Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt       Foto: www.Slawik.com

Bei einem Reitturnier oder auch als Zwischenlösung für einen Engpass im Stall kommen sie zum Einsatz: die mobilen Pferdeboxen – auch Turnierboxen genannt. Je nach Bauart sind die Boxen aus stabilen, verzinkten Rundrohr- und Vierkantrahmen gefertigt. Die Trennwände bestehen oftmals aus trittsicheren, elastischen und verbissfesten Planen oder aus Holz. Flexibel, mobil und überall aufbaubar, sollen diese Boxen für Pferde zudem auch sicher sein, so dass sich kein Pferd verletzen kann. Tiere sind jedoch unberechenbar, dass zeigt ein Vorfall, der ­aktuell entschieden wurde.

Pferd verletzt sich beim Steigen in der mobilen Pferdebox

Der Halter eines Hengstes nahm an einem Pferdeturnier teil und brachte sein Pferd in der zur Verfügung gestellten mobilen Pferdebox unter. In der Nacht lief ein Wallach frei in der Stallgasse hin und her. Dieses auf-und ablaufende Pferd machte den Hengst in seiner Pferdebox derart nervös, dass dieser immer wieder stieg und sich schließlich dabei in der Pferdebox verletzte. Das Pferd musste tierärztlich versorgt werden.

Durch die tierärztliche Behandlung des Hengstes entstanden dem Pferdebesitzer Kos­ten in Höhe von 5.701,06 Euro. Seine Kosten wollte der Halter des Hengstes zum einen vonseiten des Halters des Wallachs erstattet bekommen, zum anderen auch vom Hersteller der mobilen Boxen. Denn die mobilen ­Boxen waren im Rahmenbau mit Vier­kantrohren versehen, die von 25 mm x 25 mm x 2–3 mm Materialstärke gefertigt waren. Somit verklagte er beide gesamtschuldnerisch.

Wer trägt nun die Verantwortung für die Verletzungen des Hengstes?

In erster Instanz vor dem Landgericht Verden stritten sich die Pferdehalter insbesondere darüber, ob der Wallach sich aus seiner Box befreite und sich vor die Box des Hengstes gestellt hatte. Streitig war auch, ob sich hierdurch der Hengst derart erregte, dass er über die Wand der mobilen Box sprang und sich nur dadurch verletzte. Weiterhin stritten sich der Pferdehalter des verletzten Pferdes und der Boxenhersteller und Boxenvermieter, ob eine mangelhafte Stabilität und fehlerhafte Ausführung der gelieferten Boxen ursächlich für die Verletzungen des Hengstes waren. Da es für den Vorfall keine Zeugen gab, mussten unter anderem auch Sachverständigengutachten eingeholt werden.

Ursprünglicher Auslöser für die Reaktion des verletzen Pferdes war sicherlich und ohne Frage der Wallach, der frei in der Stallgasse herumlief. Auf der anderen Seite mag man sich jedoch auch die Frage stellen: Darf sich überhaupt ein Pferd in der Pferdebox verletzen können? Muss die Box nicht so konstruiert sein, dass jegliche Gefahr einer Verletzung des Pferdes ausgeschlossen ist?

Die Entscheidung der Gerichte: Landgericht Verden

Das Landgericht Verden nahm an, dass der Halter des Wallachs zwar für den Schaden im Rahmen der Tierhalterhaftung hafte, jedoch nur zu einem gewissem Teil. Denn aufgrund der allgemeinen Tiergefahr hafte auch der Pferdehalter des verletzten Pferdes für sein Pferd, da der Hengst sich bei dem Ausbruchversuch in der Box verletzt habe und dieses Verhalten ein spezifisches ­Verhalten eines Tieres darstelle, für welches der Halter haftet. Nach Ansicht des Landgerichts Verden treffe den Boxenhersteller jedoch keinerlei Schuld an den Verletzungen des Pferdes.

