Text: Aline Müller     Foto: Mari_art – stock.adobe.com

Pferde sprechen überwiegend durch ihr Verhalten – nicht nur mit Artgenossen, sondern auch mit Menschen. Wir sollten deshalb bemüht sein, die Psyche des Pferdes zu verstehen, und uns damit beschäftigen, wie unser Verhalten von unseren Vierbeinern gedeutet wird.

Seit Jahrtausenden sind Mensch und Pferd auf einzigartige Weise verbunden. Kunstwerke, Mythen, Heldenepen – im Laufe der Zeit sind Partnerschaften und Bindungen entstanden, von denen der Mensch auch in emotionaler und kultureller Hinsicht profitiert hat. Das Pferd als kraftvolles Fluchttier auf der einen und als soziales Wesen auf der anderen Seite ermöglicht uns etwas ganz Besonderes: uns selbst besser kennen und verstehen zu lernen. Dazu ist es unerlässlich, sich mit der Psyche des Pferdes zu beschäftigen, um so neue Möglichkeiten in der Verständigung erleben zu können und die Beziehung zu vertiefen. Das Pferd hat von Natur aus eine gewisse Bereitschaft, sich auf den Menschen einzulassen. Doch ebenso ist es in der Lage, sich an Gegebenheiten anzupassen, die nicht seiner Natur entsprechen, was zu Missverständnissen führen kann, bei denen meist das Pferd das Nachsehen hat. „Gelingt es uns, das Pferd in seinem Wesen zu akzeptieren und das, was es uns mitteilen will, zu verstehen, dann können wir solche Missverständnisse vermeiden, wie sie in den Haltungsbedingungen, der Aufzucht, dem Umgang, der Ausbildung und dem Training des Pferdes bestehen“, schreibt Ulrike Thiel in ihrem Buch „Die Psyche des Pferdes“.

Vom Nutztier zum Sportpferd

Es ist schon beeindruckend, wie Pferde mit Menschen zusammenleben und -arbeiten. Ein so kraftvolles, wildes Tier, das den härtesten Bedingungen in freier Wildbahn trotzen kann, stellt nicht nur seine Kraft und seine Instinkte, sondern auch sein ausgeprägtes Sozialverhalten in den Dienst des Menschen. Zugegebenermaßen war die Zusammenarbeit des Pferdes mit dem Menschen nicht immer ganz freiwillig. Wir sollten uns deshalb immer vor Augen halten, welche Vergangenheit uns verbindet, und bemüht sein, dem Vierbeiner ein entsprechend artgerechtes Leben zu ermöglichen. Pferde waren früher vor allem Arbeitstiere oder Transportmittel – sie wurden beispielsweise auf den Feldern oder im Kampf eingesetzt. In Deutschland haben Pferde heute keinen natürlichen Lebensraum mehr. Wir kennen fast nur noch Freizeit- und Sportpferde. Leider führen Geld, Macht und Konkurrenz immer wieder dazu, dass Ethik und Verantwortungsbewusstsein des Menschen in den Hintergrund rücken, auch im Umgang mit Tieren. Fehler werden oft aber auch einfach aufgrund von mangelndem Wissen, fehlender Erfahrung oder aus Unsicherheit gemacht.

