Text: Jana Herrmann/St. Georg      Foto: Getty Images

Seit den 1980er-Jahren werden in den Niederlanden Koniks ausgewildert. Das Naturschutzgebiet Ostvaardersplassen ist Heimat für die aktuell größte Herde dieser ursprünglichen Pferderasse. Allerdings ist die Population inzwischen so gewachsen, dass Tierschützer von unhaltbaren Zuständen sprechen.

Nahe der niederländischen Hauptstadt Amsterdam, in der Provinz Flevoland, liegt das Naturschutzgebiet Ostvaardersplassen. Auf etwa 5600 Hektar leben dort nicht nur die Koniks, sondern auch Rinder, Hirsche und über 250 Vogelarten. Den Tieren soll ein natürlicher Lebensraum fast ohne menschlichen Einfluss geboten werden. In den letzten Jahren ist jedoch Kritik an dem Projekt laut geworden: Weil mittlerweile zu viele Tiere das Areal besiedeln, sei besonders in der kalten Jahreszeit nicht genügend Futter vorhanden. Tierschützer warnen daher, dass im Winter viele der Pferde, Rinder und Hirsche schlichtweg verhungern müssten.

Anfänge und aktuelle Situation

Problematisch ist, dass den Tieren in Ostvaardersplassen nur ein begrenzter Raum für die Nahrungssuche zur Verfügung steht, da das gesamte Gebiet von einem Zaun umgeben ist. Zudem sind zwei Drittel der Fläche naturbelassenes Sumpfland, bieten also keine Weideflächen. Die niederländische Regierung untersagte bisher jedoch eine Zufütterung im Winter, so dass nun eine wachsende Gruppe von Tierschützern, und insbesondere Pferdeliebhabern, auf die Missstände aufmerksam machen will.  In einer Facebook-Gruppe rufen die Organisatoren zu Spenden und Demonstrationen auf, zudem wurde eine Petition gestartet und es besteht Kontakt zu Politikern.

Das Naturschutzgebiet entstand Ende der 1960er-Jahre nach der Trockenlegung des südlichen IJsselmeeres. Als man feststellte, dass aufgrund der weiterhin vorhandenen Feuchtigkeit keine industrielle Nutzung des Gebiets möglich ist, wurde die Idee für Ostvaardersplassen geboren. Ursprünglich sind die Pferde und Rinder angesiedelt worden, um zu verhindern, dass die Fläche komplett mit Büschen überwuchert wird. Die niederländische Regierung will sich seitdem nicht weiter einmischen, „die Natur regele sich von selbst“. Zudem würden die Tiere niemandem gehören.

Das sagen Politik und Prominente

Im Jahr 1992 hat die Europäische Union das Projekt „Natura 2000“ ins Leben gerufen, zu welchem auch Ostvaardersplassen gehört. Natura 2000 ist ein EU-weites Netz von Schutzgebieten zur Erhaltung gefährdeter oder typischer Lebensräume und Arten. In den Park fließen dementsprechend auch Fördergelder der EU. Laut aktuellen Berichten der niederländischen Presse, sollen diese allerdings zeitnah gestoppt werden, wenn in Ostvaardersplassen tatsächlich Pferde verhungern. Eine entsprechende Abstimmung im Europäischen Parlament habe bereits stattgefunden, wie die niederländische Abgeordnete Annie Schreijer-Pierik auf ihrem Twitter-Account bestätigte.

In den sozialen Netzwerken grassieren Horror-Bilder von stark unterernährten Tieren und zahlreichen Pferdekadavern. Auch einige der niederländischen Top-Reiter haben bereits ihr Entsetzen in der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht. Jan Greve, der erst kürzlich seinen Rücktritt als Teamtierarzt der Niederländer bekannt gegeben hatte, hat sich vor Ort ein Bild von der Lage gemacht und fordert eine drastische Reduzierung der Population. Bis zu 5000 Tiere hätten zwischenzeitlich auf dem Areal gelebt, etwa 2500 davon seien inzwischen aufgrund der schlechten Bedingungen verstorben. Realistisch gesehen bietet das Naturschutzgebiet jedoch nur ausreichend Fläche und Futter für etwa 800 bis 1000 große Grasfresser.

Laut Annemieke van Straaten, einer der Hauptorganisatorinnen der Proteste, konnten inzwischen schon erste Maßnahmen zum Schutz der Pferde erreicht werden. Auf ihrer Facebook-Seite gab sie gestern bekannt, dass nach Gesprächen mit Politikern der Provinz Flevoland, die Tiere inzwischen an einigen Futterstellen mit zusätzlichen Raufutter versorgt werden. Die Menge sei aber bei weitem noch nicht ausreichend. Bürger und Tierschützer, die auf eigene Kosten füttern möchten, werden von der Polizei mit Geldstrafen belegt. Da in Ostvaardersplassen keine natürlichen Fressfeinde für die Pferde, Rinder und Hirsche vorhanden sind, sollen stark geschwächte oder erkrankte Tiere von den Parkwächtern erschossen werden. Auch dies geschehe aber meist viel zu spät oder gar nicht. Verhungern ist ein langer, schmerzhafter Prozess.

Eine wilde Rasse, aber kein Wildpferd

Der Konik ist eine polnische Pferderasse, die in ganz Mitteleuropa für die Pflege von Naturschutzgebieten eingesetzt wird. Obwohl sein äußeres Erscheinungsbild dem Przewalski Pferd und dem Tarpan sehr ähnlich ist, gehört der Konik nicht zu den Wildpferden. In verschiedenen Zuchtprojekten wurde seit Anfang des 20. Jahrhunderts jedoch versucht, die Koniks weitestgehend wieder auszuwildern. Mit einem Stockmaß zwischen 130 bis 140 Zentimetern zählt der Konik zu den Ponys und gilt als besonders genügsam und langlebig.

 

Quellen:

https://www.destentor.nl/lelystad/geen-europese-subsidie-naar-oostvaardersplassen~acecd73a/

http://www.horses.nl/algemeen/jan-greve-vandaag-in-oostvaardersplassen/

https://www.facebook.com/annemieke.vanstraaten