Text: Aline Müller         Foto: Marc Lubetzki

Tierfilmer Marc Lubetzki beobachtet und filmt seit 2012 Wildpferdeherden und wird dabei während den Dreharbeiten selbst Teil der Herde. Er beschreibt, wie er das Vertrauen der Tiere gewinnt und welche Schlüsse er aus seinen einzigartigen Beobachtungen zieht.

Die Natur birgt für Menschen zahlreiche Geheimnisse. Auch in Bezug auf Pferde können wir von ihr lernen. Wissen Sie, wie Freundschaften zwischen Tieren entstehen, was Rangordnung für wilde Pferde bedeutet, wie die natürliche Kommunikation aussieht oder wie Aufgaben in der Herde verteilt werden? Diesen und weiteren Fragen ist der Tierfilmer Marc Lubetzki auf den Grund gegangen. In seinem Buch „Im Kreis der Herde“ hat er seine Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse festgehalten. Dabei gelingt es ihm auch, mit alten Missverständnissen wie beispielsweise der Leithengst-Lüge, aufzuräumen und zu beweisen, wie nah sich Wild- und Hauspferd doch in ihrem Verhalten sind. Marc Lubetzki hat das Vertrauen der Tiere gewonnen und dadurch besondere Einblicke gewährt bekommen. Er erinnert sich: „Ich hatte unzählige Fragen, und schnell wurde mir klar, dass ich wilde Pferde nicht nur aus der Entfernung beobachten konnte, um die Antworten zu finden. Wollte ich erfahren, wie sie wirklich leben, musste ich es schaffen, dass sie mich in den Kreis ihrer Herde aufnehmen.“

Erste Begegnungen in der Natur

Der lichte Waldboden federt jeden Schritt von Marc Lubetzki sanft ab. Als die Sonne über den Bergkamm steigt, schließt er seine Augen und hört einfach nur zu. Hier, in der streng geschützten Kernzone des Peneda-Gerês-Nationalparks im Norden Portugals, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, und die Natur wirkt vollkommen unberührt. Eine Schlucht nach der anderen macht jede Wanderung zum Kraftakt. Die hohen Felsen und die vielfältige Vegetation bieten unzählige Verstecke für die wilden Pferde. Seit vielen Jahren beobachtet der Tierfilmer Herden in unterschiedlichen Ländern. Dazu gehört auch immer Geduld: „Ich habe gelernt, dass du in der Natur nichts erzwingen kannst, und wenn du überhaupt nicht damit rechnest, passiert häufig etwas Wundervolles“, sagt Marc Lubetzki. Er setzt seinen Rucksack ab und entdeckt in etwa 200 Metern Entfernung einen einzelnen Hengst. Der Dunkelbraune hat den Menschen genau im Visier. Marc Lubetzki bleibt ruhig sitzen und wartet ab. Nach zwei Minuten beginnt der Hengst entspannt zu grasen. „Auf der Suche nach frischem Grün wandert er ganz allmählich immer höher in die Berge, und ich lasse ihm etwas Vorsprung, bevor ich ihm mit großem Abstand folge. Wohin wird er wohl gehen? Ich hoffe insgeheim, dass er auf dem Rückweg zu seiner Herde ist“, erzählt der Tierfilmer.

Die Gesten der Pferde spiegeln

Wer in die Welt der wilden Pferde eintauchen möchte, muss zur Ruhe kommen. „Anders geht es gar nicht. Zu fein sind ihre Sinne. Wilde Pferde würden sofort fliehen, wenn sich ihnen jemand nähert, der angespannt oder aufgeregt ist“, erklärt Marc Lubetzki. „Zudem sind wir durch unseren Körperbau in der Kommunikation mit Pferden deutlich eingeschränkt. Ich muss mir daher Gedanken machen, wie sie mich wahrnehmen.“ Pferde haben fast einen Rundumblick und reagieren sowohl empfindlich auf waagerechte, schnelle Bewegungen als auch auf Geräusche. Beim Beobachten der Herde fällt dem Tierfilmer schnell auf, dass alle Pferde unterschiedlichen Beschäftigungen nachgehen. Während der Althengst ruhig und entspannt am Rand der Herde steht, grasen zwei Stuten eifrig. Eine andere liegt auf der Seite und ruht. Als die Pferde nach und nach das Fressen einstellen, wird es offensichtlich: Die Herde befindet sich im Übergang von der Nahrungsaufnahme zur Ruhephase. Marc Lubetzki nutzt die Möglichkeit, um sich langsam zu nähern. Er geht nicht direkt auf die Herde zu, sondern bewegt sich auf langen Zickzacklinien und bleibt immer wieder kurz stehen. So übernimmt er den Rhythmus der grasenden Stute. „Damit die Pferde deutlich sehen können, dass ich in freundlicher Absicht komme, blicke ich die meiste Zeit auf den Boden. Nachdem ich mich auf diese Weise um 15 Meter angenähert habe, bleibe ich stehen. Als Zeichen der Entspannung winkle ich eines meiner Beine an und setze meinen Fuß ruhend auf der Spitze ab“, erklärt der Experte. Jetzt hört auch die letzte Stute auf zu fressen und bleibt stehen.

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