Text: Nicole Audrit    Foto: Daniel Elke

Vereinzelt fliegen Dosen und andere Gegenstände in Richtung der Polizeipferde. Bengalos rauchen, eine Mülltonne brennt, immer wieder sind Schreie zu hören, lautstarke Parolen erklingen und eine große Anzahl von Menschen versucht die Hundertschaft und die Reiterstaffel der Polizei abzudrängen – nahezu normale Zustände bei vielen Demonstrationen. Die Polizeipferde lassen sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen und reagieren auf jede feine Hilfe ihrer Reiter, sodass die Demonstranten mithilfe weiterer Polizeieinheiten schnell unter Kontrolle gebracht werden können. Sowohl bei Demonstrationen als auch bei Fußballspielen werden die Reiter und Pferde der Landes­reiterstaffel Nordrhein-Westfalen oft zur Unterstützung angefordert. Trotz modernster Technik und einer großen Fahrzeugflotte bleiben die Polizei­pferde ein wichtiger Teil bei verschiedenen Groß­veranstaltungen. „Der Einsatz von Pferden hat verschiedene Vorteile: Zum einen haben die meisten Menschen Respekt vor den großen Tieren und weichen daher automatisch zurück, während sie einem Polizisten auf Augenhöhe möglicherweise mehr Ärger machen würden. Zum anderen haben die Polizisten aufgrund ihrer erhöhten Position im Sattel einen besseren Überblick über die Geschehnisse. Bei einer Demonstration oder im Rahmen eines Fußballspiels können sie so Tumulte in der ­Menschenmenge oder möglicherweise aggressive Gruppierungen frühzeitig erkennen“, erklärt Melanie Lipp, Polizeihauptkommissarin und Leiterin der Landesreiterstaffel NRW in Willich. Außerdem kann die Reiterstaffel bei nahezu allen Geländegegebenheiten flexibel eingesetzt werden: ob bei der Suche in einem Waldstück oder vor den Eingängen eines Stadions.

Gute Vorbereitung ist entscheidend

Polizeipferde müssen im Dienst viele Anforderungen erfüllen und erbringen Höchstleistungen. Hierfür ist ein hohes Trainingsmaß in verschiedenen Bereichen notwendig. Wir waren bei der Landesreiterstaffel NRW in Willich zu Besuch und haben uns ein Training angeschaut. Unser Fazit vorweg: Der Umgang mit den Pferden und das Herzblut, das alle Polizistinnen und Polizisten in ihre Arbeit stecken, hat uns sehr beeindruckt.

Generell ist die Beziehung zwischen Pferd und Reiter sehr eng, schließlich verbringen sie nahezu täglich viel Zeit miteinander und haben bereits anstrengende, teilweise gefährliche, sowie schöne und aufregende Einsatzmomente gemeinsam erlebt. Diese Bindung ist gewollt und wird stetig vertieft. Daher hat jeder berittene Polizist sozusagen ein Stammpferd, welches er meistens im täglichen Training und in den Einsätzen reitet. Da die Einteilung der Pferde jedoch unter anderem von den Einsatzplänen abhängt, muss jeder Polizist jedes Pferd reiten können und jedes Pferd muss sich problemlos von jedem Reiter kontrollieren lassen.

Selbstbewusste Ausstrahlung

Ein Polizeipferd muss in Sekundenbruchteilen auf die Signale seines Reiters reagieren und zusätzlich ein gewisses Selbstbewusstsein und eine gewisse Eigeninitiative mit sich bringen. Außerdem darf es nicht in sich gekehrt seinen Dienst verrichten, sondern muss in allen Situationen nervenstark und besonnen reagieren. Um ein solches Pferd zu erhalten, ist zunächst eine gute und solide Grundausbildung unterm Sattel wichtig, wobei das Pferd den Spaß an der Arbeit nicht verlieren darf. Die Landesreiterstaffel NRW kauft generell nur (mindestens) angerittene Pferde im Alter zwischen fünf und sieben Jahren. Unter einem erfahrenen Ausbilder wird auf dem Platz und in der Halle zunehmend an allen Punkten der Ausbildungsskala der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) – Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung, Geraderichtung und Versammlung – gearbeitet. Selbstverständlich muss ein Polizeipferd keine hohen Dressurlektionen wie Galopp-Pirouetten oder Piaffen beherrschen, dennoch muss es fein an den Hilfen stehen. „Eine gute Grundausbildung ist unumgänglich, schließlich muss das Pferd in jeder Situation beherrschbar bleiben“, resümiert Melanie Lipp. Außerdem dient die regelmäßige Gymnastizierung der Gesunderhaltung der Pferde, da nicht nur die Polizisten sondern auch die Polizeipferde viele Stunden im Einsatz ableisten müssen: Bei einem Risikospiel in einer der Fußball-Ligen muss die Reiterstaffel schon mehrere Stunden vor Spielbeginn am Stadion sein, um die anreisenden Fans zu kontrollieren und Krawalle zu verhindern. Daher benötigen Polizeipferde eine gute Kondition.

… einige Übungen für ein gelassenes Pferd sowie den restlichen Artikel finden Sie in der Mein Pferd-Ausgabe 7/18.

UNSERE EXPERTIN: Melanie Lipp ist Polizei­hauptkommissarin. Die 45-Jährige begann 1994 bei der Polizei und trat 2006 zunächst als Polizeireiterin, später als Berittführerin in die Landesreiterstaffel Rheinland (LRSt) ein. Im Jahr 2014 absolvierte sie die Ausbildung zum Trainer C und leitet seit 2015 die LRSt Rheinland in Düsseldorf. https://polizei.nrw/landesreiterstaffel