Text: Inga Dora Meyer     Foto: Mark J. Barrett/stock.adobe.com

Ohne Huf kein Pferd. Wer kennt diesen Spruch nicht? Und doch wird den Hufen nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt, wie sie es verdient hätten. Dabei tragen sie das gesamte Gewicht des Pferdekörpers und stellen die Basis für alle Bewegungsabläufe dar. „Die Vorderhufe sind dabei von Natur aus rund, weil sie eine vermehrte Stützfunktion haben. Auf den Vordergliedmaßen lasten etwa 65 Prozent des Pferdes, weil – salopp gesagt – der Kopf mit dranhängt. Die Hinterhufe sind oval, weil sie für die Geschwindigkeit, also zum Gasgeben, da sind. Sie tragen die restlichen 45 Prozent“, erklärt Jochen Lill, Hufschmied, Physiotherapeut und Osteopath aus Antdorf (Bayern).

Vorsicht, Fehlbelastungen!

Liegt eine mangelhafte Stellung vor (z.B. zu lange Trachten, flacher oder steiler Huf), ist das Gewicht nicht mehr optimal auf die vier Hufe verteilt, die Balance wird beeinträchtigt, und es kommt zu Fehlbelastungen. Diese bringen wiederum eine Vielzahl an Störungen im Bewegungsapparat mit sich. Dazu zählen u.a. stolpern, verkürzte Tritte, nicht unter den Schwerpunkt treten, Schwierigkeiten in Wendungen und Gangartenprobleme. Insbesondere zwischen Hufform und Rücken besteht ein enger Zusammenhang. „Wenn die Hufstellung ungünstig ist, wird der Muskeltonus mit der Zeit immer fester. Rückenprobleme treten auf. Dann stimmt im System Pferd etwas nicht, und der Reiter sollte hellhörig werden“, warnt Lill. Welche Probleme das Pferd beim Reiten hat, erkennt Lill bereits, bevor er den Vierbeiner in der Bewegung sieht. „Fehlstellungen geben immer eine bestimmte Biomechanik vor. Das ist kein Voodoo-Zauber. Man muss nur genau hinschauen“, so der Hufschmied (siehe Kästen rechts). Sehr häufig stehen Pferde zu flach oder setzen nicht plan auf, sondern kommen zuerst mit der Außenkante des Hufes auf, so dass sie anfangen, in den Gelenken zu rotieren. Das Problem? Die Kraft sollte immer senkrecht durch die Gelenke durchgehen. Genau dafür sind sie gebaut. Denn eine senkrecht stehende Stütze kann mehr Last aufnehmen als eine schräg stehende. „Kommt es aber durch eine ungünstige Hufstellung zu einer Diskrepanz, bedeutet dies, dass die Gelenke falsch belastetet werden“, erläutert der Osteopath. Gelenkentzündungen und -abnutzungen sind die Folge. Das ist in etwa vergleichbar mit einem Auto, bei dem die Spur verzogen ist. „Da macht man erst einmal neue Reifen drauf, aber irgendwann sind Spur- und Lenkgestänge kaputt, weil alles ausgeschlagen ist. Beim Auto kann ich mir neue Teile einbauen lassen. Wenn die Pferdegelenke durch eine fehlerhafte Hufstellung im Eimer sind, gibt es keine Behandlungsmöglichkeiten mehr“, warnt Lill.

Auswirkung in zwei Richtungen

Zwischen Hufform und Bewegungsablauf besteht also eine Wechselwirkung. Diese funktioniert übrigens auch in die andere Richtung. Bewegungsstörungen können die Hufform ebenso beeinflussen, denn Pferde neigen schnell zu einer fehlerhaften und einseitigen Belastung. „Ein Pferd, das z.B. seine rechte Hintergliedmaße entlastet, belastet automatisch seinen vorderen linken Huf mehr. Dadurch wird der Huf immer flacher“, erklärt Lill. Ferner erzeugt jede Art von Rückenproblem ein abweichendes Bewegungsmuster, welches das Auffußen verändert. Verformungen geschehen leider relativ schnell. Der Hufschmied spricht von einem Viertel- bis halben Jahr. Um die Hufstellung wieder zu korrigieren, braucht man hingegen etwa ein Jahr. Zusätzlich muss physiotherapeutisch und/oder osteopathisch eingegriffen werden, um die Schäden in der Muskulatur zu beheben. „Besser ist es also zu reagieren, bevor es zu einer inkorrekten Stellung oder Störungen im Bewegungsablauf kommt“, meint Lill. Sein Rat: Unterschätzen Sie nicht die Wichtigkeit der Hufform. „Wenn Ihr Hufschmied es schafft , Ihr Pferd zu 80 bis 90 Prozent richtig hinzustellen, haben Sie schon sehr viel für die Gesundheit Ihres Vierbeiners getan. Das ist qualitativ hohe Handwerkskunst, die man nicht für unter 100 Euro bekommt. Wer da knausert, spart am falschen Eck‘“, so Lill.

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