Text: Andreas Ackenheil        Foto: www.slawik.com

Welcher Pferdebesitzer oder Pferdeliebhaber würde je auf den Gedanken kommen, sein Pferd mit seinem Auto zu vergleichen? Welches Auto z.B. begrüßt seinen Besitzer, wenn dieser sich nähert, vor Freude laut wiehernd? Ja, wer setzt oder besser versucht, z.B. Regelungen, die für einen Autokauf gelten, auch für den Kauf eines Pferdes anzuwenden? Die Richter tun dies. Und dies nicht, weil sie pferdeunkundig sind und man daher meinen könnte, sie hätten vielleicht noch nie ein lebendiges Pferd gesehen. Wobei, vor manchen Gerichtsterminen meinen so manche Richter schon einmal: „Ich habe eine Pferdehaarallergie und eigentlich mit Pferden nichts am Hut.“ Da Pferde als Tiere nicht zu den Sachen in der Jurisprudenz zählen, jedoch die Regelungen der Sachen bei ihnen anzuwenden sind, ist es aus juristischer Sicht richtig, ein Pferd auch mit einem Auto gleichzusetzen.

Aktuelles BGH-Urteil: Nicht alle Regelungen z. B. des Autokaufs sind auch auf den Pferdekauf übertragbar

Bei beweglichen Sachen wie beispielsweise Autos ist die Sache klar. Auch wenn der Schaden noch so fachmännisch repariert worden ist: Ein Unfallwagen bleibt immer ein Unfallwagen. Bei Lebewesen ist das anders! Ein Pferd mit einer ausgeheilten Verletzung bleibt nicht immer ein „Unfallpferd“, entschied der BGH in seiner kürzlich veröffentlichten Entscheidung vom 13. Oktober 2019. Im konkreten Fall hatte ein zum Verkauf stehendes Reitpferd eine Rippenverletzung folgenlos überwunden, und im Rahmen der Kaufuntersuchung wurden keine erheblichen Gesundheitsmängel festgestellt, die den Ausschluss aus dem Reitsport begründet hätten. Einige Zeit nach dem Kauf veranlasste die Käuferin eine weitere tierärztliche Untersuchung bei dem Wallach. Bei dieser Untersuchung fielen dann Frakturen an der Rippe des Pferdes auf. Ein Sachverständiger konnte nicht ausschließen, dass diese Rippenbrüche nicht schon beim Kauf vorlagen. Er hielt es auch für möglich, dass sie zum Kaufzeitpunkt bereits abgeheilt waren und erst wieder durch ein traumatisches Ereignis auf dem Paddock „reaktiviert“ wurden.

Der Fall wurde zuvor vom Oberlandesgericht behandelt, welches das Pferd mit einem Unfallauto gleichsetzte. Das Gericht erklärte, dass ein Pferd mit einer ausgeheilten Fraktur immer mit einem Makel behaftet sei und auf dem Markt folglich immer für deutlich weniger Geld zu verkaufen sei. Nach der Auffassung des vorinstanzlichen OLG hatte das Pferd folglich einen Mangel im Sinne des § 434 I S.2. Nr.2 BGB. Ein Sachmangel liegt somit immer dann vor, wenn eine Sache (auch Pferde gemäß § 90a BGB) nicht die übliche Beschaffenheit aufweist, die der Käufer erwarten konnte. Das Gericht verfolgte den Gedanken, dass eine ausgeheilte Verletzung immer einen preismindernden Makel darstellt. Auch eine ausgeheilte Verletzung bleibe immer erheblich, genau wie ein repariertes Unfallauto immer nur wenig wert ist.

Der BGH sah in der Entscheidung des OLG erhebliche Rechtsfehler. In einer vorherigen BGH-Entscheidung vom Februar 2007 befasste sich der BGH schon einmal mit dem Thema: Wann gilt ein Pferd als mangelhaft? Kann ich ein Pferd bei jedem Mangel einfach zurückgeben? In der damaligen Entscheidung setzte der BGH andere Maßstäbe für die Beurteilung von Lebewesen im Kaufrecht.

Getreu dem Motto: „Nobody is perfect“ behandelte der Bundesgerichtshof Tierfälle anders. Im Gegensatz zu leblosen Gegenstände gebraucht sich ein Tier allein dadurch ständig selbst, dass es lebt und sich bewegt. Hierdurch steigt auch das Risiko für potenzielle Verletzungen. Insbesondere Pferde in Reitställen werden nicht natürlich gehalten, sodass Verletzungen während der Auslaufzeit (Weide, Paddock, Führmaschine) oder beim Reiten nicht unüblich sind. Die Einwirkung des Menschen in das natürliche Verhalten des Pferdes erhöht das Verletzungsrisiko immens. Ähnlich wie beim Menschen können auch Pferde Frakturen und Schürfwunden erleiden, die aber nach erfolgreicher Therapie ausheilen. Hat sich ein Profifußballer den Fuß gebrochen, kann dieser dennoch wieder Fußball spielen, wenn der Knochen verheilt und auch wieder belastbar ist. Ein Pferd ist eine Sache im Sinne des Gesetzes gemäß § 90a BGB. Dennoch kann ein Pferd mit einer ausgeheilten Verletzung nicht mit einer anderen reparierten Sache verglichen werden, sondern ist nach der Auffassung des BGH erst dann mangelhaft, wenn sich das Pferd nicht mehr für die gewünschte Verwendung eignet. So wäre der Fußballer im übertragenen Sinne erst dann mit einem Mangel behaftet, wenn der gebrochene Fuß nie wieder so verheilt, dass er einer Belastung standhält und der Fußballer nie wieder spielen kann. Durch die aktuelle Entscheidung macht der Bundesgerichtshof erneut deutlich, dass die Gewährleistungsrechte des BGB bei Sachkäufen nicht uneingeschränkt auf Tierkäufe angewendet werden können. Es bedarf bei der Entscheidung immer auch der Berücksichtigung ethischer Grundsätze.

Tipp vom Anwalt für Pferderecht Ackenheil:

Das aktuelle Urteil zeigt erneut, wie wichtig es ist, sich bei einem Streitfall direkt an einen Spezialisten für Pferderecht/Pferdekaufrecht zu wenden. Um bei der Durchsetzung Ihrer Rechte nicht an „Formalitäten“ zu scheitern, empfehlen wir Ihnen den rechtzeitigen Gang zu einem auf Pferderecht spezialisierten und erfahrenen Rechtsanwalt.

 

Unser Experte: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Online-Portalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.

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