Text: Aline Müller          Foto: Stefan Lafrentz

Dass manche Impfthesen Schaden anrichten können, hat die Corona-Pandemie gezeigt. Auch in Bezug auf die Herpes- Impfung bei Pferden gibt es gegensätzliche Meinungen. Das kann schwere Folgen haben. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung bezieht Stellung und hat eine Impfpflicht für Turnierpferde beschlossen

Im Februar diesen Jahres kommt es zu einem Ausbruch des Equinen Herpesvirus (EHV) des Typ 1 bei einem Reitturnier in Valencia. 18 Pferde sterben, darunter auch fünf aus Deutschland. Dabei handelt es sich um die seltene neurologische Form des Virus. Die Bilder aus der Hafenstadt an der Südostküste Spaniens sorgen für Entsetzen, da sich das Virus schnell ausbreitet. Sven Schlüsselburg, der Nationenpreis-Reiter, bringt das Virus mit nach Hause auf seine Anlage bei Heilbronn. Daraufhin versterben mehrere seiner Pferde. Auch andere Profisportler zeigen sich besorgt. So forderte beispielsweise Dressurreiterin und Mannschafts-Olympiasiegerin Dorothee Schneider bereits Ende März eine Impfpflicht: „Natürlich hat so eine Impfung auch Nebenwirkungen, aber grundsätzlich können wir das Virus damit eindämmen und unsere Pferde zum großen Teil schützen.“ Nun hat die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) eine Herpes-Impfpflicht beschlossen. Somit müssen alle Turnierpferde in Deutschland ab Januar 2023 gegen das Equine Herpesvirus 1 (EHV-1) geimpft sein. Das Jahr 2022 dient als Übergangsjahr, damit ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht und genug Vorlaufzeit besteht, um Pferde impfen zu lassen.

Kein Einzelfall

Solche oder ähnliche Ausbrüche sind kein Einzelfall. Vom Herpesvirus geht eine Gefahr aus, die nicht unterschätzt werden darf. Eine neue Debatte zur Herpes-Vorbeugung und -Impfung ist nötig. Denn nicht nur Pferdebesitzer, sondern auch Veterinärmediziner sind auf den neuesten Stand der Wissenschaft angewiesen, um bestmöglich im Sinne der Gesundheit aller Pferde agieren zu können. Bei so manchen Pferdebesitzern sorgt die Debatte jedoch für Verwirrung und Ratlosigkeit. Während Experten durchaus kontroverse Standpunkte vertreten und auf unterschiedliche wissenschaftliche Belege verweisen, sind die Fakten für Nicht-Mediziner unter Umständen schwer zu prüfen. Es werden Studien erwähnt, interpretiert und mögliche Zusammenhänge präsentiert. Wer sich im Internet informiert, stößt ebenfalls auf verschiedene Meinungen. Ohne das nötige Hintergrundwissen klingen die Argumente teilweise sogar nachvollziehbar, und zurück bleibt die Unsicherheit: Soll ich mein Pferd nun gegen Herpes impfen lassen oder nicht?

Risikofaktor Stress

Das Equine Herpesvirus ist eine ansteckende Erkrankung und in der gesamten Pferdepopulation weit verbreitet. Nach einer Infektion verweilt der Erreger im Organismus. Indem sich das Virus in Nervenzellen oder Lymphgewebe zurückzieht, entzieht es sich dem Immunsystem des Pferdes. „Ist ein Pferd erst einmal infiziert, bleibt es lebenslang ein latenter EHV-Träger“, sagt die Tierärztin Valerie Rother. In mehr als 80 Prozent der gesamten Pferdepopulation schlummert das Virus. Eine vollständige Elimination ist nicht möglich. „Unter ungünstigen Umständen kann es zu einer Reaktivierung des Virus im Pferdekörper kommen“, erklärt die Expertin. „Das führt zu einer massiven Ausscheidung des Erregers, was wiederum eine Infektionsquelle für andere Pferde darstellt.“ Eine bedeutende Rolle spielt dabei Stress: Stallwechsel, Trainingsstress, Transporte, Turniere, aber auch Veränderungen in der Herde, das Absetzen eines Fohlens von der Mutterstute, Erkrankungen, Klinikaufenthalte oder eine Futter- beziehungsweise Wetterumstellung kann Herpes aktivieren. Stress reduziert die körpereigenen Abwehrkräfte und schwächt das Immunsystem, wodurch eine Infektion leichter ausbrechen kann. Dann kommt es zu einer Virusfreisetzung, die allerdings nicht mit klinischen Symptomen einhergehen muss.

Weitere Informationen zum Thema „Impfpflicht Herpes“ finden Sie in der neuen Mein Pferd- Ausgabe.