Text: Andreas Ackenheil, Rechtsanwalt           Foto: www.Slawik.com

Bei Pferdehaltern ist der Equine Herpesvirus sehr gefürchtet. Denn bei Pferden kann der Herpesvirus zu schweren Krankheitsverläufen und sogar zum Tod des Pferdes führen


Obwohl aufgrund der weltweiten Corona-Krise zurzeit ohnehin nur sehr wenige Reitturniere im nationalen und internationalen Bereich stattfinden dürfen, macht nun neben Corona eine besonders ansteckende Form des Equine Herpesvirus (EHV-I) den Turnierreitern das Leben schwer. Beim internationalen Turnier CES in Valencia, brach Ende Februar eine hoch ansteckende und aggressive Form des EHV-I aus, welche bereits den Tod mehrerer Pferde vor Ort forderte. Zahlreiche Pferde in Valencia schweben in Lebensgefahr und kämpfen ums Überleben. Aus diesem Grund gab die FEI und FN am 2.3.2021 bekannt, dass bis 28.3. alle nationalen und internationalen Turniere abgesagt werden, um eine Pandemie zu verhindern.

Was ist das Equine Herpesvirus?


Wenn ein Pferd an Herpes erkrankt, ist dies auf eine Infektion mit den Equinen Herpesviren (EHV) zurückzuführen. Ähnlich wie beim Menschen können auch viele Pferde das Virus symptomfrei in sich tragen, und es kommt nicht zu einem Ausbruch der Krankheit oder nur zu einem sehr milden Krankheitsverlauf. Man geht davon aus, dass etwa 90 Prozent aller Pferde Virusträger sind.
Dennoch ist Herpes beim Pferd keine meldepflichtige Seuche. Eine Meldung beim Seuchenschutz muss somit nicht erfolgen.
Bekannt sind insgesamt fünf verschiedene Herpesviren, die alle auch verschiedene Symptome hervorrufen können und unterschiedlich schwere Krankheitsverläufe auslösen. 
Neben leichtem Fieber kann das Herpesvirus auch zum Tod des Pferdes führen, wenn das Nervensystem und die Organe des Pferdes derart geschwächt werden. Insbesondere die Virustypen EHV-1 und 4 gelten als besonders gefährlich.

Was sind typische Symptome einer Herpesinfektion?


Bei der Virusvariante EHV-1 kann das kranke Pferd Fehlgeburten, sogenannte Aborte, im letzten Drittel der Trächtigkeit erleiden. Zudem leiden die betroffenen Pferde oft an Atemwegsproblemen, hohem Fieber, wässrigem Ausfluss aus Nase und Augen, Appetitlosigkeit, lethargischem Verhalten und an geschwollenen Lymphknoten. Nicht selten befällt das Virus auch das Nervensystem. Eine Erkrankung des Nervensystems nennt man auch Enzephalomyelitis. Dabei kann es zu einer Schädigung des Rückenmarks kommen, zu Bewegungs- und Koordinationsstörungen, Lähmungen und Fieberphasen.
In schlimmen Fällen einer Enzephalomyelitis kann das auch den Tod für das Pferd bedeuten. Beim Virustyp EHV-4 kommt es, wie beim Typ EHV-1, zu Atemwegsproblemen. Insgesamt ähnelt der Verlauf dem des ersten Typus, verläuft aber in der Regel wesentlich milder. Der Herpesvirus EHV-5 äußert sich hauptsächlich in Form einer Hornhautentzündung und/oder Bindehautentzündungen. Zudem wird davon ausgegangen, dass dieser Herpestyp zur sogenannten Equine mulitnodular pulmonary fibrosis (EMPF) führen kann. Dabei kommt es zu einer Vermehrung des Bindegewebes in der Lunge, was zu Atemproblemen, Husten und Fieber des Pferdes führt.

Wie kommt es zu einer Ansteckung mit dem Equinen Herpesvirus?


