Text: Julia Schay-Beneke     Foto: imago/Photocase

Am Anfang waren es Flugzeuge. Carola L. merkte, wie ihr vor jedem Urlaub am Flughafen der Schweiß ausbrach. Beim Gedanken an die Enge des Flugzeuges, mögliche Turbulenzen und das Gefühl des Ausgeliefertseins fing ihr Herz an zu rasen. Ein paar Jahre später kamen Autos und Krankheiten dazu. Eine Fahrt auf der Autobahn ähnelte für sie zunehmend der Situation im Flugzeug: ein mehr oder weniger enger Blechkasten, Geschwindigkeit, kein Einfluss auf äußere Umstände wie das Wetter und auf rücksichtslose andere Fahrer. Auf dem Beifahrersitz verkrampfte sie sich, bekam feuchte Hände und klammerte sich an den Haltegriff. Wenn Carola L. Kopfschmerzen oder Husten hatte, fingen ihre Gedanken an zu rasen. Könnte eine tödliche Krankheit dahinterstecken? Irgendwann fuhr sie wie jeden Tag nach der Arbeit zu ihrem Pferd. Sie holte es von der Koppel, sattelte und trenste es, plante einen Ausritt im Wald. Bis sich kurz vor dem Aufsteigen die vertrauten Symptome meldeten: Herzrasen, Schweißausbrüche, Angst.

Der Körper spielt verrückt

Carola L. ist beileibe keine Ausnahme. Reiter, die nach einem Sturz, Tritt oder einem anderen negativen Erlebnis plötzlich Ängste entwickeln, gibt es in großer Zahl. Den wenigsten ist jedoch bewusst, dass die Angst vor dem Pferd oder dem Reiten an sich nur in wenigen Fällen die einzige Angst ist. Ein Weg, das Übel an der Wurzel zu packen, ist Hypnose. Nicole Weber ist Hypnosetherapeutin und hat seit 2012 eine Praxis in Hannover. Ihre Behandlungsschwerpunkte sind Ängste, Phobien und Traumafolgestörungen. Da sie seit ihrer Kindheit reitet, zwei eigene Pferde hat – einen Andalusier und einen Hannoveraner – und als Centered Riding Instructor ausgebildet ist, nimmt das Reiter-Coaching einen Großteil ihrer Arbeit ein. Zu ihr kommen Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen Angst vor dem Pferd oder dem Reiten entwickelt haben, ihren Sitz verbessern möchten oder ein Mentaltraining zur Turniervorbereitung benötigen. Bei allen Ängsten forscht sie vor Beginn der Behandlung nach, ob noch weitere Ängste da sind. „Es ist wirklich sehr häufig, dass die Klienten auch Angst vor Höhe, Autos, Brücken oder etwas anderem haben“, erklärt sie. „Hier ist es ganz wichtig herauszufinden, was zuerst da war. Wenn jemand seit Jahren von diversen Ängsten geplagt wird, müssen wir uns auf das Ganze konzentrieren.“ Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Ängste chronisch werden und sich ausweiten. „Wenn die Ursache nicht gefunden wird, verschiebt sich die Angst lediglich, und eine andere Angst entsteht.“ Es ist den Menschen also nicht damit geholfen, sich lediglich dem Problem mit dem Pferd zu stellen. Vielmehr muss der Grund dafür klar sein, was in dem Leben des Klienten zu seiner Angst führt. „Häufig steckt das Gefühl von Kontrollverlust dahinter“, erzählt Nicole Weber. „Dieses Gefühl haben die Klienten schon sehr früh erfahren, manchmal in den ersten Lebensmonaten.“ Die Kindheit beeinflusse daraufhin unser ganzes späteres Leben: Lassen die Eltern das Kind selbstständig Dinge ausprobieren oder vermitteln sie ihm das Gefühl, dass überall potenzielle Gefahren lauern, die es überfordern könnten? Wird das Kind gestärkt und ermutigt oder eher zurückgehalten? „Um diese Dinge herauszufinden, müssen wir in die Kindheit zurückgehen“, erklärt sie, „allerdings haben wir auf diese Erfahrungen keinen bewussten Zugriff.“ In Trance jedoch ist der Zugang zu unbewussten Erlebnissen leichter.

Im Unterbewusstsein verborgen

Sie selbst war schon als Teenager vom Thema Hypnose fasziniert. Im Alter von 12, 13 Jahren stöberte sie bei ihrem Onkel im Bücherregal und stieß auf das Buch „Die hohe Schule der Hypnose“ von Kurt Tepperwein. Nachdem sie es zu Hause verschlungen hatte, probierte sie ihr neues Wissen an ihren Mitschülern aus. „Die haben bereitwillig mitgemacht, und es hat hervorragend geklappt“, erzählt sie lachend. Das Interesse blieb und während ihres Psychologiestudiums vertiefte sie das Thema mit ihren Kommilitonen. Nach dem Studium durchlief sie die formellen Hypnoseausbildungen und eröffnete 2012 ihre Hypnosepraxis – zunächst nebenberuflich. Eine schwere Erkrankung in den Jahren 2013 und 2014 veranlasste sie jedoch, ihr Leben gründlich umzukrempeln. Während dieser Zeit halfen ihr Selbsthypnose und Hypnose durch Kollegen durchzuhalten, und danach stand für sie fest: Mit der Abhängigkeit von einem festen Arbeitgeber war nun Schluss. Nicole Weber wollte die Hypnosetherapie zu ihrem Beruf machen. Sie riskierte alles, ihre Praxis betreibt sie seit 2016 in Vollzeit.

…den gesamten Artikel – inklusive eines Erfahrungsberichtes einer Mein Pferd-Leserin – finden Sie in der August-Ausgabe.