Der Einhorn-Boom scheint kein Ende zu nehmen und hat natürlich auch die Reiterwelt voll im Griff. Einhörner auf Schabracken, Huföl und Mähnenspray versüßen uns den Stallalltag. Doch was hat es mit diesem Fabelwesen auf sich und warum sind alle so verrückt darauf?

Text: Lara Wassermann

Egal wo man hinsieht, Einhörner findet man momentan an jeder Ecke. Kleidung, Möbelstücke, Deko, Lebensmittel … Selbst Einhorn-Schokolade von Ritter Sport ging für Sammlerpreise von 50 Euro und mehr über die Theke (die Ebay-Theke mittlerweile). Der neueste Schrei: Einhorn-Toilettenpapier von Edeka. „Wo soll das noch hinführen?“, fragt sich der Nicht-Einhorn-Fan.

Dass dieser Hype um die hübschen Fabelwesen natürlich auch die Reiterwelt längst erobert hat, ist deshalb nicht erstaunlich. Gerade der Hersteller „Equest“ setzte in seiner letzten und auch in der aktuellen Kollektion auf die Einhörner und war selbst erstaunt, dass die Produkte mit dem beliebten „Pummeleinhorn“ in Windeseile vergriffen waren. Die Zielgruppe für die magischen Wesen sind keineswegs ausschließlich Kinder, sondern häufig Erwachsene. Doch was macht diese Faszination aus? Und gibt es einen­ Grund dafür, dass gerade jetzt alle total­ auf Einhörner abfahren?

Erinnerung an die Kindheit

Prof. Dr. Henning Staar ist studierter Psychologe und bringt ein wenig Licht in die Sache: „Grundsätzlich sind Tiere – vor allem­ in den sozialen Netzwerken – beliebt­. Man denke nur an die unzähligen Katzenvideos, die bei Facebook etc. geteilt werden. Gleichzeitig verbinden vor allem die Kinder der 80er- und 90er-Jahre mit dem Einhorn sicherlich auch eine gewisse Nostalgie, eine Erinnerung an die Kindheit, in der das Leben leicht und die Welt noch in Ordnung war“, erklärt der Experte. Die Sehnsucht nach der schönen Kindheit scheint nicht der einzige Grund für die Liebe zum Einhorn zu sein. Schon in der religiösen Kunst des Mittelalters stand das Einhorn für Reinheit und die Jungfrau Maria. Ihm werden magische Kräfte nachgesagt, und es symbolisiert Macht und Heilung. „Einhörner sind als Fabelwesen im mythischen und fantastischen Bereich angesiedelt, sie bieten damit die Möglichkeit, gedanklich der realen Welt zu entfliehen, sie wirken sozusagen kompensatorisch“, so Prof. Dr. Henning Staar. Könnte man auch Parallelen zur aktuellen Unbeständigkeit der Gesellschaft ziehen und daraus ableiten, dass den Menschen die Sicherheit und Geborgenheit fehlt? Der Wirtschaftspsychologe sieht darin einen Zusammenhang: „Ja, denn die von mir genannten Aspekte gewinnen vor allem in unruhigen gesellschaftlichen Zeiten wie den gegenwärtigen an Wichtigkeit.“

Das richtige Timing

Mit dem Einhorn verbindet man auch ein gewisses Lebensgefühl, mit dem sich die Konsumenten durch dem Kauf assoziieren: „Einhörner sind gute, sympathische, aber auch seltene Wesen, die sich von der Masse abheben. Bei m Einhorn-Trend spielte aller­dings auch das Timing eine wesentliche Rolle. Beispielhaft sei die limitierte ‚Einhorn-Edition‘ von Ritter Sport genannt: Knapp zwei Wochen, nachdem die Schokolade 2016 auf den Markt kam, startete der Karneval, bei dem auf einmal auch das Einhorn als Kostüm boomte. Ein sich selbst verstärkender Trend war geboren“, berichtet Henning Staar.

Trend-Forschung

Was den Boom wirklich ausmacht, bleibt nach wie vor ein Rätsel. Und war das Einhorn wirklich ein Bewohner­ des ursprünglichen Paradieses, wie es ihm nachgesagt wird? Im Volksmund heißt es: „Wenn das Einhorn sich zeigt, verschwindet der Teufel.“ Schöne Idee, denn so fühlt man sich mit einem Einhorn an seiner Seite direkt etwas sicherer, auch wenn es nur auf der Schabracke abgebildet ist!

„Virale ­Trends, wie auch im Fall des  Einhorns, sind für die Wirtschaftwissenschaft weiterhin hochinteressante Forschungsgegenstände, lassen sie sich doch nie zu 100 Prozent erklären oder vorhersagen“, so Staar.

Eins ist klar: Was seit Jahrhunderten Menschen so sehr fasziniert wie das Einhorn, wird auch weiterhin Menschen verzaubern – selbst ohne Sternenstaub.

 

(Foto: Equest)