Jedes vierte Pferd in Deutschland leidet mittlerweile an Husten, Tendenz steigend. Zehn Prozent davon haben sogar chronischen Husten. Damit es erst gar nicht so weit kommt, müssen die Anzeichen rechtzeitig erkannt werden
Text: Jessica Classen; Fotos: Christiane Slawik

Für Jule ist es ganz natürlich, dass sie mit einem kleinen Husten am Stall begrüßt wird. „Meine Stute Sunny leidet schon seit Längerem an Husten“, erzählt sie. „Sie hat eine Stauballergie, weshalb wir das Heu auch immer nass machen, damit der Schmutz herauskommt und sie keinen Staub einatmet.“ Seitdem sei es schon bedeutend besser geworden für Sunny, im Stall zu stehen. Zusätzlich wurde die Stute auf Späne umgestellt, die extra staubarm sind. „Das ist zwar teurer, aber wenn sie sich wohlfühlt, bin ich zufrieden“, so Jule. Angefangen habe alles vor rund drei Jahren im Winter, wie sie uns erzählt. „Damals dachte ich noch, sie hätte sich sicher ein wenig verkühlt und habe sie eingedeckt. Dann hörte es sogar zeitweilig auf. Am Stall bin ich anschließend immer wieder von einer Frau angesprochen worden, die mir sagen wollte, mein Pferd hätte chronischen Husten. Für mich bedeutete ‚chronisch‘ allerdings, dass es immer hustet. Und das tat sie nicht, wenn ich abends am Stall war.“ Da die Frau sowieso dazu neige, vorschnelle Schlüsse zu ziehen und Panik zu verbreiten, habe Jule nicht weiter auf das Gerede gehört. Ein Fehler, wie sich ein halbes Jahr später herausstellte: „Sunny hörte beim Reiten gar nicht mehr auf zu husten. Und wieder dachte ich, dass es die äußeren Umstände sind, denn in diesem Sommer war es sehr heiß und schwül, und die Beregnung des Platzes hielt nie lange an.“ Aber im Herbst hustete Sunny immer noch. Also holte Jule den Tierarzt – leider viel zu spät, wie sich dann herausstellen sollte.

Husten hat viele Ursachen

Chronischer Husten – so lautete die Diagnose nach der Untersuchung. Genauer gesagt COPD. Dieses Kürzel steht für „Chronic Obstructive Pulmonary Disease“, also die chronisch obstruktive Lungen-krankheit. Der Begriff wird aus der Humanmedizin aufgrund vieler Gemeinsamkeiten auch bei Pferden genutzt. Bei COPD kommt es zu einer hohen Belastung der Atemwege durch Schadstoffe und Feinstäube. Meist liegt die Erkrankungsursache in der mit Heustaub und Schimmelsporen belasteten Umgebung im Stall, weshalb viele Pferdebesitzer ebenso wie Jule das Heu vor der Fütterung anfeuch­ten und so den gröbsten Schmutz herauswaschen. Haben Sie den Verdacht, dass Ihr Pferd Husten hat, bringen Sie es zunächst zu einem möglichst staubfreien Ort. Halten Sie es außerdem möglichst fern von anderen Pferden, denn sollte es eine Atemwegserkrankung sein, kann diese im Falle von Influenza oder Druse höchst ansteckend sein. Es ist zudem auch wichtig, dass Ihr Pferd ständigen Zugang zu frischem und sauberem Wasser hat, um eine Austrocknung zu verhindern, und geben Sie ihm kein Futter ohne Absprache mit einem Tierarzt.

Was tun bei ersten Anzeichen?

