Text: Inga Dora Schwarzer       Foto: Adobe Stock/ castenoid

Von Phlegmonen und Sehnenschäden über Knochenfissuren bis zu Frakturen: Pferdebeine sind mit Abstand am häufigsten von Verletzungen betroffen. Selbst kleinste Wunden sollten nicht unterschätzt werden, ansonsten könnten Spätfolgen drohen

Pferde sind Fluchttiere, und als solche sind ihre Verhaltensweisen und Reaktionen oft unvorhersehbar und ungestüm. Eine kleine Verletzung ist deshalb schnell passiert. „Die Tiere laufen irgendwo gegen oder bleiben an einem Gegenstand hängen. Es kommt zu Schnitt- oder Stichwunden“, sagt Dr. Andrea Noguera, Leiterin der Orthopädischen Chirurgie in der Hanseklinik Sittensen. Auch die Haltung in der Herde bringe Risiken mit sich: Streitereien, Rangkämpfe oder ein harmloses Spiel können ebenfalls dazu führen, dass die Vierbeiner Schlagverletzungen, Platz- oder Bisswunden davontragen.

Oberflächliche Wunde

Wenn aus einer Wunde kaum Blut austritt, keine große Schwellung zu sehen ist, sich der Wundbereich nicht druckempfindlich zeigt, das Pferd keine Schmerzen hat und lahmfrei geht, handelt sich häufig um eine oberflächliche Hautverletzung. „Entdeckt der Pferdebesitzer eine Wunde, die ganz klar oberflächlich ist, sollte diese vorsichtig mit Wasser und Jodseife gereinigt, trocken und sauber gehalten werden, bis sie abgeheilt ist. Mit Verbänden muss man als Laie vorsichtig sein. Schnell kommt es zu ungewollten Druckstellen. Die sollte man besser einem Profi überlassen“, so die erfahrene Expertin. Nach fünf bis sieben Tagen ist eine oberflächliche Verletzung der Haut in der Regel verheilt.

„Eine scheinbar harmlos aussehende Wunde kann aber auch einen akuten Notfall bedeuten – und zwar dann, wenn vitale Strukturen wie Gelenke, Sehnen oder Sehnenscheiden betroffen sind, oder eine Infektion entsteht. Hier abwartend zu agieren wäre hochriskant. Ist sich der Pferdebesitzer bei der Beurteilung unsicher, sollte er den Tierarzt rufen. Sonst kann auch eine kleine Wundverletzung zu einem Todesurteil werden“, warnt die Tierärztin.

Bei einer Infektion dringen Bakterien in die Wunde ein. In der Tiefe kommt es zu einer bakteriellen Entzündung des Unterhautgewebes, einer sogenannten Phlegmone. Auffällig ist dann jedoch eine meist starke plötzlich auftretende Schwellung. Das betroffene Bein strahlt Wärme aus. Das Pferd reagiert empfindlich auf Berührungen. Es zeigt sich eine Schonhaltung oder Lahmheit. Nicht selten bekommen Pferde Fieber und wirken sichtbar matt und abgeschlagen. Diese Fälle benötigen neben der Versorgung der Wunde (mit z. B. einem Angussverband) oft eine antibiotische Therapie sowie die Gabe von Entzündungshemmern.

Beteiligung eines Gelenks

„Im schlimmsten Fall kommt es bei einer Verletzung zu einer Wunde, die, auch wenn sie vielleicht nur sehr klein ist, manchmal so tief gehen kann, dass sich dadurch ein Gelenk öffnet“, sagt Dr. Noguera. Besonders anfällig dafür sind alle Gelenke, die nicht oder nur durch wenig Muskelmasse geschützt sind. Dazu zählen u.a. das Fessel-, Sprung- und Karpalgelenk. Hiervon können aber auch Sehnenscheiden und Schleimbeutel betroffen sein. Die Art der Verletzung kann dem Tierarzt manchmal schon einen Hinweis darauf geben, ob eine solche synoviale Struktur betroffen ist oder nicht. Das Ausfließen von fadenziehender Flüssigkeit ist beispielsweise ein Anzeichen dafür.

Eine Röntgenaufnahme, z.B. mit Kontrastmittel, gibt noch mehr Klarheit. Die definitive Diagnose einer Gelenkverletzung wird mittels Punktion und Untersuchung von Gelenksflüssigkeit gestellt. So können die Infektion verursachenden Bakterien bestimmt werden. Wenn der Verdacht besteht, dass Bänder und Sehnen mit betroffen sein könnten, wird zusätzlich ein Ultraschallbild gemacht.

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