Lisa Bosetzky floh im heißen Hochsommer in Deutschland in das kühle Snaefellsnes, Island – und erlebte dabei den Ritt ihres Lebens, indem sie auf Isländern töltend eine Wildpferdeherde begleitete
Text: Lisa Bosetzky; Foto: Thomas Beuschlein

Deutschland – 30 Grad im Schatten. Hochsommer. Es ist also endlich wieder so weit – die nächste Reitreise nach Island steht an. Voller Vorfreude packe ich meine Reisetasche: Kleidung für jedes Wetter, desinfizierte Reitsachen, Schokolade und Nüsse dürfen auch nicht fehlen für Zwischendurch. Und los geht es zum Flughafen. Ich lande um Mitternacht in gleißender Sonne in Kevlavik. Schöner kann der Empfang nicht sein. Am nächsten Morgen erkunde ich noch das tolle Reykjavik, und am Nachmittag trifft sich die Reitgruppe das erste Mal und lernt den Stall des Veranstalters kennen. Dort bekommen wir jede Menge Informationen für die bevorstehenden Tage mit auf dem Weg.
Wir sind eine buntgemischte Gruppe verschiedener Nationen: 19 Frauen und ein Mann. Am nächsten Morgen werden wir abgeholt und zur Farm gefahren. Dort werden wir schon freudig vom gesamten Team begrüßt. Nach dem Schmieren der Lunchpakete suchen wir uns die wichtigsten Utensilien für die nächsten Tage aus – Satteltaschen, Helm, schöne orangefarbene Regenkleidung und einen Sattel. Satteldecken gibt es nicht; die Pferde werden nur etwas abgebürstet, Sattel drauf und los geht’s.
Na ja, fast… Auf unsere Tour über die Halbinsel Snaefellsnes kommt eine Herde von circa 100 Islandpferden mit. Dicht gedrängt stehen sie mit wehender Mähne zusammen und denken gar nicht daran, sich einfangen zu lassen. Es dauert also eine Weile bis die passenden Pferde für die Gäste und das Team zusammengesucht sind. Es heißt, sich gedulden. Und bei irgendeinem Pferd fehlt eigentlich immer ein Hufeisen. Die Pferde werden je nach Streckenlänge zwei bis drei Mal am Tag gewechselt; wenn Rast auf freier Strecke gemacht wird, wird einfach ein langes Seil genommen und quer gespannt, sodass alle halten, und das Ritual beginnt von vorne.
Die ersten zwei Reittage geht es zunächst in die bunten Berge und über Lavafelder. Einzigartige Landschaften. Anders, als erwartet, ist es auch für isländische Verhältnisse warm und trocken. Es hat lange nicht geregnet, und die Herde wirbelt so viel Staub auf, dass man den Schweif vom Vorderpferd kaum sieht. Das ändert sich die nächsten Tage, denn nun geht es weiter an der Küste entlang. Freie Sicht auf die Herde, Sonne, Blick auf den Snaefellsnes; die Pferde haben Platz, der Boden ist flach, die Pferde tölten – es ist einfach wunderschön.
Ab jetzt richtet sich unser Rhythmus nach den Gezeiten: Wir sind mitten in der hellen Nacht aufgestanden und haben unsere schöne Tour fortgesetzt. Ein Teil der Gruppe hat uns verlassen, weil sie nur die ersten Tage gebucht hatten. So konnte sich die verbliebene Hälfte die besten Pferde aus der Herde aussuchen. Nach ein paar Tagen hatte auch jeder schon seine Lieblinge gefunden. Die Unterkünfte waren eher spartanisch, dafür war das Essen immer sehr lecker, und meine Befürchtungen, als Vegetarierin in Island zu verhungern, haben sich nicht bestätigt. Reiten kann man auf der ganzen Welt, aber töltend eine frei laufende Herde von Islandpferden über hunderte Kilometer zu führen oder zu treiben, das kann man nur in Island. Trotzdem ist Vorsicht geboten – Suchtgefahr!
Ihre Lisa Bosetzky
www.islanderlebnis.de