Die Infektion mit dem EHV erfolgt durch direkten Kontakt der Pferde untereinander. In der Regel stecken sich die Pferde durch Tröpfchen an. Das kann durch Abschnauben, Husten oder durch die Kleidung und Zubehör erfolgen. So kann der Mensch auch mittelbar das Virus übertragen, wenn er ein infiziertes Pferd versorgt und mit der gleichen Kleidung und ohne Händewaschen ein gesundes Pferd versorgt. In Valencia sind die Pferde in großen Stallzelten untergebracht. Zudem besteht trotz Corona, ein mitunter reger Publikumsverkehr in den Stalltrakten. Durch Tröpfchen innerhalb des Zeltes und durch den Menschen kann das Virus von kranken Pferden auf gesunde Pferde übergehen. Auch auf den Abreiteplätzen können sich die Pferde durch Abschnauben über die Aerosole infizieren.
Auf den Menschen ist das Equine Herpesvirus nicht übertragbar. Auch Hunde können sich nicht mit dem Virus anstecken. Andere Tiere, wie Esel, Maultiere oder Maulesel, können jedoch angesteckt und infiziert werden. Bei tragenden Stuten befindet sich das Herpesvirus im Fruchtwasser und auch in der Nachgeburt. Das ungeborene Fohlen kann sich durch seine Mutter über die Blutbahnen infizieren. Sofern andere Pferde mit der Nachgeburt oder mit dem Fruchtwasser in Berührung kommen, können sie sich ebenfalls anstecken. Eine Herpesinfektion ist unabhängig von Alter und Rasse des Pferdes immer möglich. Häufig betroffen sind allerdings Fohlen und jüngere Pferde oder Pferde mit einem geschwächten Immunsystem. Durch die verschiedenen Symptome ist es nicht ohne Weiteres mit bloßem Auge zu erkennen, dass es sich um einen Pferdeherpes handelt. Daher kann es passieren, dass ein Ausbruch auch unerkannt abläuft. Bei einem Infektionsverdacht kann ein Nachweis der Infektion mit Hilfe einer Analyse der Virus-DNA in der Blutprobe oder in einer Sekretprobe erfolgen. Zudem kann eine Antikörpertiterbestimmung in einem Abstand von zwei Wochen Aufschluss geben. Sobald der Titer innerhalb der Untersuchungen um mehr als ein Vierfaches ansteigt, kann man mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einer Herpesinfektion ausgehen.

Wie sollte man bei einem Krankheitsausbruch reagieren?


Bei einem Ausbruch der Herpeserkrankung ist das Isolieren und Separieren der kranken von den gesunden Pferden unerlässlich. Zudem ist ein umfassendes und strenges Hygiene- und Sicherheitskonzept des Betriebes bedeutend, um die Zahl der Infektionen möglichst gering zu halten. Dazu gehört regelmäßiges Desinfizieren der Stallungen, des Zubehörs und der Kleidung der Mitarbeiter. Zudem sollte kein Pferd den Stall verlassen. Externes Training und auch der Publikumsverkehr sollten eingestellt werden.
Bis zu vier Wochen nach Auftreten des letzten Krankheitsfalles im Stall ist es unabdingbar, die Quarantäne aufrechtzuerhalten, damit es zu keinem weiteren Ausbruch kommt. 
Wenn es zu einem Ausbruch des Equinen Herpes kommt, können nur die Symptome des betroffenen Pferdes gemildert werden, denn gegen das Bestehen des Virus selbst gibt es keine Medikamente.
Verabreicht werden dann beispielsweise Entzündungshemmer, Vitamine, Antibiotika, Kochsalzlösungen für den Kreislauf oder das Immunsystem unterstützende Mittel.
In Valencia wurden neue Stallzelte errichtet, um die gesunden Pferde möglichst weit weg von den infizierten Pferden unterzubringen. Zudem erhielten sie Mattenlieferungen, damit die kranken Pferde gut gepolstert in ihren Boxen stehen. Aufgrund möglicher Kreislaufzusammenbrüche kann es passieren, dass die Pferde umfallen und sich dadurch verletzen.

Wie kann man einer Herpesinfektion vorbeugen?


Eine wichtige Maßnahme im Kampf gegen das Herpesvirus ist die Herpesimpfung. Diese sollte frühestens im Alter zwischen vier und sechs Monaten bei Fohlen verabreicht werden. Es gibt dabei Stoffe, die nur gegen einzelne Herpestypen wirken, aber auch solche, die als Kombinationsmittel gegen alle Herpestypen helfen. Anfangs werden die Pferde grundimmunisiert. Nach vier bis acht Wochen erfolgt die zweite Impfung. Halbjährlich sollte die Impfung anschließend aufgefrischt werden. Bei trächtigen Stuten ist es ratsam, diese im fünften, im siebten und im neunten Monat zu impfen.
Zwar kann durch solch eine Impfung kein unabdingbarer Schutz gegen die Herpesviren garantiert werden, jedoch soll durch sie die Ausscheidung der Erreger reduziert werden und damit auch die Möglichkeit einer Infektion anderer Pferde minimiert werden.
Ein starkes Immunsystem kann zusätzlich helfen, die Pferde vor dem Ausbruch einer Infektion zu schützen. Homöopathische Mittel und dopingfreie Kräuter können das Stresslevel von Pferden senken und das Immunsystem dauerhaft stärken. Zudem sollte man Stress vorbeugen. Stresssituationen wie lange Transporte oder Aufenthalte in fremder Umgebung sowie seelischer Kummer begünstigen den Ausbruch des Herpesvirus. 
Bestimmte Zusatzfutter können helfen, das Stresslevel der Pferde zu senken. Gerade die Situation in Valencia zeigt, dass Pferde unter Stress anfälliger für das Herpesvirus sind. Lange Aufenthalte in fremder Umgebung, Turniertrubel und fremde Pferde können bei manchen Pferden das Immunsystem schwächen.

Kann der Stallbetreiber eine Impfpflicht gegen das Herpesvirus für seine Einsteller anordnen?


