Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt    Foto: Getty Images

Im Frühjahr und im Herbst sind Ausritte immer besondere Vergnügen. Idyllische, farbenfrohe Landschaften laden dann förmlich zum Eintauchen in die Natur ein. Schnell stellen sich jedoch Fragen: Wo darf ich überhaupt reiten und welche Regelungen muss ich beachten? Bin ich mit meinem Pferd ein Verkehrsteilnehmer und muss ich folglich die Straßenverkehrsordnung (StVO) beachten? Welche Regelungen tatsächlich zu beachten sind, zeigt dieser Artikel.

Reiten auf Straßen und Wegen

Will man sein Pferd auf Straßen und Wegen reiten, die für den öffentlichen Verkehr zugelassen sind, muss man sich an die geltenden Regelungen und damit insbesondere an die StVO halten. Will man auf Feldwegen oder im Wald und damit auf sogenannten „nicht öffentlichen Wegen“ reiten, greifen darüber hinaus über das Bundeswald- bzw. Bundesnaturschutzgesetz auch die Regelungen der einzelnen Landeswald- oder Landesnaturschutzgesetze. Insoweit ist es den einzelnen Bundesländern erlaubt, über diese Gesetze eigene, auf das jeweilige Bundesland bezogene Regelungen festzulegen. In ländlichen Gegenden kann sogar die Gemeindeverwaltung eigene Vorschriften für Reiter aufstellen. So kann u. a. festgelegt werden, dass nur auf Wegen ab einer bestimmten Breite geritten werden darf oder dass das Reiten auf Sportpfaden gänzlich unterbleiben muss. Ein Blick in die entsprechenden Regelungen lohnt sich also, will man nicht unbedacht Bußgelder riskieren.

Was regelt die StVO?

Die StVO enthält zunächst keine Vorschriften, die ausschließlich für Reiter gelten. Die Regelungen der StVO werden „sinngemäß“ angewendet, was heißt, dass diejenigen Regelungen entsprechend für Reiter angewendet werden, bei denen es sinnvoll ist. Reiter müssen sich ferner bei der Teilnahme am Straßenverkehr an die Vorfahrtsregelungen halten. Auch müssen sie an roten Ampeln warten und dürfen nicht einfach so über die Kreuzung reiten, dass andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden können. Auf den Straßen selbst muss ein Reiter nach §28 StVO auf der rechten Fahrbahnseite reiten. Reiten auf Rad- oder Fußwegen ist damit grundsätzlich untersagt. Wer sich nicht an die Regelungen hält, riskiert Bußgelder. Im Straßenverkehr darf ein Pferd nur reiten, wer über die erforderliche Erfahrung im Umgang mit Pferden verfügt. Sinn und Zweck dieser Regelung ist, dass der Reiter jederzeit in der Lage sein muss, im Zweifelsfall umfassend auf das Pferd einzuwirken, um Gefahren abzuwenden. Dies wird bei Reitanfängern regelmäßig nicht der Fall sein, weshalb Reitanfänger im Straßenverkehr nur in entsprechender Begleitung reiten oder das Pferd führen dürfen.

Reiten in der Dunkelheit

Reiter müssen gerade in der „dunklen Jahreszeit“ in der Dämmerung für andere Verkehrsteilnehmer gut sichtbar sein. Reiter müssen daher ebenfalls nach §28 StVO eine nicht blendende Leuchte mit weißem Licht mit sich führen, die auf der linken Seite nach vorn und hinten gut sichtbar ist. Wird im Verband geritten, muss regelmäßig der erste und letzte Reiter im Verband eine entsprechende Leuchte mit sich führen. Eine seitliche Absicherung hat durch eine nach vorne weiß und nach hinten rot leuchtende Beleuchtung zu erfolgen. Sogenannte Stiefelleuchten, die im Reitbedarfshandel erworben werden können, bieten oftmals nicht die erforderliche Sicherheit, da sie meist zu klein sind. Der Reiter selbst kann durch reflektierende Kleidung besser gesehen werden, für das Pferd eignet sich entsprechendes reflektierendes Zubehör. Hierbei sollte nicht gespart werden, will man nicht seine eigene Sicherheit und diejenige des Pferdes riskieren. Zwar dürfen Autofahrer aufgrund des Sichtfahrgebots nur so schnell fahren, dass sie jederzeit einem Hindernis ausweichen können bzw. rechtzeitig vor dem Hindernis zum Stehen kommen. Bei einer Kollision zwischen Auto und Pferd ist jedoch für den Fall, dass keine ausreichende Beleuchtung vorlag und es deshalb zum Unfall kam, ein Mitverschulden des Reiters zu berücksichtigen. Es kann damit je nach Einzelfall zu ganz unterschiedlichen Haftungsquoten zwischen Reiter und Autofahrer kommen.

