Text: Alexandra Koch       Foto: Shutterstock/ Katho Menden

Echte Wildpferde gibt es in Deutschland zwar nicht mehr, doch Pferdeliebhaber haben vielfältige Möglichkeiten, Pferde auch hierzulande in freier Wildbahn zu erleben

Sie sind die bekanntesten unter den Wildpferden in Deutschland: die Dülmener. Dabei ist die Rasse kein Wildpferd im „biologischen Sinn“, sondern kann nur aufgrund seiner Haltung als „halbwild“ eingestuft werden. Sie leben heute frei im Merfelder Bruch, eine Landschaft in Nordrhein-Westfalen zwischen Borken und Dülmen. Der Merfelder Bruch ist eine idyllische, von Mooren geprägte Landschaft, welche den Pferden einen einzigartigen Lebensraum bietet.

Die erste urkundliche Erwähnung der Dülmener Pferde stammt aus dem Jahre 1316, als sich Herrman de Merfeld und Johannes de Lette das Recht auf die Jagd, den Fischfang und die wilden Pferde in diesem Gebiet sicherten. Der Merfelder Bruch gehörte bis Anfang des 19. Jahrhunderts der Familie von Merveldt. Dann fiel es durch den Reichsdeputationshauptschluss an die Herzöge von Croy. Mit dieser Maßnahme begann jedoch der Lebensraum der freilebenden beziehungsweise halbwild gehaltenen Pferde des Merfelder Bruchs zu schrumpfen. Denn die Herzöge ließen das Land beackern und nutzten den Forst als Holzquelle. Das hatte dramatische Folgen für die Pferde: Mitte des 19 Jahrhunderts gab es nur noch rund 150 Tiere.

Doch Herzog Alfred von Croy erkannte Mitte des 19. Jahrhunderts, wie brenzlig die Lage der Dülmener Wildpferde war. Dreißig Hektar bewaldetes Land des Merfelder Bruchs ließ der Adlige daraufhin einzäunen, um fortan dieses Gebiet nur noch als Refugium für die Pferde zu nutzen. Zwanzig Kleinpferde wurden dort in einem ersten Schritt angesiedelt. Die Pferde vermehrten sich sehr schnell, und die Herde wuchs immer weiter. Da bei kleinen Herden Inzucht immer gefährliche Folgen haben kann und diese Gefahr natürlich besteht, wurden nach und nach Welsh-Pony-Hengste eingekreuzt. Dadurch wurde jedoch die Robustheit der Ponys beeinträchtigt. Exmoor-Ponys und Huzulen wurden vermehrt nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund ihrer Robustheit eingekreuzt. Allerdings waren es die Koniks, welche wirklich erkennbaren Einfluss hatten. Der Hengst Nougat XII deckte über sechs Jahre in Dülmen und vererbte seine typisch mausgraue Färbung besonders deutlich.

Heute sind es um die 300 bis 400 Pferde, die im Merfelder Bruch leben. Der angenehme und ausgeglichene Charakter der Dülmener, gepaart mit ihrem Temperament und ihrer Klugheit, machen diese Tiere mit ihren 1,25 bis 1,35 Metern Größe zu guten Reitpferden. Besonders im Freizeitbereich und als Kinderponys werden die Dülmener gerne eingesetzt. Am letzten Samstag im Mai werden alle Dülmener zusammengetrieben und jeweils rund 40 Junghengste ausgemustert. Sie werden anschließend meistbietend versteigert. Das Einfangen der Dülmener Wildpferde ist Jahr für Jahr ein Spektakel, welches sich die gesamte Region nicht entgehen lassen will.

Seit Februar 1994 werden die Dülmener Pferde auf der Roten Liste der gefährdeten Nutztierrassen der GEH geführt und sind in die Gefährdungskategorie I, also als extrem gefährdet, eingestuft. Das Dülmener Pferd wurde von der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) daher auch zur „Gefährdeten Nutztierrasse des Jahres 2014“ erklärt.

Weitere Informationen zu Deutschlands Wildpferden finden Sie in der August-Ausgabe der Mein Pferd.26