Interview: Julia Schay-Beneke     Foto: Getty Images

Es muss nicht immer die Eibe oder das Jakobskreuzkraut dahinterstecken, wenn ein Pferd Anzeichen einer Vergiftung hat. Viel häufiger wird der Stoffwechsel über Jahre hinweg mit falscher Fütterung und bewegungsarmer Haltung geschädigt. Die Symptome treten zunächst schleichend auf und werden dann immer offensichtlicher. Von einer Entgiftungskur versprechen sich viele Pferdehalter eine schnelle Heilung. Die Biologin Dr. Christina Fritz erklärt im Interview mit Mein Pferd, warum dies ein fataler Irrtum ist.

Mein Pferd: Entgiftungskuren oder Detox-Kuren sind – bei Menschen und Pferden – zu einem Hype geworden. Sie werden als Allheilmittel für diverse Beschwerden angepriesen. Was halten Sie davon?

Dr. Christina Fritz: Nicht so viel. Denn zunächst einmal gilt: Ein gesunder Körper entgiftet sich selbst. Wenn er alltäglichen Belastungen in ganz normalem Maß ausgesetzt ist, erledigt er die Arbeit ganz alleine. Das heißt: Was der Körper nicht haben will, baut die Leber um und scheidet die Niere aus. Das ist der normale Entgiftungsweg. Einen weiteren Teil der Arbeit übernehmen die Atemwege, die das CO2 entsorgen, der Darm und die Haut. Im Gegenzug werden aber heute einfach viel zu viele Giftstoffe vom Körper aufgenommen. Diese Belastung sollten wir erst mal reduzieren. Statt nur die Entgiftungsorgane mit Kuren anzuregen, muss der Zustrom von außen begrenzt werden.

 Welche Giftstoffe sind das? Was belastet den Körper so, dass vielen eine Entgiftungskur unvermeidlich scheint?

Verschimmeltes oder hygienisch nicht einwandfreies Raufutter ist stark mit Mykotoxinen, also Schimmelpilzen, belastet. Um Schimmelbildung zu vermeiden, wird Heu neuerdings oft auch mit Konservierungsmitteln versetzt. Auch Mischfutter enthalten solche Konservierungsmittel. Ein generelles Problem ist die zu hohe Fett- und Eiweißfütterung: Die Wiesen sind oft zu zuckerreich und zu artenarm. Über Kraftfutter werden zusätzlich Stärke und Zucker gefüttert. Es ist dauerhaft einer enormen Entgiftungsbelastung ausgesetzt. Hohe Blutzuckerwerte sind eine erheb­­liche Belastung für die Nieren, deren Funktion dadurch mit der Zeit immer weiter ein­geschränkt wird. So können dann notwendige Medikamentengaben wie eine Wurmkur oder Antibiotika dazu führen, dass das Fass schließlich regelrecht überläuft.

 An welchen Symptomen erkenne ich, dass die Entgiftung ­meines Pferdes nicht mehr richtig funktioniert?

Wenn der Körper anfängt, die Haut als Entgiftungsorgan zu nutzen. Uns fällt in diesem Stadium häufig auf, dass das Pferd nicht mehr so riecht wie sonst, also nicht mehr nach Pferd – ein Geruch, von dem wir Pferdeliebhaber nicht genug bekommen können –, sondern unangenehm. Wenn wir jetzt nichts unternehmen, treten in fortgeschrittenem Stadium Hautprob­leme wie Ekzeme, Mauke, Schuppenbildung oder ein fettiges Fell auf. Bei allen Hautauffälligkeiten gilt: Der Körper versucht zu stark, über die Haut zu entgiften. Die Hufe gelten in diesem Zusammenhang als Anhangsorgane der Haut und sind ebenfalls mit vielen Symptomen betroffen. Typisch sind Strahlfäule, Hufabszesse, Hufringe, eine raue und rissige Hornwand und in ganz schlimmen Fällen Hufrehe. All das sieht man, wenn der Stoffwechsel am Limit ist. Hufringe an sich entstehen zum Beispiel schnell bei einer Wurmkur oder einer anderen Zusatzbelastung, aber dahinter steckt de facto ein Stoffwechselproblem, das sich über Monate bis Jahre entwickelt.

Könnte eine Entgiftungskur denn jetzt noch das Ruder herumreißen?

Nicht unbedingt. Manchmal verschlimmert sie die Symptomatik sogar noch. Es ist so, dass es für fast alle Stoffwechselprobleme Notfallprogramme im Körper gibt. Wenn eines ausfällt, schaltet der Körper um auf das nächste. Diese summieren sich jedoch nach und nach – bis zu dem Punkt, an dem wir deutlich die Symptome erkennen. Deswegen ist es wichtig, auf Frühmarker für Stoffwechselprobleme zu achten. Diese tauchen viel früher auf als die klinische Krankheit; auch die Leber- und Nieren­werte im Blutbild sind zu diesem Zeitpunkt noch unauffällig. Tpyische Alarmsignale sind z.B. Leistungsabfall, Lethargie, Über­gewicht oder Gewichtsverlust, angelaufene Beine oder Hungerhaare (einzelne lange Haare im Fell). Zu diesem Zeitpunkt kann ich manchmal noch einschreiten – manchmal aber auch nicht. Eine wohlgemeinte Entgiftung kann hier auch bedeuten, dass mein Pferd schlimmstenfalls mit einer Hufrehe reagiert. Und bei ­einer Hufrehe ist der Körper absolut nicht mehr regulations- und häufig auch nicht mehr entgiftungsfähig. Wenn ich eine Leber anrege, die gar nicht mehr richtig entgiften kann, mobi­lisiert der Körper eigenständig Giftstoffe, und das Ganze endet im Super-GAU.

 

…das komplette Interview sowie einige Alarmsignale des Stoffwechsels finden Sie in der Mein Pferd-Ausgabe 2/18.