Anne Krüger. Sie ist Tierwirtschaftsmeisterin und -trainerin und leitet seit über 20 Jahren den Degenerhof. Zudem ist sie die Begründerin der HarmoniLogie
Interview: Jessica Classen; Fotos: Ilja van de Kasteele

Wann saßen Sie zum ersten Mal auf einem Pferd?
Als Kind durfte ich ab und an reiten, aber Tiere passten nicht in den Lebensplan meiner Eltern, und so habe ich, dank meines starken Willens, jeden Groschen gespart, um immer wieder ein wenig auf einem Ponyhof sein zu können. Dort konnte ich das Leben mit den Pferden echt genießen.

Wie sehen Sie Ihr Verhältnis zu Pferden?
Mein Verhältnis zu Pferden ist gefüllt von Leidenschaft und Faszination, von Respekt und Bewunderung. Die Arbeit mit Pferden sehe ich als Lebensschule, denn es ist Respekt und Vertrauen, das stete Schulen des inneren und äußeren Gleichgewichts, das Leben von Liebe und Geduld, die Kunst, gefühlvoll Türen zu öffnen und andere zu verschließen. Ich sehe mein Verhältnis zu den Pferden als sehr inniges und direktes Verhältnis.

Welche Reitweise bevorzugen Sie?
Persönlich bin ich Dressurreiterin aus Leidenschaft. Sie erzeugt in mir das Gefühl von Anmut, Leichtigkeit, Präzision und Dynamik. Eine unsichtbare und extrem feine Sprache zwischen zwei Individuen, gefüllt mit Kraft und Willen. Aber mir gefällt tatsächlich jede Reitweise, wenn sie fein und leicht ist.

Gibt es ein bestimmtes Pferd, das Sie einmal reiten möchten, und warum?
Mein erster Impuls, auf die Frage zu reagieren, war: ein Pferd von Isabell Werth. Das wäre schon irre, unter ihrer Anleitung so ein präzise geformtes Pferd reiten zu dürfen. Aber es würde mich fast ebenso faszinieren, ein gutes Cutting Horse zu reiten. Sie haben die HarmoniLogie erfunden.

Was genau beinhaltet diese Lehre?
Die HarmoniLogie ist das intelligente Spiel aus Harmonie und Disharmonie. Sie ermöglicht den direkten Zugang zu den Tieren. Wir schulen die Menschen, die Tiere zu lesen und einen Dialog ohne emotionale Interpretationen und Analysen zu führen, genau hinzuhören und das zu sagen, was sie meinen. Menschen lernen, ehrlich zu loben und ohne Bestechung positiv zu verstärken. Ebenso lernen sie wertfrei, klar und lösungsorientiert zu kritisieren. Auf diesem Hintergrund der Achtsamkeit entwickeln die Menschen mit ihren Tieren ihre eigene Sprache. Und das Ganze führt für alle Seiten zu einem Höchstmaß an Lebensqualität. Es ist ein wunderbarer Weg.

Wie bringen Sie Menschen und Tieren bei, über dieselbe Sprache miteinander zu kommunizieren?
Um einen Zugang zu finden, bedienen wir uns des Naturgesetzes der Sprache. Dies ist artübergreifend. Haben beide Parteien gelernt, sich zuzuhören, entwickeln wir individuell die Sprache und die Signale, die gewünscht und sinnvoll sind. Die Ruhe im Dialog und die gegenseitige Achtung sind hierbei die Grundvoraussetzungen. Hört man sich gegenseitig zu, dann kann man sich ja auch alles sagen.

Wie trainieren Sie Ihre Auftritte?
Die Tiere kennen sich untereinander und werden auf die Show-Situationen so gut wir können vorbereitet. Wenn all das für alle normal ist, dann kann sich jeder gut auf seine Aufgabe konzentrieren. Und so entsteht am Ende die kleine Kür mit vielen Geistern.

Mit welchen Tieren arbeiten Sie am liebsten und warum?
Am liebsten arbeite ich mit Hunden, Pferden, Menschen und all dem Getier, das mich umgibt. Dieser artübergreifende Dialog, das Spiel mit den Wirklichkeiten und die dann erreichte Harmonie verblüffen mich immer wieder aufs Neue.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Ich möchte gerne so weitermachen wie bisher. Die HarmoniLogie weiterentwickeln, weitere Publikationen veröffentlichen und noch viele Menschen und Tiere erreichen mit dieser schönen Art der Arbeit.

Wären Sie nicht Schäferin und Tierwirtschaftsmeisterin geworden …
… dann hätte ich niemals diese Liebe zu jeder Kreatur erfahren, ich hätte niemals so gut gelernt, Tiere zu lesen und vielleicht ein ganz anderes Verständnis für das Leben im Ganzen bekommen. Ich bin froh und dankbar, dass es so gekommen ist!