„Ungezähmt“. Eine Filmkritik von Mein Pferd-Redakteurin Wiebke Ramisch. Losreiten und das Land entdecken. Arbeit, Smartphone und Hektik vergessen. Aus wilden Pferden treue Wegbegleiter machen. Aber auch das: Keine Dusche, kein Bett, keine Gesellschaft außer der 16 Mustangs und 4 Freunde, die sich zwangsläufig irgendwann auf den Wecker gehen. Ben Masters, Ben Thamer, Jonny Fitzsimons und Thomas Glover sind gerade mit der Uni fertig geworden. Aus der Schnapsidee, eine kleine Gruppe Mustangs von Mexiko nach Kanada zu reiten, wurde eine fixe Idee. Der Dokumentarfilm begleitet die jungen Amerikaner, von der Auswahl der Mustangs in so genannten Adoptionsstationen bis zum Ziel. Es geht nicht nur darum, einen schönen Ritt durch atemberaubende Landschaften zu zeigen, sondern auch, auf das Schicksal der amerikanischen Wildpferde aufmerksam zu machen. Nur einige dürfen in den weiten Steppen staatlichen Lands grasen. Die anderen werden – da sie sich sonst unkontrolliert vermehren und zu viele werden für die Landstriche – eingefangen und fristen in den Adoptionsstationen ihr Dasein während sie auf Privatleute warten, die sich ihrer annehmen.

Ungebrannt, aber nicht ungezähmt

Die vier Jungs adoptieren 16 Mustangs. Innerhalb von drei Monaten reiten sie die Wildpferde ein. Bei Rittbeginn sagt Ben Masters, der Leader der Gruppe: „Ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass die Pferde schon so weit sind.“ Und doch, sie sind es. Denn es sind Mustangs. In diesem Zusammenhang ist die Übersetzung des Filmtitels unglücklich gewählt. Aus dem Originaltitel „Unbranded“ wird im Deutschen „Ungezähmt“. Denn ungezähmt sind die Wildpferde nicht. Weder bei Beginn des Ritts, noch weniger bei seinem Ende. Aber ungebrannt sind sie und werden es bleiben. Die Natur sorgt dafür, dass nur die widerstandsfähigsten, trittsichersten und gesündesten Pferde sich vermehren. Die Mustangs sind so weit, weil sie Mustangs sind. Für sie ist es normal, durch unwegsames Gelände zu stapfen und sich selbstständig ihren Weg zu suchen. Wenn unsere Hauspferde „Hilfe, da ist eine Pfütze“ schreien, haben sie nicht mal einen Blick für das vermeintliche Schreckgespenst übrig. Das ist es, was an „Ungezähmt“ fasziniert: Die Mustangs beeindrucken jeden Reiter mit ihrer Selbstverständlichkeit, mit der sie Situationen meistern. Nicht selten stockte mir – und allen anderen Zuschauern – der Atem. Als sich ein Pferd mit dem Hinterbein im Zaun verfängt. Als ein Mustang in Kakteen landet und mit Stacheln übersäht wird – sein wildes Buckeln durch das Kakteenfeld macht alles nur schlimmer. Drei Tage dauert es, bis alle Stacheln wieder entfernt sind … Die Jungs improvisieren und müssen das auch. Als eine Straße, die auf der Karte noch für Autos mit Allradantrieb ausgeschrieben war, schlichtweg nicht existiert, geht es zu Fuß den steilen, rutschigen, gefährlichen Hang hoch. Ein Pferd stürzt ab, verletzt sich aber glücklicherweise nicht.

Wie geht es den Mustangs in den USA?

Zwischendurch informiert der Film über den aktuellen Zustand der Mustangs in Amerika – und der ist schlecht. Viel zu viele Pferde weiden auf zu wenig Land und ziehen den Unmut der Farmer auf sich. Tierschützer, Landwirte und dem BLM, dem Bureau of Land Management liegen im Klinsch, eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung ist nicht in Sicht. Aber vielleicht schafft es „Ungezähmt“, die Aufmerksamkeit auf das Schicksal und die vielen Talente der amerikanischen Wildpferde zu ziehen. So durchqueren die Jungs ohne Blessuren auf schmalen Pfaden und vorbei an steilen Abgründen den Grand Canyon, wo wir atemberaubende und schwindelerregende Bildern gezeigt bekommen. Wir sehen, wie Menschen und Pferde zu einem engen Team zusammenwachsen. Wie die Jungs langsam entschleunigen und ihr Land auf eine ganz neue Weise entdecken. So anstrengend, ermüdend und gefährlich der Weg ist: Der Humor bleibt der Gruppe erhalten. Besonders Ben Thamer belustigt die Zuschauer: Er liest im Sattel „Fifty Shades of Grey“, erkennt, dass seine beiden Mustangs genau die zwei Seiten seiner Persönlichkeit widerspiegeln (die des Clowns und die des Morgenmuffels) und holt einen Esel in die Gruppe mit dem Kommentar „Nimm das, Buck Brannaman – ich bin ein Eselflüsterer!“ Wir verlassen das Kino mit sehnsuchtsvollen Bildern im Kopf nach amerikanischer Weite, frischer Luft und Abenteuer. Am liebsten möchten wir nur eins: In die USA fahren, einen Mustang adoptieren und losreiten. Wer den Film noch nicht gesehen hat: Wir verlosen Karten! Hier finden Sie alle Infos zum Gewinnspiel. Bis zum 18. Februar 2016 können Sie noch teilnehmen. „Ungezähmt“ läuft in ausgesuchten Programmkinos. Eine Liste davon finden Sie auf der Homepage des Films. Beeilen Sie sich: Vermutlich wird der Film nicht mehr wochenlang in den Kinos zu sehen sein. Wer noch einen Appetizer braucht, hier finden Sie den Trailer: