Text: Inga Dora Schwarzer     Foto: Adobe Stock/ Talitha

Ein Reiz von außen – und schon ist die Konzentration dahin. Dabei stellt sie doch die Basis für eine erfolgreiche Kommunikation zwischen Mensch und Pferd dar. Wie Sie die Aufmerksamkeit im Training auf sich richten und warum eine permanente Wachsamkeit in der Natur des Pferdes liegt, erklärt Pferdeverhaltensexpertin Marie Heger

Ist Ihr Pferd sehr unkonzentriert, sollten Sie anfangs an ein- und demselben Ort trainieren und ganz gezielt einen Reiz nach dem nächsten ins Training miteinbeziehen. „Wie auch bei uns Menschen kann sich der Vierbeiner in einer ruhigen Arbeitsatmosphäre besser konzentrieren und lernen. Ich arbeite gerne im Roundpen oder einem Picadero, um mir und dem Pferd einen Konzentrationsbereich zu schaffen. Hier lässt sich zwar auch nicht der Schrecken vermeiden, aber die Reaktion beeinflussen. Beginnt Ihr Pferd nervös zu werden, erklären Sie ihm, wie es den Fokus auf Sie richten und sich Ihnen zuwenden soll (Übungen hierzu siehe Kasten Seite 17)“, sagt Heger.

Dafür braucht es vor allem eins: Souveränität und eine gewisse Selbstverständlichkeit im Umgang mit Schreck- oder Ablenkungssituationen. „Ist sich der Reiter sicher, wie er reagieren wird, bleibt er ruhig und bedacht in seinem Verhalten. Er vermittelt seinem Pferd, dass er alles unter Kontrolle hat und es sich bei ihm außerhalb seiner Herde sicher fühlen kann. Stimmt die Kommunikation zwischen Mensch und Pferd und ist auch der Reiter konzentriert bei der Sache, lässt es sich weniger von äußeren Reizen irritieren und schätzt diese als weniger gefährlich ein. Ist dies nicht gegeben, wird es unsicher werden und seine Aufmerksamkeit in die Ferne lenken, um selbst nach möglichen Gefahren Ausschau zu halten.“
Erste Alarmzeichen sind folgende: Das Pferd atmet flach oder hält immer wieder die Luft an, um einen Laut mit den Ohren besser wahrnehmen zu können, und es zeigt einen stark erhöhten Muskeltonus, ohne dass der Reiter diesen selbst (z.B. durch eine Lektion) hervorgerufen hat. Auch das Verdrehen der Augen ist ein typisches Merkmal, zählt die Expertin auf. „Der Blick des Pferdes sollte genauso wie sein Körper auf die Lektion, den Sprung, die Hufschlaglinie oder das Hindernis gerichtet sein. Das Pferd kann nur in die Richtung denken, in die es auch sieht“, erläutert sie weiter.
Zu beachten ist außerdem das Ohrenspiel. Die Ohren sollten sich locker bewegen und immer mal wieder nach hinten zum Reiter gerichtet sein. „Sind die Ohren nur nach vorne gespitzt, könnte dies ein Hinweis dafür sein, dass es etwas anderes als den Reiter fokussiert. Wenn es jedoch um ein Hindernis geht, sollte sich das Pferd natürlich dem Hindernis widmen, dabei aber weiterhin an den Hilfen sein und diese durchlässig annehmen“, so Heger.

Langeweile im Training


Daneben gibt es Situationen, die sich anfühlen, als würde das Pferd bewusst versuchen, sich abzulenken und gezielt nach Schreckreizen suchen. „Dieser Fall entsteht häufig dann, wenn es mit den gegebenen Hilfen überfordert ist, kein harmonischer Dialog stattfindet oder zu wenig Unterstützung vom Reiter ausgeht“, sagt die Expertin. Letzteres trifft vor allem auf Pferde zu, bei denen das Neugierdeverhalten stark ausgeprägt ist. „Je pfiffiger das Pony oder Pferd, desto anspruchsvoller ist es für den Reiter, passende Aufgaben zu finden und sein eigenes Timing zu perfektionieren. Ansonsten suchen sie sich schnell etwas Interessanteres als den Menschen“, so die Expertin augenzwinkernd. Ähnliches trifft auf hoch im Blut stehende Pferde zu, die ebenfalls mehr Abwechslung im Training benötigen, um ihre Neugierde und ihren Bewegungsdrang ausleben zu können.
Außerdem besitzt jedes Pferd eine ganz individuelle Aufmerksamkeitsspanne. „Die Konzentration ist abhängig von Alter, Trainingszustand und Lebensumständen. Sie lässt sich wie eine Art Muskel gezielt trainieren. Ist er gut ausgebildet, hält er länger durch“, weiß die Ausbilderin. Mehrere Studien hätten gezeigt, dass die Konzentrationsfähigkeit und die Konzentrationsdauer durch regelmäßiges Training potenziell erhöht werden kann.

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