Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt     Foto: www.Slawik.com

Der Spezialist für 
Pferderecht, Rechtsanwalt Andreas Ackenheil, gibt 
auch in dieser Ausgabe die 
besten rechtlichen Tipps rund ums Thema Pferd

Gendefekte tauchen bei fast jeder Pferderasse immer wieder auf. Es gibt verschiedene Erbkrankheiten, die besonders bei bestimmten Westernpferderassen auftreten. In der Vergangenheit machte den Warmblutpferdezüchtern vor allem das sogenannte WFF-Syndrom Sorgen. Viele Züchter und Hengsthalter fürchten Gendefekte in ihrer Zuchtlinie, da diese oftmals fatale Folgen für die Nachzucht haben können. Sind beide Elterntiere z.B. vom WFF-Syndrom betroffen, so lebt das Fohlen nur wenige Stunden.

Für viele Züchter und Hengsthalter stellt sich die Frage, ob sie ihre Zuchttiere aus der Zucht nehmen müssen und welche Auswirkungen es auf bereits geborene Nachkommen hat. Je nach Erbkrankheit muss zunächst festgestellt werden, ob sich der Defekt dominant oder rezessiv vererbt. Bei dominanten Erbgängen ist das Risiko eines betroffenen Fohlens deutlich höher als bei rezessiven Erbgängen. Sind bei dominanten Erbverläufen beide Elterntiere Träger des Gendefekts, hat das Fohlen keine Überlebenschance. Bei rezessiven Erbgängen ist die Wahrscheinlichkeit einer Vererbung nicht so groß, es sei denn, beide Elterntiere sind Gendefekt-Träger. Grundsätzlich darf mit Tieren aus rezessiven Erbfolgen gezüchtet werden, wenn nur ein Elterntier Träger ist.

Welche Auswirkungen hat die Zucht mit betroffenen Tieren auf geltende Tierschutzrichtlinien?


In § 11 I TierSchG heißt es, „es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten, soweit im Falle der Züchtung züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass als Folge der Zucht bei der Nachzucht selbst oder deren Nachkommen erheblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich sind und für das Tier dadurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten.“ Folglich bedeutet dies, dass eine Anpaarung von zwei Zuchttieren, die Träger des Gendefekts sind, unbedingt zu verhindern ist. Mittels eines Gentests könne die Elterntiere vorab auf bestimmte Erbkrankheiten untersucht werden.

 

Sollte man Tiere, die Gendefekt-Träger sind, gänzlich von der Zucht ausschließen?


Hengsthalter und Züchter befürchten bei einem generellen Ausschluss von Gendefekt-Trägern wirtschaftliche Verluste. Wird ein Hengst als Trägertier identifiziert, bedeutet dies unter Umständen geringere Bedeckungszahlen und für den Züchter eine Einschränkung der betroffenen Stute hinsichtlich der Möglichkeiten einer optimalen Verpaarung. Im Falle des WFFS trägt der Züchter ein höheres Risiko, weil das betroffene Fohlen in seinem Stall geboren wird und der Züchter einen finanziellen Verlust hinsichtlich der Erzeugungskosten und des entgangenen Gewinns erleidet. Problematisch ist in der Warmblutpferdezucht, dass auch Top-Sportpferde Träger von WFFS sind, sodass ein Ausschluss das Leistungsniveau künftiger Sportpferde verändern könnte. Dennoch ist zu bedenken, dass es viele Defekte im Erbgut gibt, die in Zukunft Ursache für bestimmte Krankheiten sind. Manchmal sind gleich mehrere Gene an einer Krankheit beteiligt, manche schalten andere Gene ein oder ab oder haben Wechselwirkungen. Langfristig sollten die Zuchtverbände Nichtträger-Stämme pflegen, um die guten Eigenschaften weiterzuvererben und dennoch kein Risiko eines erkrankten Fohlens einzugehen.

Wie haben Verbände auf derartige Erbkrankheiten reagiert?


Viele Zuchtverbände empfehlen Gentests und schließen Trägertiere teilweise von der Zucht aus. Zudem werden Trägertiere wie beispielsweise Hengste mit WFFS gelistet, sodass die Züchter selbst entscheiden können, ob sie ihre Stute decken lassen. Als Grundlage für diesen konsequenten Ausschluss dient den Verbänden § 11 I TierSchG. Zudem folgt aus dieser Vorschrift eine Verpflichtung der Verbände, explizit Gentests vorzuschreiben, um das Risiko zu minimieren, ein mit WFFS betroffenes Fohlen zu züchten.

Wie müssen sich Käufer und 
Verkäufer eines Zuchttieres 
verhalten?


Im Rahmen der Kaufuntersuchung sollte das Pferd auch entsprechenden rassetypischen Gentests unterzogen werden. Der Verkäufer ist zudem verpflichtet, den Käufer über Vorerkrankungen des Pferdes aufzuklären. Für den Käufer empfiehlt es sich, beim Kauf eines Zuchttieres explizit nach Erbkrankheiten des Tieres oder der Vorfahren zu fragen. Verschweigt der Verkäufer Erbkrankheiten, kann der Käufer den Kaufvertrag wirksam anfechten. Hat der Verkäufer selbst keine Kenntnis von der Erkrankung des Pferdes, so macht er sich dennoch schadensersatzpflichtig gegenüber dem Käufer, wenn dieser den gesundheitlichen Mangel des Pferdes bemerkt.

