Text: Nora Dickmann              Foto: Pferdefotografie Lafrentz

Jedes Jahr sorgt das Eindecken für reichlich Diskussionsstoff: Muss das Pferd eingedeckt werden? Wenn ja, ab wann? Und welche Decke ist die richtige? Mein Pferd erklärt Ihnen, wie die Thermoregulation des Pferdes funktioniert und welche Decke die passende für Ihren Liebling ist

Wenn die Tage kürzer und die Nächte länger sowie kälter werden und sich dadurch das Licht verändert, steht der Herbst vor der Tür. Wir beginnen zu frieren. Für die Pferde bedeutet das auch flauschig weiches und dickes Fell. Sie können sich durch eine erhöhte Stoffwechseltätigkeit warm halten und ihre Blutzirkulation sowie die Herzfrequenz steuern: Bei Kälte verlangsamt sich der Herzschlag, und die Gefäße ziehen sich zusammen. Das Fell ist oft verklebt und dreckig. Nach dem Training dauert es deutlich länger, bis das Pferd trocken ist. Aber wie damit umgehen? Manch einer setzt auf frühzeitiges Eindecken, andere hingegen scheren den Pelz ab. Denn auch die Fachgeschäfte tun einiges dafür, dem Fell – in welcher Art auch immer – in den Weg zu grätschen: Winterdecken mit 100 Gramm, 200 Gramm oder gar 450 Gramm, neue Muster, Farben und Highlights, die vieles versprechen. Neben den Eindeckern gibt es aber auch viele Kritiker, die behaupten, mit dem Eindecken würde das Pferd vermenschlicht und ihm dadurch sogar geschadet. Aber welcher Weg ist nun der richtige?

Domestizierung

Wildpferde waren und sind nicht eingedeckt – natürlich nicht! Schließlich schützen ihre körperlichen Eigenschaften und ihre Lebensbedingungen sie vor der Kälte. Jedoch muss man bedenken, dass unsere domestizierten Hauspferde nicht die gleichen Möglichkeiten haben wie ihre wilden Verwandten. Der Durchschnittspferdehalter kann dem Hauspferd nicht die Lebensumstände bieten, die das Pferd benötigt, um sich selbst zu schützen.

Die Komforttemperatur von Pferden liegt bei minus 15 bis plus 25 Grad Celsius, wobei sich das Optimum bei plus fünf Grad befindet – also deutlich unter den Temperaturen, die von uns Menschen noch als angenehm empfunden werden.

Grundsätzlich fällt es Pferden leichter, sich aufzuwärmen, als sich herunterzukühlen. Die Haut des Pferdes ist sehr dick und damit bereits gut isoliert. Im Gegensatz zu Wildpferden haben Hauspferde durch die Zucht jedoch meist ein feineres, dünneres Haarkleid, das nicht so gut isoliert. Das Aufstellen der Haare, die Piloerektion, wird durch die Haarbalgmuskeln des Tieres gesteuert. Dadurch kann die Felldichte um bis zu 30 Prozent erhöht werden. Stehen die Hauspferde allerdings viel in der Box oder tragen sie eine Decke, können diese Muskeln weniger gut trainiert werden. Das Ergebnis: Das Pferd kann sich weniger gut vor Kälte schützen. Denn auch hier gilt: Je länger das Fell, desto besser ist das Pferd vor Umwelteinflüssen geschützt.

Herkunft und Zucht entscheiden

Zu bedenken ist ebenfalls, dass Sportpferde meist ein feineres Haar haben als ihre nordischen Verwandten, wie beispielsweise Isländer. Würden Sportpferde nun so gehalten und nicht eingedeckt werden, wie Isländer, kann man davon ausgehen, dass sie selbst unter diesen natürlichen Bedingungen aufgrund des züchterischen Einflusses frieren würden. Denn nicht nur das Fell, auch die Bewegungsaktivität unterscheidet sie hinsichtlich der Wildpferde. Diese fahren ihre Bewegungen im Winter herunter, um nicht so viel Wärme produzieren zu müssen. Sportpferde hingegen müssen durch das Training mehr Wärme produzieren. Eindecken wirkt dem voraus – dem Pferd bleibt mehr Energie. Das bedeutet: Wird das Pferd nicht extrem robust und natürlich gehalten oder im Winter nicht regelmäßig geritten, wird man im Winter am Eindecken, wenn auch nur bei großer Kälte, nicht vorbeikommen. Gleiches gilt für alte oder schwache Tiere.

Haltungsform beachten!

Jedes Pferd empfindet Kälte anders. Es sollte also nicht pauschal entschieden werden, sondern individuell die passende Grammzahl gefunden werden. Nichtsdestotrotz spielt die Haltungsform eine große Rolle bei dieser Entscheidung, ebenso wie die (chronischen) Erkrankungen, das Alter und die Rasse.

Mehr Informationen finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.