Oberlandesgericht Celle

Das Oberlandesgericht Celle sah dies ­anderes und hob das Urteil teilweise auf. Gleich wie das Landgericht Verden bestätigte auch das Oberlandesgericht Celle die Haftung des Wallachhalters in Höhe von 50 Prozent. Denn wenn für die Entstehung des ­Schadens auch die Tiergefahr des eigenen Tieres mitursächlich sei, müsse dem ­Geschädigten dies angerechnet werden. Der Hengst sei „hengsttypisch“ bei ­Erscheinen des Wallachs über die seitliche Boxenwand gestiegen. Dadurch sei diese gebrochen und damit die Verletzung des Hengstes ­entstanden. Durch das Verhalten des Wallachs wurde der Hengst zu dieser Reaktion geleitet. Das Gericht führte aus, dass die Tiergefahren sich jeweils hälftig verwirklicht hätten. Es sei nicht ersichtlich, dass eines der beiden Tiere einen größeren Verursachungsbeitrag zur Verletzung des Hengstes beigetragen habe.

Die Boxenherstellerin hafte in diesem Fall nach Auffassung des OLG Celle aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung. Diese Verkehrssicherungspflichtverletzung bestünde in der ungenügenden Tragkraft der Boxenkonstruktion. Als Hersteller und Vermieter eigener und fremder Pferdeboxen habe sie in den Grenzen des technisch möglichen und wirtschaftlich Zumutbaren dafür zu sorgen, dass die Pferde, die in den Boxen gehalten werden, bei ihrem typischen Tierverhalten keine Verletzungen erleiden.

Dazu gehöre auch die Vorsorge, dass sich Pferde beim typischen Aufbäumen nicht verletzen können. Zwar gäbe es kein besonderes Regelwerk oder spezielle DIN-Vorschriften für mobile Boxen, aber welche Maßnahmen zur Wahrung der Verkehrssicherungspflichten erforderlich sind, hänge immer von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab. Gerade durch den Stress an unbekannten Orten, in fremden Umgebungen, mit fremden Pferden ist damit zu rechnen, dass Pferde auch mal steigen. Nach den Feststellungen der Sachverständigen müssten bei einer mobilen Pferdebox die Materialstärke 60 mm x 60 mm x 4 mm oder besser sogar 80 mm x 80 mm x 4 mm vorhanden sein, um die statischen Lasten eines steigenden Pferdes tragen zu können.

Pferdebox muss ­tierschutzkonform sein und den Vorgaben der Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung entsprechen

Die Materialstärke der Box des Hengstes lag erheblich unter den vorgenannten Zahlen. Nach Berechnung der Tragkraft auf jeder Seite kam das Gericht zum Schluss, dass dies nicht den Anforderungen des Tierschutzgesetzes genüge und auch nicht den Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, nach denen alle Einrichtungen, mit denen Pferde in Berührung kommen könnten, derart gestaltet werden müssten, dass Verletzungen an scharfen oder vorstehenden Kanten oder das Festklemmen der Pferde selbst, einzelner Gliedmaßen oder des Kopfes unmöglich seien.

Als Herstellerin der Boxen habe die Pferdeboxenherstellerin und -vermieterin eine Produktbeobachtungspflicht, nach der sie gehalten ist, die Sicherheit der Konstruktion stetig zu überprüfen und Gefahren vorzubeugen, die von diesen Boxen ausgingen. Als ein essenzielles Element einer sicheren Pferdebox zählt auch ihre Tragkraft der ­Boxenverstrebungen auch für den Fall eines Aufbäumens oder Steigens des Pferdes. Zudem sei sie eine professionelle Boxenvermieterin, sodass ihr hätte klar sein müssen, dass eine derartige Rohrstärke, wie sie sie verwendete, ungeeignet sei, die Lasten eines erwachsenen Pferdes zu tragen.

Wer trägt Kosten für die Verletzungen des Pferdes?

Schlussendlich bekam der Halter des verletzten Pferdes, nachdem er sein Recht durch zwei Instanzen verfolgte, den Schaden komplett ersetzt. Demnach haften der Wallachhalter mit dem Boxenhersteller und -Vermieter gesamtschuldnerisch. Der Halter des Wallachs muss nach dem Urteil der Richter des Oberlandesgerichtes in Celle für einviertel des Gesamtschadens einstehen. Die Hauptlast des Schadens trägt mit dreiviertel der Boxenhersteller und Boxenvermieter.

Das Ergebnis zeigt erneut, dass es sich durchaus lohnt, für sein Recht zu kämpfen.

 

Unser Experte: Andreas Ackenheil ­veröf­fentlicht als Spezialist für ­Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Online-Portalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem ­umfangreichen Kapitel über Pferderecht. www.tierrecht-anwalt.de