Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt        Foto: imago/ Westend61

Der Spezialist für Pferderecht, Rechtsanwalt Andreas Ackenheil, gibt auch in dieser Ausgabe die besten rechtlichen Tipps rund ums Thema Pferd

Häufigster Streitpunkt beim Pferdekauf ist die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen aufgrund einer Erkrankung des Pferdes, welche nach Übergabe und Übereignung des Pferdes in Erscheinung tritt. Die Parteien streiten meist darüber, ob der Verkäufer bereits zum Zeitpunkt des Kaufes Kenntnis vom Mangel des Pferdes hatte und ob das Pferd bereits vor dem Kauf schon erkrankte oder den Ansatz zur Erkrankung hatte, oder erst beim Käufer erkrankte.

Es ist nun die Aufgabe des Käufers zu belegen, dass das Pferd beim Kauf mangelhaft war. Dies vorausgesetzt, kann er Forderungen wie Rücktritt von Pferdekaufvertrag mit Rückgabe des Pferdes und Kaufpreisrückerstattung sowie Schadensersatz oder Ausgleich in Form einer Minderung des Kaufpreises gegenüber dem Verkäufer geltend machen.

Hierbei stellt sich häufig die Frage, wie man eine Erkrankung beim Pferd belegen kann. Welche Dokumente könne Aufschluss über eine mögliche Erkrankung geben, und wer hat Zugriff auf diese Unterlagen? Muss der Tierarzt Einsicht in die Krankenakte des Pferdes geben? Und wenn ja, wem gegenüber?

Gerade wenn es sich um Streitigkeiten nach einem Pferdekauf dreht, ist die Krankheitsgeschichte des Pferdes von besonderer Bedeutung. Es stellt sich die Frage: Darf der ehemalige Tierarzt dem Käufer und jetzigen Pferdebesitzer die Behandlungsunterlagen herausgeben? Meist fordern man die Einsicht nur, weil es nach dem Kauf zu Unstimmigkeiten kam oder das Pferd Symptome zeigt, die beim Kauf noch nicht auffällig waren. Die Einsicht in die Behandlungsunterlagen kann offene Fragen klären und Nachweise für mögliche Vorerkrankungen bzw. versteckte Mängel liefern

Doch nicht nur, wenn es um etwaige Gewährleistungsansprüche geht, kann die Patientenakte des Pferdes interessant werden. Auch sonstige medizinische Unterlagen, wie Narkoseberichte oder Röntgenaufnahmen, können für den Pferdehalter und mögliche anstehende Behandlungen relevant sein.

Hat der Tierhalter einen Anspruch gegen den Tierarzt auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen des Tierarztes?

Nun stellt sich die Frage, ob der Tierhalter einen Anspruch auf Einsicht oder gar Aushändigung der Unterlagen hat. Grundsätzlich besteht für den Tierhalter immer eine Einsichtsmöglichkeit der Unterlagen seines Tieres. Das Oberlandesgericht München entschied, dass ein Tierarzt bei jeder Behandlung eine Dokumentation (Behandlungsunterlagen) erstellen muss, in der aufgeführt wird, was diagnostiziert und wie das Tier behandelt wurde. Die wesentlichen medizinischen Aspekte der Behandlung müssen so aufgeführt werden, dass sie ein Nachbehandler aufnehmen und die Behandlung weiterführen kann, ohne Irrtümern zu erliegen. Eine Aufzeichnung in Stichworten reiche jedoch aus. Zudem besteht die Verpflichtung des Tierarztes gegenüber dem Tierbesitzer, diesem das Einsichtsrecht in die Behandlungsunterlagen zu gewähren. Die Aufzeichnungen des Tierarztes können dabei für den Tierhalter sehr wichtig sein, wenn es um die Belegbarkeit zum Beispiel einer Erkrankung oder auch einer eventuellen Falschbehandlung geht. Folglich kann ein Pferdehalter immer beim Tierarzt Einsicht in die Patientenunterlagen fordern. Umfasst sind dabei beispielsweise Röntgen- und Ultraschallaufnahmen, Operationsberichte, Protokolle oder EKG- Aufzeichnungen.

Eine Besonderheit ergibt sich für Röntgenaufnahmen. Diese musste der Tierarzt bislang nicht herausgeben, sondern konnte diese als Originale aufbewahren. Mittlerweile erhält der Tierhalter aber meist eine CD mit den digitalen Aufnahmen, sodass sich eine Diskussion um die Originale erübrigt. Dies erscheint auch sinnvoll, da der Tierhalter diese immer wieder dem behandelnden Tierarzt vorzeigen kann, ohne zuvor den Tierarzt um Einsichtnahme zu fragen.

Hat der neue Tierhalter einen Anspruch gegen den Tierarzt auf Einsichtnahme vorheriger Untersuchungsprotokolle?

