Interview: Nicole Audrit        Foto: www.Slawik.com

Früher ein Gewährsmangel, der zur Rückabwicklung des Pferdekaufs berechtigte, heute aufgrund fortschreitender Möglichkeiten in der Veterinärmedizin vermeidbar – die Rede ist von der Dämpfigkeit. Sie ist die Bezeichnung für das Endstadium der chronisch-obstruktiven Bronchitis. Was es mit dieser Erkrankung auf sich hat, klärt Dr. Inka Kreling-Boysen (www.tierarzt-inka-kreling.de).

Was ist unter Dämpfigkeit zu verstehen?

Als Dämpfigkeit wird das Endstadium der chronisch-obstruktiven Bronchitis (COB) bezeichnet. Staubpartikel aus Heu, Stroh sowie den Sandböden der Reithalle oder des Reitplatz lösen bei betroffenen Pferden eine Schwellung der Schleimhäute, eine erhöhte Schleimbildung und einen Spasmus der Bronchialmuskulatur aus. Diese drei Parameter sind hauptsächlich für eine Verengung der Luftwege verantwortlich, die wiederum die Symptome der COB mit sich bringt: erhöhte Atemfrequenz, deutlich verstärkte Bauchatmung, Husten und vermehrte Schleimbildung. Physiologisch betrachtet, ist das Pferd ein Rippen-Bauch-Atmer, daher ist die Atmung immer im Bereich der Flanke sichtbar. In dem Moment, in dem das Pferd an COB erkrankt und sich die Luftwege verengen, wird eine größere Anstrengung – insbesondere im Bereich der Bauchmuskulatur – für die Atmung benötigt. Durch diese Anstrengung entsteht die sogenannte Dampfrinne – eine Art Rinne an den Flanken. Die Dämpfigkeit bezeichnet einen irreversiblen Zustand: Bei dem vorhandenen Lungenemphysem sind viele der Lungenbläschen, die für den Gasaustausch verantwortlich sind, zerstört. Schlägt die Kombination aus passender Medikamentation, angepasstem Training und Optimierung der Haltung und Fütterung nicht an, ist die Erkrankung COB so weit fortgeschritten, dass das Lungenemphysem irreversibel und das Pferd somit dämpfig ist.

Welche Diagnostikmethoden und Behandlungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung?

Um eine Atemwegserkrankung – in diesem Fall COB – zu diagnostizieren, gibt es verschiedene, teils zu kombinierende Methoden: Allen voran steht natürlich das klassische Abhören der Lunge sowie eine Blutgasuntersuchung, eine Bronchoskopie, Ultraschall und gegebenenfalls auch Röntgen. Da die Dämpfigkeit ein irreversibler Zustand ist, gibt es keine Behandlungsmöglichkeiten. Allerdings ist es bis zu diesem Stadium ein langer Leidensweg fürs Pferd – mit vielen Behandlungsmöglichkeiten durch den Besitzer. Wenn die Atemwegserkrankung allerdings bereits sehr weit fortgeschritten ist, also bis zum Stadium der Dämpfigkeit, bleibt nur die Euthanasie des Pferdes. Die Lebensqualität eines dämpfigen Pferdes ist stark eingeschränkt, da die Pferde permanent ein Defizit in der Sauerstoffversorgung haben und unter Atemnot leiden – ein nicht tragbarer Zustand. Eine Atemwegserkrankung wie COB wird mit verschiedenen Medikamenten behandelt – insbesondere werden dabei solche mit schleimlösender, entkrampfender und entzündungsmindernder Wirkung eingesetzt. Auch die Inhalation mit einem Ultraschallvernebler ist sowohl in der Behandlung als auch zur Prophylaxe vorgeschädigter Pferde empfehlenswert. Letztlich ist zwar auch eine COB unheilbar, aber behandelbar. Und die schweren Symptome der Dämpfigkeit lassen sich durch die Kombination aus passender medikamentöser Behandlung sowie optimierter Haltung und Fütterung weitgehend vermeiden.

Worauf sollte man im Training sowie bei der Haltung und Fütterung bei Pferden mit Atemwegserkrankungen besonders achten?

Neben der medikamentellen Behandlung steht bei Pferden mit Atemwegserkrankungen die Optimierung der Haltungs- und Fütterungsbedingungen im Fokus. Atemwegserkrankungen sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Umso früher sie erkannt werden, umso besser sind die Chancen auf eine vollständige Heilung– ohne bleibende Schäden oder einen chronischen Verlauf. Eine ausschließliche Behandlung mit Medikamenten bringt meist nur eine kurzzeitige Besserung. Daher muss auch die Haltung und Fütterung optimiert werden. Dies bedeutet, das Pferd sollte in möglichst staubfreier Umgebung gehalten werden, viel frische Luft – ohne Zug – haben und regelmäßig, kontrolliert in allen drei Gangarten – entweder unterm Reiter oder an der Longe –, bewegt werden. Die erhöhte Atemfrequenz im Training regt die Selbstreinigungskräfte der Lunge an. Natürlich muss die Bewegung immer auf den individuellen Gesundheitszustand des Pferdes angepasst werden. Die rechtzeitige und richtige Behandlung einer Atemwegserkrankung ist wichtig – und kann einen irreversiblen Zustand wie bei der Dämpfigkeit verhindern. Viel zu häufig werden erste Anzeichen – u. a. schwacher, weißer Nasenausfluss oder einmaliges Husten zu Beginn der Belastung – nicht ernst genommen. Daher empfehle ich: Lieber das Pferd bei Verdacht auf eine Atemwegserkrankung einmal zu oft dem Tierarzt vorstellen, als einen chronischen Verlauf riskieren.

 

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