungen konzentriert, denn Muskelkraft und Körperspannung sind das A und O beim Trickreiten. Außerdem müssen die Bewegungsmuster so verinnerlicht werden, dass man sie in jedem Tempo machen kann. Man übt wie Nadine im Schritt oder auch im Stand, anschließend kann man nach und nach das Tempo steigern.

max80_jan-haas_dpa_auftragsproduktion_mein_pferd_eschenburg_060749_jan_4931In rasantem Tempo

„Da das ja alles wunderbar im Schritt klappt, können wir jetzt auch mal das Tempo erhöhen“, schlägt Peter Pfister vor. „Du übst erst einmal das Neben-dem-Pferd-Herhüpfen im Trab.“ Diese Übung soll Nadine helfen, später auch im Galopp vom Pferd ab- und direkt wieder auf das Pferd aufzuspringen. Dabei ist es wichtig, dass sie das rechte Bein über den Hals des Pferdes bewegt und vor den Beinen von Klötzchen landet, damit es eine Vorwärts- und keine Rückw.rtsbewegung wird. Als Nadine und Klötzchen dann einen Gang höherschalten, ist nicht nur der Welch Cob Feuer und Flamme, auch Nadine ist vollends begeistert. „So schwer ist das nicht. Man muss nur einmal den Dreh raus und den Mumm haben, das Bein über den Pferdehals zu bewegen. Danach geht alles ganz schnell“, sagt sie, nachdem sie es einmal gemacht hat. Und am Ende geht es wirklich ganz schnell: Bein rüber, abspringen, hochspringen, sitzen. „Ich möchte Klötzchen am liebsten mitnehmen. Es macht unglaublich viel Spaß, und er ist einfach nur toll. Ich kann mich total auf ihn verlassen“, strahlt Nadine.