Der Fall der gekauften Stute 
mit Gendefekt 


Der Eigentümer einer Westernpferd-Stute bot diese zum Verkauf im Internet an. Der später klagende Interessent fuhr zur Besichtigung auf den Hof, um sich das Pferd anzusehen, welches er für seine dreizehn Jahre alte Tochter kaufen wollte. Beim Proberitt wurde bemerkt, dass das Pferd den Schweif unruhig bewegte.

Es wurden eine röntgenologische Untersuchung sowie eine Ankaufsuntersuchung bei dem Pferd durchgeführt. Im Kaufvertrag wurde zudem nicht zugesichert, dass sich das Pferd dauerhaft zum Reiten eignet. Als Beschaffenheitsvereinbarung wurde der Zustand des Pferdes nach dem Proberitt und der Besichtigung festgelegt. Die Beklagte übernahm keine Garantie für die Verwendung des Pferdes. Zudem wurde im Kaufvertrag vereinbart, dass Mängelansprüche drei Monate nach Ablieferung des Pferdes verjähren. Die Stute wurde noch am selben Tag an den Käufer übergeben. Nach einem Jahr erklärte der Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag, da sich die Stute nicht für die Zucht eignete und nicht reitbar war. Laut Aussage des Käufers litt die Stute zum Zeitpunkt des Kaufes bereits an PSSM, einer genetischen Stoffwechselerkrankung, die zu Muskelverspannungen und Unreitbarkeit führe. Das Schweifschlagen beim Probereiten wäre bereits ein erstes Anzeichen gewesen. Aufgrund der PSSM-Erkrankung widersetzte sich das Pferd beim Reiten bereits nach kurzer Zeit, sodass es nur noch auf der Weide stand und nicht mehr als Westernpferd eingesetzt wurde. Aufgrund einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent, den Gendefekt weiterzugeben, tauge die Stute nicht für die Zucht. Der Kläger berief sich auf die Mangelvermutung gemäß § 476 BGB zum Zeitpunkt des Kaufs.
Der Verkäufer verneinte eine PSSM-Erkrankung bei der verkauften Stute und führte die schwierige Rittigkeit auf eine innere Anspannung der Stute und mangelndes reiterliches Können der Tochter zurück.

Die Gerichtsentscheidung 



Das Gericht lehnte den Anspruch des klagenden Käufers gegen den Verkäufer auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes ab. Das Gericht konnte weder eine fehlende Eignung der Stute als Reitpferd noch eine angebliche fehlende Zuchteignung feststellen.

Nach Auffassung des Gerichts konnte der Käufer gemäß § 446 BGB nicht nachweisen, dass die Stute zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs beim Kauf aufgrund einer PSSM-Erkrankung nicht reitbar sei. Das Vorliegen eines Gendefekts genügt nicht allein für das Vorliegen eines Mangels § 434 I 1 BGB. Im vorliegenden Fall konnte nicht festgestellt werden, dass der Gendefekt bei Gefahrübergang vorlag oder ob der Ausbruch der Erkrankung durch externe Faktoren erfolgte. In jedem Fall bedeutet das bloße Vorliegen eines Gendefekts noch nicht, dass dieser, bezogen auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs, in absehbarer Zeit zum Ausbruch gelangen muss.
Im Gentest aus dem Jahre 2011 wurde nachgewiesen, dass die Stute eine genetisch bedingte Veranlagung trug, durch die Erkrankung PSSM auffällig zu werden. Ein Sachverständiger stellte fest, dass die gezeigten Symptome wie Buckeln oder Steigen untypisch für PSSM seien. Typische PSSM-Symptome wies die Stute nicht auf. Folglich war die Stute nicht an PSSM erkrankt und es ergaben sich keine Hinweise dafür, dass die Stute alsbald daran erkranken würde. Die Stute wies daher keine mangelnde Eignung als Reitpferd oder Zuchtstute auf. Mangels Rücktrittsrechts hatte der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung einer Ersatzpflicht der Beklagten für die Unterhaltskosten bis zur Rücknahme des Pferdes gemäß § 347 II 1 BGB.

Fazit



Das Wichtigste im Umgang mit WFFS bleibt das Testen der Hengste und Zuchtstuten, um Anpaarungen von zwei Anlageträgern zu vermeiden. Denn nur aus solchen Anpaarungen können Merkmalsträger hervorgehen. Welche rechtlichen Konsequenzen eine genetische Erkrankung eines Pferdes mit sich bringt, muss im konkreten Einfall betrachtet werden. Gerade im Hinblick auf die Regelungen des neues Kaufrechts, die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung, deren Beeinträchtigungen sowie deren Erheblichkeit müssen diese einzelnen Punkte bewertet werden. Wird ein Zuchtpferd erworben, welches aufgrund des Befundes nicht hierfür eingesetzt werden kann, stellt dies einen erheblichen Sachmangel dar. Bei rezessiv-vererbbaren Erbkrankheiten kann das Pferd meist noch zum Decken und für den Sport eingesetzt werden, sodass der Defekt nicht erheblich ist. Möchte man mit seinem Pferd züchten, ist es im Rahmen des Pferdekaufs ratsam, einen Gentest durchzuführen. Es sollte selbstverständlich sein, bei jedem Pferd vor dem Zuchteinsatz dieses umfassend untersuchen zu lassen. Ob das Vorliegen einer genetischen Erkrankung bei einem verkauften Pferd auch Schadensersatzansprüche begründet, muss daher immer anhand des Einzelfalles geprüft werden.

Ihr Anwalt für Pferderecht,

Rechtsanwalt Ackenheil

Unser Experte: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Onlineportalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.

www.pferderechtler.de