Interview: Nicole Audrit    Foto: www.slawik.com

In 150 Sekunden ein Rind aus der Herde separieren und daran hindern, wieder zur Herde zurückzulaufen. Das ist die Aufgabe für Pferd und Reiter beim Cutting. Sebastian Geiger, der sich auf die Ausbildung von Cuttingpferden spezialisiert hat und mit seiner Verlobten Sina Kaletka einen Trainingsstall für Westernpferde betreibt (www.kg-trainingstables.de), hat uns das Wichtigste zur Disziplin Cutting verraten.

 

Was genau ist Cutting?

Cutting ist eine Turnierdisziplin im Westernreitsport. Der Begriff wird aus dem Englischen hergeleitet, von „to cut“. Das bedeutet übersetzt „schneiden“: Man spricht davon, dass beim Cutting ein Rind aus der Herde „herausgeschnitten“ wird. Das separierte Rind soll nach Möglichkeit, für einen kurzen Zeitraum, am Zurücklaufen zur Herde gehindert werden. Die Disziplin hat ihren Ursprung in der Rinderarbeit der Cowboys. Ursprünglich wurde das Cutting angewandt, um beispielsweise ein krankes Rind von der Herde zu trennen und untersuchen zu können. Daraus hat sich eine der beliebtesten Turnierdisziplinen im Westernreitsport entwickelt. Cutting ist ein Teamsport – auch wenn es auf den ersten Blick eventuell nicht so aussehen mag. Allerdings geht es alleine nicht, daher wird der Cutter bei seiner Arbeit von vier selbstgewählten Helfern unterstützt: Zwei Herdholder, die die Herde seitlich kontrollieren und auf der kurzen Seite der Showarena halten, und zwei Turnbacks. Sie hindern das ausgesonderte Rind daran, in die Arena zu entlaufen. Außerdem können sie das Rind wieder in Richtung Herde zurückdrängen, wenn es sich zu weit von dieser entfernt. Letztendlich wird zwar nur das einzelne Pferd-Reiter-Paar bewertet, aber es kommt auf eine gute Zusammenarbeit an.

Wie läuft eine Cutting-Prüfung genau ab?

In einer Prüfung haben Reiter und Pferd 150 Sekunden Zeit, um ihre Fähigkeiten bei der Rinderarbeit unter Beweis zu stellen. Der Cutter muss in dieser Zeit mindestens zwei, maximal drei Rinder nacheinander aus der Herde separieren – und so lange von der Rinderherde fernhalten, bis das Rind stillsteht oder den Versuch zur Herde zurück zu laufen, beendet hat und sich vom Cutter wegdreht. Zu diesem Zeitpunkt darf die Arbeit an diesem Rind beendet werden. Beim Cutting kommt es darauf an, dass der Reiter ein Rind von der Herde trennt, ohne dass die Herde unruhig wird oder auseinanderläuft. Außerdem sind selbstständig arbeitende Pferde gefragt: Legt der Reiter die Zügelhand auf dem Pferdehals ab, signalisiert er diesem, dass es von nun an selbstständig arbeiten darf und soll. Lediglich beim Einreiten in die Herde darf der Cutter seinem Pferd dabei helfen, ein Rind auszusuchen und von der Herde abzusetzen. Die zweite Hand des Cutters befindet sich am Sattelhorn und stabilisiert den Sitz. Versucht das Rind, seinem Herdentrieb zu folgen und zur Herde zurückzulaufen, muss das Pferd – ohne sichtbare Hilfengebung durch den Reiter – dem Rind jeweils durch schnelle Wendemanöver und Sprints den Weg zur Herde abschneiden, ohne dabei dem Rind hinterher zu laufen. Das Pferd hat gelernt, das aussortierte Rind nicht zu „jagen“. Sondern es schirmt es lediglich von der Herde ab und bleibt dabei auf einer parallelen Linie zwischen der Herde und dem einzelnen Rind – mit gleich bleibendem Abstand zur Herde und völlig synchron zu den Bewegungen des Rindes. Die Zeit läuft, wenn das Pferd die Zeitlinie etwa zehn Meter von der Herde überquert hat und endet mit einem Tonsignal. Anschließend vergibt der Richter eine Punktzahl zwischen 60 und 80. Zu Beginn des Ritts hat jedes Pferd-Reiter-Paar eine Durchschnittsbewertung von 70. Pluspunkte werden gesammelt, wenn das Rind in der Mitte der Arena gearbeitet, dort von Reiter und Pferd kontrolliert und in der Mitte gehalten wird. Strafpunkte gibt es, wenn es dem Rind gelingt, zur Herde zurückzulaufen, für jeden Verlust an Kontrolle über das Rind oder für Hilfengebung des Reiters während der selbständigen Arbeitsphase seines Pferdes.

Welche Eigenschaften muss ein gutes Cuttingpferd mitbringen?

An das Cuttingpferd werden verschiedene Anforderungen gestellt, da es zeitweise selbstständig und ohne permanente Unterstützung durch den Reiter arbeiten muss. Daher wird für die Disziplin Cutting ein gut ausgebildetes, fein an den Hilfen stehendes Pferd benötigt, das weitgehend selbständig arbeitet und über den sogenannten „Cow Sense“ verfügt. Das bedeutet, dass das Pferd die Fähigkeit besitzen muss, ein Rind zu „lesen“ und dessen Reaktionen und Bewegungen vorauszuahnen. Ein gutes Cuttingpferd zeichnet sich durch eine besondere Athletik, Schnelligkeit und Wendigkeit und ein aufmerksames und offenes Wesen aus. So ist das American Quarter Horse aus sportlicher Sicht sehr gut fürs Cutting geeignet.