Was die meisten an ein Märchen erinnert, ist in Wahrheit viel Arbeit: Besonders wenn der Frühling in ein paar Wochen wieder vor der Tür steht und mit ihm der Fellwechsel unserer Pferde, müssen wir sie aktiv durch die Ernährung unterstützen
Text: Jessica Classen; Foto: Christiane Slawik

Die Arme werden immer länger, die Kardätsche in der Hand immer schwerer, und die Schulter beginnt zu schmerzen. Wir gleichen immer mehr einem plüschigen Langhaarmeerschweinchen, weil an unseren dicken Fleecejacken alles hängen bleibt, während man meinen möchte, unsere Pferde stehen bald ohne Haare vor uns. Draußen ist es klirrend kalt, wir trauen uns noch gar nicht, an den Frühling zu denken, und trotzdem werfen die Pferde ihr Fell ab, als wäre es viel zu warm. Unsere Pferde stehen seelenruhig da und genießen die Extra-Massageeinheiten, die mindestens zweimal im Jahr kommen: im Herbst und jetzt im Frühling. Während Pferden im Herbst lediglich ein paar Haare ausfallen und vor allem Unterfell nachgeschoben wird, ersetzen sie im Frühling dagegen praktisch ihr gesamtes Fell durch ein neues Haarkleid.

Startschuss für den Fellwechsel

Der Fellwechsel erwischt uns jedes Jahr eiskalt und meistens tatsächlich unvorbereitet. Während wir gedanklich noch im Winter sind, sagt der Stoffwechsel unserer Pferde etwas anderes: altes Haarkleid ab, neues Haarkleid drauf. Den Startschuss für den Fellwechsel gibt nämlich gar nicht die Temperatur, sondern die Länge der Tage: Wird es draußen früher hell, heißt das, dass die Haare runter wollen. Aber was bedeutet es für unsere Pferde? Wenn die Haare ausfallen, fallen sie nicht einfach vom Körper ab. Sie bleiben auf dem übrigen Fell liegen, und das juckt. Also fangen sie an zu schubbern. „Gerade in Phasen des Fellwechsels ist eine ausgewogene Ernährung notwendig“, sagt Frau Dr. Anne Mößeler vom Institut für Tierernährung an der Tierärztlichen Hochschule Hannover.

Das neue Haarkleid

Es klingt so einfach: „Pferde werfen ihr Fell ab und bekommen ein neues.“ Aber das ist es nicht. Der Bedarf an Nährstoffen, Aminosäuren und essenziellen Fettsäuren steigt. Viel Eiweiß und Energie sind vonnöten, und wir sollten besonders auf das Spurenelement Zink achten. „Bei Zinkmangel kommt es beispielsweise zu verstärkter Schuppenbildung der Haut infolge von Störungen des Verhornungsprozesses, auch Parakeratose genannt“, weiß unsere Expertin. Zink ist nicht nur an der Bildung von Keratin beteiligt, sondern fördert auch das Haarwachstum. Weitere wichtige Nährstoffe sind Spurenelemente wie Kupfer oder Selen sowie B-Vitamine (inklusive Folsäure). In Roter Bete steckt beispielsweise viel Vitamin B. Mangelt es einem Pferd an diesen Nährstoffen, funktioniert der Fellwechsel zwar trotzdem, aber das Immunsystem wird geschwächt. „Ein extremer Mangel an Kupfer kann zur Aufhellung des Felles, insbesondere um die Augen herum, führen. Umgangssprachlich kennt man dies unter dem Begriff ‚Kupferbrille‘“, so Dr. Mößeler. „Ein Mangel an essenziellen Fettsäuren führt dazu, dass das Fell weniger glänzt und sogar ‚stumpf ‘ erscheinen kann.“ Durch eine ausgewogene Ergänzung des Grundfutters kann Versorgungslücken bei gesunden Pferden leicht vorgebeugt werden. Um viele Nährstoffbedürfnisse zu erfüllen, können zusätzlich Leinsamen gefüttert werden. „Leinsamen unterstützen nicht nur die Verdauung, sondern enthalten auch viel wertvolles Eiweiß und essenzielle Fettsäuren. Schon 20 Milliliter pures Leinöl pro Pferd und Tag reichen für einen schönen Glanz im Fell“, empfiehlt Frau Dr. Mößeler.

Tagein, tagaus

Täglich verlieren Pferde Proteine und weitere Nährstoffe über ihre Haare und Schuppen. „Dieser Prozess ist physiologisch, also auch beim gesunden Pferd zu beobachten“, so unsere Expertin. Mit Ergänzungsfuttermitteln können besonders prägnante Effekte erzielt werden. Natürlich immer nur dann, wenn durch den Einsatz eine zuvor bestehende Unterversorgung mit Nährstoffen ausgeglichen wird. „Schlussendlich ist aber stets eine Bewertung der Gesamtration anzuraten, bevor Empfehlungen für Ergänzungsfuttermittel gegeben werden können“, sagt Dr. Anne Mößeler.