Text: Nicole Audrit            Foto: Daniel Elke

Ein Blutsauger mit fünf Augenpaaren und 240 spitzen Zähnen – klingt nach einem Wesen aus einem Horrorfilm, ist aber ein fleißiger kleiner Helfer, der sowohl in der Humanmedizin als auch der Tiermedizin wertvolle Dienste leistet: der Blutegel.

Die Blutegeltherapie bei Menschen ist eine uralte Behandlungsform. Bereits in der Antike verwendeten Ärzte die heilende Wirkung des Egelbisses. Im 19. Jahrhundert kam der Blutegel in Europa schließlich so sehr in Mode, dass er vom Aussterben bedroht war. Mit der Bestandsdezimierung und dem daraus resultierenden fehlendem „Nachschub“ geriet die Blutegeltherapie im Laufe der Zeit in Vergessenheit. Erst in den 1980er-Jahren wurde sie in der Transplantationsmedizin wiederentdeckt und wird zunehmend auch in der Veterinärmedizin erfolgreich eingesetzt.

Arthrose, Hufrehe und schlecht heilende Wunden haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam. Allen gemein ist allerdings, dass Blutegel zur Therapie eingesetzt werden können. Ganz wichtig: Eine Blutegelbehandlung kann keinen Tierarztbesuch ersetzen. Die Egel können sehr gut therapiebegleitend eingesetzt werden und verkürzen oftmals die Heilungsdauer. Bei einer Vielzahl an Erkrankungen können Blutegel bei der Genesung helfen, unter anderem bei Abszessen, Huflederhautentzündung, Hufrollenerkrankung, Ödemen, Entzündungen, Hauterkrankungen, Schwellungen und Prellungen. Die entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkung hilft besonders Pferden mit Arthrose, Spat und Erkrankungen des Bänder- und Sehnenapparates. Auch bei schlecht heilenden Wunden oder zur Nachbehandlung bei Operationsnarben eignen sich die kleinen Würmer hervorragend. Bei einer akuten Hufrehe werden die Blutsauger gerne und erfolgreich eingesetzt: Sie führen einen kleinen Aderlass herbei und sorgen dabei zunächst für eine Blutverdünnung, anschließend auch für eine bessere Sauerstoffversorgung. Sekundäre Wirkung ist die Schmerzlinderung. Expertin Annalena Folkmann sagt: „Bei vielen Erkrankungen kann eine Blutegeltherapie helfen, und es spricht fast nichts gegen eine Behandlung. Um jedoch mögliche Nebenwirkungen zu vermeiden, sollten die kleinen Helfer nicht bei Tieren mit Blutgerinnungsstörungen, starker Anämie, Tumoren, Magengeschwüren oder fiebrigen Infekten eingesetzt werden. Auch bei alten oder geschwächten Tieren rate ich von der Behandlung ab. Die Gabe von Medikamenten muss unbedingt vorher abgeklärt werden, da beispielsweise durch die gleichzeitige Verwendung von gerinnungshemmenden Medikamenten, die Wunde zu lange nachbluten würde.“

Bevor der Egel beißen kann, empfiehlt sich eine Rasur der Stelle – diese kann gerne etwas blutig sein. Dann wird der Blutegel auf die zu behandelnde Stelle gesetzt, das kann per Hand (mit oder ohne Handschuhe) oder mit einem Hilfsmittel wie einem Schnapsglas oder einer präparierten Spritze geschehen. Oftmals ist der Blutegel sehr wählerisch bei der Suche nach einer geeigneten Bissstelle. Wenn er eine gefunden hat, saugt er sich mit seinem vorderen Saugnapf fest, bevor er mit dem Vorderteil zubeißt. Anschließend hält er sich in der Regel zusätzlich mit dem hinteren Saugnapf fest, manchmal lassen Egel allerdings auch ihr Hinterteil hängen. Der Biss an sich ist nicht schmerzhaft. Annalena Folkmann hat den Selbstversuch gewagt und sich einen Egel angesetzt: „Es fühlt sich in etwa wie ein Brennnesselkontakt an.“ Der Schmerz lässt jedoch schnell nach, da der Egel beim Zubeißen vermutlich ein schmerzlinderndes, betäubendes Sekret in die Wunde abgibt. Die meisten Pferde tolerieren den schmerzarmen Biss problemlos und versuchen den Egel höchstens wie eine lästige Fliege loszuwerden. Instinktiv wissen Pferde um die heilende Kraft des Egelbisses. Etwa 30 bis 60 Minuten lang saugt der Egel Blut, dabei nimmt er etwa die fünffache Menge seines Körpergewichts zu sich. „Mit geübtem Auge sieht man, dass beim Biss der Saugnapf etwas auseinander geht. Somit kann man sicher sein, dass der Egel sich jetzt richtig festhält, auch ein Aufstampfen des Pferdes kann ihm so in gewissem Ausmaß nichts mehr anhaben“, stellt Annalena Folkmann fest.

Den gesamten Artikel zur Blutegeltherapie finden Sie in der aktuellen Ausgabe 08/2017.