Text: Nora Dickmann      Foto: immago images/ Horstmueller GmbH

Hans Günter Winkler und seine Hessenstute Halla waren ein ungewöhnlich außergewöhnliches Paar. Bekannt wurden sie nicht nur wegen ihrer zwei Weltmeistertitel, sondern auch wegen ihres spektakulären Ritts bei den Olympischen Spielen 1956 in Stockholm

Im Jahr 1945 kam in Darmstadt bei Gustav Vierling ein kleines, braunes Stutfohlen zur Welt. Seine Mutter war eine französische Stute, sein Vater der braune Traber Oberst. Das Fohlen, Halla, wurde zunächst als Rennpferd, dann als Military- und Springpferd eingesetzt, galt allerdings als schwierig, phlegmatisch und zickig. Das DOKR stempelte Halla daher als untauglich für den Leistungssport ab. 1951 übernahm der deutsche Springreiter Hans Günter Winkler die sechsjährige Stute. Und das mit Erfolg. „Es hat Klick gemacht“, sagte er später einmal. Und das sah man: 125 Siege gehen auf das Konto des Paares. Darunter drei olympische Goldmedaillen.

Zur Wunderstute wird Halla, als sie ihren Reiter Hans Günter Winkler bei den Olympischen Spielen 1956 in Stockholm zum Sieg führt. Und das, obwohl der junge Reiter aufgrund eines Muskelrisses in der Leiste unter starken Schmerzmitteln stand. An diesem Tag steht die Entscheidung im Springreiten an. Der Parcours ist schwer, im ersten Durchgang bleibt kein Reiter fehlerfrei. Hallas Reiter Hans Günter Winkler verletzt sich beim 13. Sprung, einem 1,60 Meter hohen Gartenkoppelzaun, an der Leiste. Winkler spürt einen stechenden Schmerz in seiner linken Leiste, es ist, als ob ihm jemand ein Messer in den Bauch gerammt hätte. Er sackt zusammen. Ist beinahe ohnmächtig vor Schmerzen, so berichtet er später.

Er will aber nicht aufgeben, weil die deutsche Mannschaft sonst raus wäre. Ein Streichergebnis gab es damals nicht. Winkler erklärt die Situation selbst am besten: „Es war ein Scheidepunkt in meiner ganzen Laufbahn: Entweder Held sein und das Unmögliche möglich machen oder die größte Pfeife sein, die Deutschland die Goldmedaille kostet. Um mich herum starrten mich die Leute argwöhnisch an, doch ein Zurück gab es nicht.“

Er bekommt Schmerzmittel, starken Kaffee, seine Sicht verschwimmt. Aber für Halla und Winkler kein Problem. Denn die beiden sind über die Jahre zu einer außergewöhnlichen Einheit geworden. Das merken auch die 23.000 Zuschauer im Olympiastadion, welche die Schmerzensschreie Winklers bei jedem der 17 Sprünge deutlich hören. Und dann geschieht das Unglaubliche: Halla trägt Winkler im Alleingang über die Hindernisse und siegt! Als einziger Reiter bleibt er hier fehlerfrei. Für die deutsche Equipe bedeutet das den Sieg mit der Mannschaft und für Hans Günter Winkler Gold im Einzel.

In den folgenden Jahren kamen weitere Siege dazu: Bei den nächsten Olympischen Spielen in Rom wurden Hans Günter Winkler und Halla erneut Sieger in der Mannschaftswertung. Im gleichen Jahr wurde die Wunderstute aus dem aktiven Turniersport verabschiedet. Sie bekommt acht Fohlen, etliche Zuckerwürfel von Hans Günter Winkler und viel Fanpost. Im Mai 1979 stirbt die Wunderstute mit 34 Jahren.

Ihr zu Ehren steht eine lebensgroße Bronzeplastik vor dem Sitz des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei in Warendorf. Auch die Reiterliche Vereinigung ehrt Halla weiterhin: Nie mehr darf ein Turnierpferd unter dem Namen „Halla“ starten. Denn die Wunderstute soll für immer einmalig bleiben.