Sollten Sie Anzeichen einer Atemwegserkrankung feststellen, rufen Sie sofort den Tierarzt und berichten ihm genau, was Sie beobachtet haben. Im Falle einer Allergie können Sie Ihrem Pferd nur durch eine Optimierung der Fütterung und Haltung helfen. Vorkehrungen treffen Sie beispielsweise, indem Sie auf Stroh verzichten und als Einstreu staubfreie Sägespäne nutzen. Streuen Sie dabei aber nicht zu hoch ein und halten Sie die Box immer sauber. Holen Sie beim Misten das Pferd aus der Box heraus. Bestenfalls warten Sie sogar eine gute Stunde, bis es nach dem Misten wieder in die Box hineinkommt. Das Heu sollte vor dem Verfüttern getränkt werden. Putzen Sie Ihr Pferd immer draußen und nie in der Box. Achten Sie generell immer darauf, dass Ihr Pferd viel frische Luft und viel Bewegung bekommt. Die Ursachen von Husten treten meist gemeinsam auf und bedingen sich sogar gegenseitig. So können auf Haltungsmängel Virusinfektionen folgen, darauf eine Allergisierung gegen Staub und darauf chronischer Husten.

Das Schutzsystem

Weil über die Atemluft viele unerwünschte Fremdstoffe in die Luftwege des Pferdes geraten, hat die Natur ein Schutz- und Reinigungssystem entwickelt: Der Hustenreflex entfernt nämlich größere Fremdkörper und auch Schleim aus der Luftröhre. Ist dieser allerdings lang anhaltend wie bei Stute Sunny, muss ein Tierarzt hinzugezogen werden, der die Lunge genauer untersucht. Die kleinsten Störungen des Schutzsystems können bereits zu schweren Lungenschäden führen, die dann chronisch werden. Neben der Schutzwirkung reinigt die Lunge sich auch: Die kleinen Bronchien und Bronchiolen sind mit Flimmerhärchen besetzt. Diese sind dazu da, Viren, Bakterien und Staub mit einer Staubschicht zum Rachen zu transportieren – ähnlich wie auf einem Fließband. Auch die Lungenbläschen werden von der Natur durch einen Sekretfilm geschützt. Zusätzlich gibt es besondere Fresszellen des Immunsystems, auch Makrophagen genannt, die die Fremdkörper aufnehmen und verdauen. Husten ist ein Symptom, das zunächst fast immer durch eine Erkrankung der Atmungsorgane hervorgerufen wird, gelegentlich kann auch eine Herzkrankheit die Ursache sein. Oder aber die Bauchorgane sind betroffen. Das sind allerdings die eher selteneren Fälle.
Kann Husten harmlos sein? Es gibt Pferde, die zu Beginn des Trainings husten, anschließend kräftig abschnauben und das wars dann. „Das hat Sunny auch immer gemacht, und ich war davon ausgegangen, dass es ganz normal sei“, so Jule. „Aber der Tierarzt hat mir erklärt, dass dies bereits ein Zeichen für eine beginnende oder bereits chronische Lungenerkrankung sei, vor allem, wenn Pferde das öfter machen – was ja bei Sunny der Fall war.“ Hätte Jule hier bereits den Tierarzt geholt, hätte man die Ursachen für den Husten frühzeitig erken­nen und auch dagegen vorgehen können. Nun kann sie der Stute aber nur noch helfen, indem sie die Symptome für die Stute lindert. „Sie bekommt von mir zusätzlich zum normalen Futter abwechselnd Mash, Cobs und Kräutermüsli“, erklärt Jule. „Zum einen ist sie sehr verwöhnt, was das Futter angeht, und zum anderen ist jedes Futter extra für Pferde mit Atemwegsbeschwerden. Außerdem hat sie an­fangs vom Tierarzt verschiedene Pulver und Sirup bekommen, dass der Schleim sich löst und sie wieder freier atmen kann. Dadurch hustet sie zwar immer noch, aber nicht mehr so häufig wie zu Beginn.“
Husten ist nie harmlos. Aber sofort den Tierarzt verständigen müssen Sie auch nicht, sollte Ihr Pferd mal husten. Beobachten Sie es, und halten Sie fest, wann und wie oft Ihr Pferd hustet. Anschließend können Sie beim Tierarzt anrufen, ob er kommen muss oder nicht. Und im Zweifelsfall sollte er besser einmal zu viel als zu wenig nach Ihrem Pferd schauen, damit ein chronischer Husten vermieden werden kann.