Für das Herpesvirus besteht für Pferde keine generelle Impfpflicht. Aus diesem Grund lässt nicht jeder Pferdehalter sein Pferd impfen. Zudem klagen viele Pferdehalter über starke Impfreaktionen ihrer Pferde.
In einigen Pensionsställen fordern die Stallbetreiber daher einen Impfschutz der eingestallten Pferde gegen das Equine Herpesvirus. Doch dürfen die Stallbetreiber eine Impfpflicht für ihre Einsteller aussprechen, wenn von Seiten der FN keine generelle Impfpflicht besteht? Eine EHV-Impfung ist nur sinnvoll, wenn sie im gesamten Betrieb vorgenommen wird (sogenannte Herdenimmunisierung). Dabei soll der Infektionsdruck so niedrig wie möglich gehalten werden. Geimpfte Pferde scheiden im Gegensatz zu ungeimpften Pferden nur etwa zehn Prozent des Virus aus. 
Der Stallbetreiber hat eine sogenannte Obhutspflicht gegenüber den bei ihm eingestallten Pferden. Dabei verpflichtet er sich, Schäden und Gefahren von den Einstellerpferden abzuwenden. Dazu zählt auch der Schutz vor Gefahren wie beispielsweise Krankheiten. Um ihre Pensionspferde bestmöglich vor Krankheiten und Seuchen schützen zu können, verlangen einige Stallbetreiber, dass alle Pferde im Betrieb neben den Pflichtimpfungen, auch über einen Herpesimpfschutz verfügen müssen. Kommt es in einem Reitstall zum Ausbruch einer Herpesinfektion und kann dem Stallmanagement ein Fehler bei der Betreuung und Bekämpfung des Virus nachgewiesen werden, macht sich der Stallbetreiber unter Umständen schadensersatzpflichtig. Zudem bedeutet ein Ausbruch einer schweren Krankheit immer auch ein hohes wirtschaftliches Risiko für den Stallbetreiber. Neben dem Verlust von Tieren können auch Behandlungskosten und Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen finanziell sehr belastend sein. 
Ein verantwortungsbewusster Stallbetreiber tut folglich gut daran, wenn er mit einer Impfverpflichtung das Risiko für potenzielle Schäden in seinem Betrieb gering hält. In einem Stall, in dem eine sogenannte Herdenimmunität herrscht, wird der Ausbruch einer solchen Krankheitswelle sehr unwahrscheinlich sein. Da manche Pferde allerdings auf die Herpes-Impfung mit starken Nebenwirkungen reagieren, können sie mit einem Attest von der Impfpflicht in dem jeweiligen Stall befreit werden.

Warum besteht keine Impf- 
und Meldepflicht für Herpes?


Bei dem Equinen Herpesvirus handelt es sich um eine Zoonose. Folglich geht das EHV nicht auf den Menschen über. Auch die wirtschaftlichen Folgen für die Betriebe sind im Vergleich zu anderen Tierseuchen wie der Vogelgrippe eher gering.
Eine Impfpflicht konnte bisher ebenfalls nicht realisiert werden, da sie im Gegensatz zur Influenza-Impfung keinen so gut wie sicheren Schutz bieten kann. Bei Herpes gibt es zurzeit keinen Impfstoff, der den Ausbruch der Krankheit vollständig verhindern kann. Zudem bereitet die Verfügbarkeit des Impfstoffes in Deutschland seit Jahren Schwierigkeiten.

Tipp vom Pferderecht-Anwalt Ackenheil


Als Stallbetreiber sollte man immer ein besonderes Augenmerk auf den gesundheitlichen Zustand des neu einzustellenden Pferdes legen. In vielen Einstellerverträgen befinden sich oftmals sogenannte Haftungsbeschränkungen, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen sind. In ihnen versucht der Stallbetreiber seine Haftung nur auf Vorsatz und grob fahrlässiges Verhalten zu beschränken. Achtung: Derartige Klauseln sind oftmals unwirksam! Sie benachteiligen den Einsteller und richten sich gegen die Natur des Vertrages, weil sie den Vertragszweck gefährden. Welche Schadensersatzansprüche Sie als Einsteller gegen Ihren Stallbetreiber aufgrund einer Erkrankung Ihres Pferdes besitzen oder wie Sie sich als Pferdestallbetreiber gegen ungerechtfertigte Forderungen zur Wehr setzen können, kann Ihnen am besten ein auf Pferderecht spezialisierter und erfahrener Anwalt näher erläutern.

Ihr Spezialist für Pferderecht

Rechtsanwalt Andreas Ackenheil

Unser Experte: Andreas Ackenheil veröffentlicht als Spezialist für Pferde- recht regelmäßig in zahlreichen Fachzeitschriften und Onlineportalen juristische Fachbeiträge sowie Kommentare zu neuen Rechtsentscheidungen und hält Vorträge und Seminare. Zudem veröffentlichte der Rechtsanwalt einen großen Ratgeber für Tierrecht mit einem umfangreichen Kapitel über Pferderecht.

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