Ist mein Pferd glücklich?

Eine Symphonie

Das Licht ist gedämpft, um mich herum herrscht gespannte Stille, und ehe der erste Ton erklingt, fährt der Dirigent, der genau vor mir auf einem Podest steht, mit seiner rechten Hand und dem darin gehaltenen Taktstock sanft durch die Luft. Bei einer bestimmten Handbewegung ertönen dann die Geigen, die dem Ganzen eine so romantische, tragende Stimmung verleihen, bevor schließlich der große Chor, der über dem gesamten Orchester auf einer Empore thront, mit seinen vielen beeindruckend in Schwarz gekleideten Menschen in die Symphonie einstimmt.

An diesem kalten Abend bin ich auf einem ganz besonderen Konzert, das ein Mal jährlich in einer alten, umgebauten Kirche stattfindet. Der Philharmonische Chor, das städtische Orchester und grandiose Sänger sorgen bei den tausend Gästen für Gänsehaut. Noch nie saß ich so nah an einem Orchester, und noch nie konnte ich quasi jede Pore der Musiker sehen, jedes Zucken im Gesicht, und dabei jede Emotion so nachempfinden wie an diesem Abend. Obwohl ich diesbezüglich ein ziemlicher Neuling bin, war die Leidenschaft der Musiker in jedem einzelnen Moment so greifbar, dass ich zwei Stunden wie gebannt auf das Geschehen starrte.

Haben Sie schon mal so viel Leidenschaft bei jemand anderem beobachtet, dass es Sie förmlich mitriss und Sie Teil des Ganzen wurden? Der Dirigent schließt kurz die Augen, um mit vollem Körpereinsatz und mit seinem Stock als verstärkendem und punktuell hilfegebendem Instrument zu signalisieren, was jetzt geschehen soll. „Wie ein Zauberstab“, denke ich und frage mich, was genau das Orchester mit jeder einzelnen seiner Bewegungen verbindet. „Der, der den Takt angibt“, scheint in seiner eigenen Welt zu sein, ohne jedoch den Rest der Gruppe aus den Augen zu verlieren. Fast zu perfekt erscheint das Ergebnis, das entstehen kann, wenn alle eins werden; nicht nur eins in der Außenwirkung für den Zuschauer, sondern auch eins für den Dirigenten – in den Klängen in seinen eigenen Ohren, die durch das harmonische Miteinander entstehen, und in seinem Herzen. Sein Leben scheint von der Perfektion der Symphonie geradezu abzuhängen.

Wie klingt der Gedanke für Sie, dass wir doch alle auch so etwas wie Dirigenten sind auf der Suche nach der perfekten Komposition? Was auch heißt, dass nicht nur wir selbst unser Bestes geben, sondern dass wir auch abhängig vom anderen Teil der Verbindung sind, ohne die kein schöner Klang erzeugt werden kann. Für mich klingt es jedenfalls, als würden wir hier auch über den Reitsport sprechen. Zumindest über das Ziel, das wir eigentlich verfolgen sollten: ein Team zu bilden, das sich durch kleinste Signale versteht und gemeinsam – auch wenn der Dirigent den Ton angibt – eine Einheit bildet.

Ich wünsche Ihnen eine schöne Vorweihnachtszeit mit Momenten der tiefen Verbundenheit zu Ihrem Pferd.

Lara Wassermann

Leitende Redakteurin Mein Pferd

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