Hilfe ist nicht immer hilfreich

Wenn Sie Pferdebesitzer sind, erinnern Sie sich bestimmt noch an Ihr erstes Pferd. Inwieweit hat damals die Vorstellung vom eigenen Pferd mit der Realität übereingestimmt? Wahrscheinlich gab es Momente, in denen Sie mit dem Latein am Ende waren und sich Hilfe gesucht haben. Aber nicht immer führt diese auch wirklich zum Ziel: So werden alle möglichen vermeintlichen Hilfsmittel von der Industrie angeboten, vom Schlaufzügel bis zum Sattel mit speziellen Pauschen, die das Bein in der richtigen Position halten sollen. Sie verbessern aber nicht das Reiten und richten meist eher Schaden an. Zudem tummeln sich einige selbsternannte Trainer in Reiterkreisen, die eben nicht artgerecht ausbilden. Das heißt natürlich nicht, dass Sie keine Hilfe in Anspruch nehmen dürfen. Doch dieser Artikel sollte Sie motivieren, sich auch eigenständig mit der Psyche des Pferdes auseinanderzusetzen, Gegebenheiten kritisch zu hinterfragen und Ihr eigenes Handeln immer wieder zu reflektieren. Nur so können Sie gemeinsam mit Ihrem Pferd wachsen und ein harmonisches Miteinander erreichen. Überlegen Sie sich auch, inwieweit Sie sich in Zukunft von allen Menschen in Ihrem Umfeld Ratschläge zu Herzen nehmen. Damit Ihr Pferd Vertrauen aufbaut und die Beziehung stetig gestärkt wird, sollten Sie eine klare Linie verfolgen und lernen, sich nicht sofort verunsichern zu lassen. Möglicherweise ist Ihr Weg schon genau der richtige, aber immer wieder kommen Ihnen Stimmen zu Ohren, die Sie davon abbringen. Nutzen Sie die folgenden Informationen, um Ihren Rahmen zu erweitern, Ihr Wissen aufzufrischen, Ihr Pferd besser zu verstehen und den Weg zu einer motivierten, fairen Partnerschaft zu finden.

Eine Nachricht, vier Ebenen

„Trotz ihrer großen Anziehungskraft sind Pferde auf Anhieb nicht so leicht zu verstehen“, sagt Isabelle von Neumann-Cosel. „Hunde bellen oder knurren, Katzen schnurren oder miauen, Pferde sind leise Tiere.“ Ihre natürliche, alltägliche Verständigung geschieht überwiegend lautlos durch Körpersprache, Mimik, Gestik und Bewegung. Menschen sind Meister im Reden. Doch wir sind eher selten klar in unserer Kommunikation. Zudem haben Nachrichten, die wir senden, nicht nur eine Ebene. Das Vier-Seiten-Modell von Friedemann Schulz von Thun ist ein Modell der Kommunikationspsychologie. Es beschreibt eine Nachricht unter den vier Ebenen (oder Aspekten) Sachinhalt, Selbstoffenbarung, Beziehung und Appell. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen als Beifahrer mit einem Freund im Auto und sagen: „Du, die Ampel ist grün.“ Sie sind der Sender, Ihr Freund der Empfänger. Der Sachinhalt ist klar: Die Ampel ist grün. Doch die Nachricht hat noch weitere drei Seiten (Aspekte). So offenbart sie unter anderem, wozu Sie Ihr Gegenüber veranlassen möchten. Ihr Appell könnte also sein: „Gib Gas!“ Gleichzeitig geben Sie auch etwas von sich selbst preis. Im Beispielfall haben Sie es wahrscheinlich eilig. Sie wissen aber auch, wie man Auto fährt und was „grün“ bedeutet. Die Beziehungsebene gibt Aufschluss, was Sie von dem Empfänger halten und wie sie beide zueinander stehen. Es könnte sein, dass Sie den Fahrer über die grüne Ampel informieren, da Sie vermuten, dass er Ihrer Hilfe bedarf, um nicht noch länger stehen zu bleiben. Probieren Sie anhand dieses Modells einmal aus, wie Sie mit Ihrem Pferd kommunizieren und welche Ebenen bei der verbalen Kommunikation beteiligt sind beziehungsweise was Sie über diese erreichen wollen.

…den kompletten Artikel zum Verhalten und Kommunikation finden Sie in der Ausgabe 5/19.

BUCHTIPP

Das Buch „Wenn Pferde sprechen könnten… …sie können!“ von Isabelle von Neumann-Cosel leistet Übersetzungshilfe für den Menschen. Die Sprache der Pferde lässt sich nicht von ihrem Verhalten trennen; wer die Pferdesprache besser verstehen will, muss lernen, das Pferdeverhalten zu beobachten und richtig zu deuten. Das Buch erklärt die vielen Facetten des Pferdeverhaltens in der modernen Pferdehaltung und im Reitsport auf der Grundlage der arttypischen, instinktiven Reaktionen, die allen Pferden gemeinsam sind. Es zeigt mit Witz und Wärme typische Missverständnisse zwischen Mensch und Pferd auf und gibt zahlreiche praktische Hinweise dafür, die Sprache der Pferde so zu beantworten, dass sich Zwei- und Vierbeiner gegenseitig besser verstehen. Das Buch ist im FN-Verlag erschienen und hier für 19,80 Euro erhältlich.