Text: Aline Müller         Foto: www.Slawik.com 

Viele Reiter sehen ihr Pferd als Partner oder Freund an. Eine gewisse Vermenschlichung ist normal. Wenn diese allerdings bestimmte Grenzen überschreitet, ist das für die betroffenen Tiere nicht mehr gesund. So erkennen Sie, ob in Ihrer Beziehung zu Ihrem Pferd alles richtig läuft

Kein Partnerersatz

Oftmals ist sie eher harmlos und kann uns sogar helfen, mehr Empathie für Tiere zu entwickeln. Doch manche Personen überschreiten die Grenze mit einer solchen Schallgeschwindigkeit, dass alle Alarmglocken in Sachen Tierschutz rot aufleuchten. Erinnern Sie sich an Karl Lagerfelds Birmakatze Choupette? Er nannte sie seine Muse und machte keinen Hehl aus seiner innigen Liebe zu ihr. Auch der klassische „Schoßhund“ ist eine Vermenschlichung. Kein Hund sitzt von Natur aus gerne den ganzen Tag auf einem Schoß oder trägt gerne die passende Kleidung zu Frauchens beziehungsweise Herrchens Garderobe. Menschen, die ihre Tiere so verniedlichen, überschreiten Grenzen. Sie sind sich dessen nur leider selten wirklich bewusst. Zu sehr gehen sie davon aus, zu wissen, was ihre Vierbeiner denken, fühlen und brauchen. Ein Hund bleibt jedoch ein Hund – unabhängig von seiner Rasse oder seiner Größe. Das Gleiche gilt für Pferde. Generell sollte sich jeder zukünftige Besitzer genau über die spezifischen Bedürfnisse eines Tieres informieren, bevor er sich zum Kauf entschließt. Wer in seinem Pferd beispielsweise einen Partner- oder Kinderersatz sieht, schadet seinem Tier früher oder später. Ein Tier kann keinen Menschen ersetzen und ist nicht dazu da, die Bedürfnisse seines Besitzers zu stillen. Es ist leider leicht, einem Lebewesen, dass nicht sprechen kann, seine eigenen Wünsche aufzuzwingen. Das nimmt ihm jedoch den freien Willen.

Alles für ein Like

Das sollte auch in Hinblick auf Social Media überdacht werden. Von ihren Besitzern präsentierte Vierbeiner sammeln hier unzählige Likes und Kommentare, in der Hoffnung, dass der Bekanntheitsgrad wächst. Zu Festen wie Weihnachten oder Halloween werden Kostüme ausgepackt, und die Tiere werden festlich, schaurig oder lustig dargestellt. In der Reiterwelt ist es keine Seltenheit, dass ständig ein Fotograf zur Stelle ist, Pferde die neuesten Modekollektionen mit ihren Reitern präsentieren und Tiere ihre eigenen Instagram- oder TikTok-Profile haben. Manche Besitzer schreiben sogar Kommentare im Namen ihres Pferdes oder Hundes. Wenn sich alles nur noch um Social Media dreht, liegt der Fokus nicht mehr in der Realität. Das macht sich meistens auch beim Training bemerkbar: Wie können wir als Reiter im Moment sein und uns auf unser Pferd einlassen, wenn sich die Gedanken um das nächste Foto oder die perfekte Videoaufnahme drehen? Wenn dann Lektionen nicht gelingen oder das Pferd sich nicht so bewegt, wie es gewünscht ist, macht sich schnell Frust breit. Dabei ist es völlig normal, dass es gute und nicht so gute Momente während des Trainings gibt. Sowohl Reiter als auch Pferde brauchen Zeit und Ruhe, um zu lernen. Eine entspannte Trainingsatmosphäre ist dafür die Voraussetzung. Das Smartphone sollte also kein ständiger Begleiter oder Überwacher sein. Das ist oft einfacher gesagt als getan, denn schließlich ist es ein ständiger Begleiter im Alltag, und nicht wenige Reiter setzen ihre eigenen Maßstäbe anhand von Videos oder Fotos, die sie auf Social Media sehen.

Das Winter-Phänomen

Jedes Jahr wieder zeigt sich ein besonderes Phänomen: Sobald es kälter wird, wird das eigene Temperaturempfinden auf das Pferd übertragen, und der Vierbeiner wird dick eingepackt. Doch nur weil wir Menschen frieren, heißt das noch lange nicht, dass es unseren Pferden genauso geht. Es gilt immer abzuwägen, ob es sinnvoll und notwendig ist, einzudecken oder nicht. Dabei spielen neben dem Alter auch der Gesundheitszustand und die Haltungsweise eine Rolle. Ein Rentner, der sich vielleicht auch mit der Futteraufnahme schwertut und im Offenstall steht, wird eher eine Decke benötigen als ein gesundes Pferd in einer Box. Das Gleiche gilt für Utensilien wie Stallgamaschen: Auch wenn Händler den Nutzen betonen, heißt das nicht, dass Pferde ständig dick eingepackt auf ein paar Quadratmetern stehen müssen. Als Besitzer und Reiter sollten wir immer wieder hinterfragen, wie wir mit unserem Pferd umgehen, und uns beobachten, ob und wie wir es vermenschlichen. Bis zu einem gewissen Grad ist eine Vermenschlichung in Ordnung. Sie darf allerdings nie gegen die Natur des Pferdes gehen oder es in seinen natürlichen Bedürfnissen einschränken, von ausreichend Bewegung über Sozialkontakte bis hin zur passenden Fütterung. Und genau in dieser Hinsicht findet auch häufig eine Vermenschlichung statt.

Den kompletten Artikel finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.