Text: Nora Dickmann        Foto: Pferdefotografie Lafrentz

Sobald die Tage länger und das Gras grüner wird, können Pferde gar nicht schnell genug zur Weide kommen. Aber wieso müssen die Tiere erst langsam angeweidet werden, und welche Gefahren drohen ihnen sonst?

Pferde, die den Winter über auf sandigen Paddocks oder im Stall verbracht haben, müssen schonend angeweidet werden. Hier muss eine langsame Umstellung auf Gras erfolgen. Es mag dem Tierbesitzer langwierig und überflüssig vorkommen. Nichtsdestotrotz sollte man Geduld zeigen, da es ansonsten zu Koliken kommen kann. Denn das Heu, welches die Pferde im Winter bekommen, hat nichts mit dem Gras auf den Weiden zu tun. Schon optisch treffen hier zwei Welten aufeinander, denn das Weidegras ist viel kürzer, feiner und tiefgrün. Während das Heu vom ersten Schnitt zu etwa einem Viertel aus Rohfaser und einem Zehntel aus Eiweiß besteht und etwa zehn bis zwanzig Prozent an fermentierbaren Kohlenhydraten (wie Stärke, Fruktan und Zucker) hat, ist das Weidegras im Frühjahr deutlich eiweiß- und kohlenhydratlastiger. Hier ist allerdings der Anteil an Rohfaser deutlich geringer.

Langsam anweiden

Anweiden ist ein langsamer Prozess. In den ersten Tagen sollte das Pferd etwa zehn Minuten an der Hand grasen, und das jeden Tag. Die Fresszeit wird gesteigert: Nach einigen Tagen auf 15, dann auf 20 und anschließend auf 30 Minuten pro Tag. Ist diese Zeit erreicht, kann das Pferd auch frei grasen auf einem kleinen, abgezäunten Teil der Weide. Allmählich wird dies auf eine bis anderthalb Stunden verlängert. Ist das Pferd sehr gefräßig, kann ein Maulkorb mit Fressschlitz helfen, die Gier zu bändigen. Insgesamt sollte der Prozess des Anweidens etwa 14 Tage dauern. Ist die Umstellung von Stall auf Weide einmal gelungen, macht den Pferden die Witterung auch wenig aus. Regen und Wind machen ihnen meist weniger zu schaffen als lästige Insekten und die Sommerhitze. Ein schattiges Plätzchen auf der Koppel ist daher unabdingbar.

Unerwünschte Folgen von zu schnellem Anweiden

Die Sonne scheint, das Gras sieht saftig aus, und das Pferd scharrt nur so mit den Hufen – welcher Besitzer möchte ihm dann keinen Gefallen tun und es den ganzen Tag auf die Weide stellen? Auch wenn dieser Gedanke nett gemeint ist, bewirkt man leider das Gegenteil. Denn der Pferdemagen hat sich während der Wintermonate so an das Raufutter gewöhnt, dass die Bakterien der Verdauung nicht mit der abrupten Umstellung auf das saftige Grün umgehen können. Sie können das viele Gras einfach nicht verdauen. Kohlenhydrate und Eiweiße gelangen in großen Mengen unverdaut in den Dickdarm und verändern die Zusammensetzung der Darmflora. Beim Abbau entstehen mehr Säuren und Gase als üblich, die ebenfalls das Gleichgewicht des Darms stören. Die Folgen: Durchfall und Kotwasser, manchmal Koliken oder Stoffwechselerkrankungen wie Hufrehe.

Bedenkenlos auf die Weide?

Nicht jedes Pferd kann bedenkenlos auf die Weide gestellt werden, auch nicht nach gründlichem Anweiden. Vor allem Ponys sind aufgrund ihrer Neigung zu einer Insulinresistenz und ihrer gierigen Futteraufnahme gefährdet, durch die Aufnahme von fruktanreichem Weidegras an Hufrehe zu erkranken. Für Pferde mit Hufrehe ist der Weidegang absolut tabu. Auch Rehe-anfällige Pferde sollte man beobachten und gegebenenfalls nur auf rationierten Portionsweiden oder mit Fressbremsen grasen lassen.

Mehr Tipps zum richtigen Anweiden finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.