Fraglich ist, ob auch der neue Käufer eines Pferdes Anspruch auf Einsichtnahme der Unterlagen aus der Besitzzeit des Verkäufers hat. Ein solcher Fall wurde jüngst vor dem Landgericht Münster verhandelt. Im konkreten Fall begehrte die neue Eigentümerin eines Dressurpferdes Einsicht in die Patientenunterlagen des Pferdes, da dieses Widersetzlichkeiten beim Reiten zeigte und die Käuferin gesundheitliche Probleme ausschließen wollte. Zuvor hatte der Verkäufer des Pferdes eine vertraglich vereinbarte Einsichtnahme jedoch widerrufen.

Das LG Münster entschied in seinem Urteil, dass der Käuferin ein solcher Anspruch gegen die Tierärztin nicht zustehe, da die Käuferin nicht Vertragspartei der Tierärztin war. Ferner müsse sie sich an ihre Vertragspartei halten und somit vom Verkäufer Herausgabe der bei ihm vorhandenen Unterlagen verlangen.

Wie kann man anhand der Untersuchungsprotokolle Krankheiten belegen und Gewährleistungsansprüche durchsetzen?

Untersuchungsprotokolle und Röntgenaufnahmen dienen zur Dokumentation von Behandlungen und belegen, zu welchem Zeitpunkt im Leben das Pferd krank oder verletzt war. Die Unterlagen protokollieren folglich den aktuellen Gesundheitszustand des Pferdes und belegen, welche Schritte der Behandlung vorgenommen und welche Medikamente verabreicht wurden. Folglich können die Unterlagen Aufschluss über den vorherigen Gesundheitszustand des Pferdes geben und helfen, bestimmte Symptome des Pferdes zu verstehen. Hatte das Pferd beispielsweise bereits einen ausgeheilten Sehnenschaden und kommt es immer wieder zu Schwellungen und Lahmheiten auf dem vorbelasteten Bein, kann der Tierhalter dem behandelnden Arzt anhand der Dokumente zeigen, wo die Verletzung war und das bereits eine solche vorlag. Der Tierarzt kann dann die Therapie und den Aufbau des Pferdes auf die Vorerkrankung anpassen.

Auch für den Käufer eines Pferdes können solche Unterlagen aufschlussreich sein. Liegt bereits in der Krankenakte ein Röntgenbefund des Pferdes vor, kann dies relevant für die Ankaufsuntersuchung sein und es muss möglicherweise erneut diese Stelle geröntgt werden, um Veränderungen abgleichen zu können. Zudem können alte Befunde auch Einfluss auf die generelle Kaufentscheidung des Käufers nehmen.

Lagen bereits in der Vergangenheit Verletzungen oder schwere Krankheiten vor, können diese dazu führen, dass sich der Käufer gegen das Pferd entscheidet. Zudem können vorherige Untersuchungsunterlagen helfen zu verstehen, warum das Pferd möglicherweise neuerdings Widersetzlichkeiten zeigt, oder belegen, dass das Pferd bereits bei Gefahrübergang mit einem Mangel behaftet war, der möglicherweise im Rahmen der AKU übersehen wurde. Geht aus den Dokumenten nämlich hervor, dass das Pferd eine knöcherne Veränderung in der Wirbelsäule bereits im Alter von 5 Jahren aufwies und nun an Kissing Spines leidet, kann der Käufer belegen, dass der Mangel sehr wahrscheinlich bereits bei Gefahrübergang vorlag.

Auch wiederholte Atemwegserkrankungen und medikamentöse Behandlungen können belegen, dass das Pferd bereits in der Vergangenheit Probleme mit der Atmung und der Kondition hatte. Die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegenüber dem Verkäufer wird mit Hilfe dieser Beweise erheblich vereinfacht.

Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der Käufer Zugang zu den Dokumenten erhält. Wurde vertraglich keine Einsichtnahme vereinbart, muss sich der Käufer an den Verkäufer halten und eine Herausgabe der Dokumente fordern, wenn entsprechende Hinweise vorliegen, die einer Klärung der Sachlage bedürfen.

Fazit

Aus dem Behandlungsvertrag ergeben sich für Tierärzte sowie auch für Tierhalter/ Beauftragende Pflichten, aber auch Rechte. Gerade wenn es um Rechtsstreitigkeiten rund um den Pferdekauf geht, ist die Krankheitsgeschichte des Pferdes und Nachweisbarkeit von Vorerkrankungen von besonderer Bedeutung.

Seit über 20 Jahren informieren, beraten und vertreten mein Team und ich rund um den Pferdekauf. Nehmen Sie unverbindlich Kontakt zu uns auf.

Ihr Anwalt für Pferderecht

Rechtsanwalt Ackenheil

Unser Experte: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Onlineportalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.

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