Text: Aline Müller            Foto: www.Slawik.com

Die Bakteriengemeinschaft im Darm, das Mikrobiom, ist ein echtes Wunderwerk. Es kann vor Entzündungen und Infektionen schützen, steht in regem Austausch mit dem Gehirn und anderen Organen und hat einen entscheidenden Einfluss auf das Immunsystem. Nicht nur in der Humanmedizin, sondern auch in Bezug auf die Pferdegesundheit führt die Erforschung des Mikrobioms zu neuen Erkenntnissen

Lange lebten Milliarden Mikroorganismen im Darm, ohne das Interesse der Öffentlichkeit zu wecken. Doch seitdem Wissenschaftler der Bedeutung der Darmbewohner für den gesamten Organismus mehr und mehr auf die Spur kommen, wird rege geforscht. Mittlerweile ist klar: Die Darmbakterien sind mehr als ein zusammengewürfelter Haufen Keime, die einfach nur irgendetwas mit der Verdauung zu tun haben. „Vieles spricht sogar dafür, dass unser Darmmikrobiom eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Instanz in unserem Körper ist, die über Gesundheit und Krankheit entscheidet“, schreiben Dr. Nicole Schaenzler und Dr. med. Florian Beigel in ihrem lesenswerten Buch „Superorgan Mikrobiom“. Ein Großteil der Wissenschaftler vertrete deshalb die Ansicht, dass die Gemeinschaft der Darmbakterien ein eigenständiges Organ bilde. Ein Organ, das im permawandelndes Universum im Universum“, so Dr. Nicole Schaenzler und Dr. med. Florian Beigel. Es gebe praktisch keinen Prozess im Organismus, an dem die Winzlinge nicht in irgendeiner Form beteiligt sind. Vieles spreche sogar dafür, dass die mikrobielle Gemeinschaft im Darm nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Gesundheit beeinflusse.

Die Mikrobiom-Forschung steckt noch in den Kinderschuhen, dennoch werden immer wieder große Schritte gemacht. Kaum länger als vor einem Jahrzehnt wurden mithilfe neu entwickelter Analysemethoden erste Details über die Darmbewohner bekannt. Das ebnete fast nebenbei den Weg für eine ganz neue Forschungsrichtung. Für den eher behäbigen Wissenschaftsbetrieb stellt das einen extrem kurzen Zeitraum dar – was erklärt, warum eben noch nicht alles geklärt ist.

Von der Darmflora zum Mikrobiom

Die Besiedlung mit den kleinen Mitbewohnern ist nicht überall im Körper gleich dicht. Der mit Abstand größte Teil der mikrobiellen Mitbewohner sitzt im Darm. Wie auch beim Menschen, beherbergt der Darm des Pferdes eine unendliche Vielzahl an Bakterien: Es leben etwa 150 mal mehr Bakterien im Darm, als der Körper Zellen hat. Es sind Billionen, zusammengesetzt aus Hunderten verschiedenen Stämmen. Während früher immer von „Darmflora“ die Rede war, hat sich die Fachwelt inzwischen auf eine Änderung der Begrifflichkeiten geeinigt. Nun heißt es also immer häufiger „Mikrobiom“. „Mikro“ bedeutet „klein“, und „biom“ heißt so viel wie „Großlebensraum“ oder „vorherrschende Lebensgemeinschaft“. Da der Begriff Mikrobiom eigentlich der Gesamtheit aller uns (und andere Lebewesen) besiedelnden Mikroben vorbehalten ist, müsste wissenschaftlich korrekt vom Darmmikrobiom gesprochen werden, denn es gibt beispielsweise auch ein Haut- oder Lungenmikrobiom. In diesem Artikel stehen vor allem der Darm und seine Mikroben im Zentrum.

Milieu gut, Verdauung gut

Unsere Pferde sind Pflanzenfresser, und auch ihr Verdauungssystem funktioniert durch diese Symbiose mit Mikroorganismen, die im gesamten Darm vorhanden sind. Ihr Verdauungssystem ist die perfekte Umgebung für Mikroben geworden. Sie bauen komplexe Kohlenhydrate wie Cellulose und Hemicellulose durch Fermentation ab und wandeln Pflanzenstoffe in kurzkettige Fettsäuren um. Genau diese Fettsäuren liefern die Energie, die unser Vierbeiner benötigt. Die Zusammensetzung des Mikrobioms ist nicht bei jedem Pferd gleich. Unter anderem hängen Größe und Zusammensetzung stark von der Fütterung ab. Es gibt viele verschiedene Mikroorganismen. Welche sich im Darm auf Dauer ansiedeln können und dürfen, entscheidet letztendlich das Darmmilieu. Wenn es zu sauer, zu nährstoffarm oder eben zu belastet ist, können sich krank machende Keime oder Pilze ansiedeln und stark vermehren.

Mehr Informationen zum Mikrobiom des Pferdes erhalten Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.