Welche Abstände sind einzuhalten?

Es ist bekannt, dass Pferde Gefahrensituatio­nen oftmals viel früher erkennen als der Reiter selbst. Das liegt daran, dass das Gesichtsfeld des Pferdes gegenüber dem Menschen aufgrund der besonderen Augenstellung weit größer reicht. Aus diesem Grunde hat jeder Fahrschüler bereits gelernt, dass man an Pferden, die geritten oder geführt werden, langsam und mit ausreichendem seitlichem Abstand vorbeifährt. Ein vorheriger Augenkontakt zum Reiter oder Pferdeführer ist immer hilfreich und sollte daher nicht unterlassen werden. Aber wie groß sollte der Abstand nun sein? Regelmäßig wird ein Seitenabstand von zwei Metern ausreichend sein. Entscheidend ist jedoch die konkrete Situation, in der sich die Verkehrsteilnehmer befinden, weshalb je nach Einzelfall auch ein größerer Seitenabstand geboten sein kann. Es sind daher immer die Breite der Straße und auch die Geschwindigkeit zu berücksichtigen, mit der sich der Fahrer Pferd und Reiter nähert. Auch dürfen Autofahrer auf Pferd und Reiter nicht zu dicht auffahren. Der Fahrer hat daher rechtzeitig mit dem Überholvorgang zu beginnen. Ist ein sicheres Vorbeifahren nicht gewährleistet, muss der Autofahrer warten.

Sind mehrere Reiter unterwegs, müssen diese einen entsprechenden Abstand zwischen ihren Pferden einhalten. Das Oberlandesgericht Hamburg hat in einem konkreten Fall einen Abstand von circa zehn Metern als angemessen angesehen. Auch hier entscheidet jedoch der Einzelfall, sodass es durchaus erforderlich sein kann, einen größeren oder auch einmal einen kleineren Abstand einzuhalten. Diese Regelung gilt übrigens auch beim Reiten im Gelände. Die Sicherheit geht vor, da andere Personen nicht gefährdet werden dürfen.

Führt der Reiter ein sogenanntes Handpferd mit sich, ist besondere Vorsicht geboten. Zum einen muss er auf das Pferd aufpassen, welches er reitet. Zum anderen muss sich der Reiter auch auf das mitgeführte Pferd konzentrieren. Er muss jederzeit eine sichere Einwirkung auf das Handpferd ausüben; dies kann haftungsrelevant werden, wenn es zum Unfall kommt. Insoweit wird den Reiter jedenfalls ein Mitverschulden treffen.

Besondere Verkehrsregeln für Reiter

Da die Regelungen der StVO „entsprechend“ angewendet werden, ergeben sich für den Reiter auch besondere Regelungen. So gelten für ihn nicht die festgelegten Promillegrenzen, obwohl er als Verkehrsteilnehmer angesehen wird, wenn er ein Pferd auf der Straße reitet. Kommt es zur Verkehrskontrolle oder sogar zum Unfall, kann die Ordnungsbehörde oder auch ein Gericht dem Reiter aufgrund „Alkohol am Zügel“ die Teilnahme am Straßenverkehr wegen Untauglichkeit untersagen. Nach § 36 StVO sind Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten zu befolgen, weshalb sich ein Reiter auch an die durch die Polizeibeamten geänderten Verkehrsbedingungen zu halten hat, nimmt er am Straßenverkehr teil. Speziell bei lebhaftem Verkehr auf der Straße hat der Reiter vom Pferd abzusteigen und es an der Hand zu führen. Dies ist insbesondere geboten, wenn sich das Pferd nervös und unsicher verhält und die Gefahr besteht, dass es unkontrolliert durchgeht. Halten sich Autofahrer und Reiter an die bestehenden Regelungen und nehmen sie die erforderliche Rücksicht aufeinander, können Pferde problemlos auch im Straßenverkehr geführt werden. Genießen Sie den schönen Frühling mit Ihrem Pferd beim Ausritt. Wir wünschen Ihnen viel Spaß.

 

Unser Experte

Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferderecht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Onlineportalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht. www.tierrecht-anwalt.de

 

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