Text: Inga Dora Schwarzer        Foto: www.slawik.com

Versammlung ist ein Ziel, das jeder im Dressursattel anstrebt. Hier zeigt sich die geballte Kraft des Pferdes, die Reiter so fasziniert. Unsere Dressur-Expertin Imke Kretzmann erklärt, welche Übungen das Pferd darauf vorbereiten und warum es so wichtig ist, zwischen richtiger und falscher Versammlung zu unterscheiden.

Der Begriff Versammlung trifft wortwörtlich das, was er bezeichnen soll: Die Kraft des Pferdes wird konzentriert, also versammelt“, sagt Imke Kretzmann. Sie bildet Pferde bis zur schweren Klasse aus und ist als Reitlehrerin am Birkenhof in Hamburg-Rissen sowie an weiteren Ställen im Hamburger Raum tätig. Den Vorgang der Versammlung beschreibt sie so: „Die Hinterbeine treten unter den Körper, die Grundfläche, auf der das Pferd sich ausbalanciert, verringert sich. Die große Bewegung des dynamischen Vorwärts wird gewandelt in eine kraft voll geballte Aufwärtsbewegung. Sie ist die Krone der Dressurreiterei und ein durch und durch erstrebenswertes Ziel. Wer einmal auf einem richtig versammelten Pferd gesessen hat, kann sich in seinem Leben eigentlich nichts anderes mehr wünschen, als das noch einmal erleben zu dürfen – so geht es mir jedenfalls.“

Absenken der Hinterhand

Bei der Versammlung kommt es zu einer maximalen Lastaufnahme der Hinterhand. Das Pferd winkelt seine Hüft -, Knie,- und Sprunggelenke an, was als Hankenbeugung bezeichnet wird. Das Becken führt eine ganz leichte Kippbewegung aus. „Durch das Absenken der Hinterhand richtet sich das Pferd entsprechend in der Vorhand auf, es kommt in die relative Aufrichtung: Die Aufrichtung der Vorhand steht in Relation zur abgesenkten Kruppe. Die Oberlinienmuskulatur des Pferdes wird lang und gedehnt, die Bauchmuskulatur zieht sich zusammen“, erklärt die Ausbilderin. Durch den versammelnden Prozess werden die Bewegungen federnder, das Pferd erscheint mehr im „Bergauf “, seine Schulterfreiheit verbessert sich und der Reiter kann leichter und komfortabler sitzen sowie den Vierbeiner auf kleinstem Raum wenden. Hieraus resultiert das Gefühl von Leichtigkeit, das die Trainerin eingangs beschrieben hat. Die Versammlungsfähigkeit eines Pferdes ist eng an sein Vermögen zur Schwungentfaltung gebunden. „Schwung entwickelt sich aus der Losgelassenheit, über die das Pferd gelernt hat, vertrauensvoll und energisch an die gewährende Reiterhand heranzutreten (Anlehnung). Aus dieser zuerst erarbeiteten Schubkraft entwickelt sich über das Reiten der richtigen Lektionen nach und nach die Tragkraft , also die Versammlung, wobei die Bewegungen nie ihre Lockerheit, Dynamik und Elastizität einbüßen sollen. Ein Pferd, das, aus welchem Grund auch immer, keine schwungvolle Bewegung ausführen kann, ist auch nicht zu echter Versammlung in der Lage, es wird nur verkürzte, verkümmerte Bewegungen zeigen“, warnt die Expertin. Versammlung beginnt bereits beim Reiten von Tempounterschieden, im vorsichtigen Ausdifferenzieren des Arbeitstempos in verlängerte und verkürzte Bewegungen. „Je mehr Kraft und Geschicklichkeit das Pferd erworben hat, desto mehr Verstärkung und Versammlung wird es zeigen. Im Trab kann über die Tempounterschiede die Verkürzung bis zu den halben Tritten vorangebracht werden, bis es schließlich in der höchsten Form der Versammlung im Trab mündet, der Piaffe. Im Galopp gilt dasselbe: Aus dem Arbeitsgalopp wird einerseits über den Mittel- und starken Galopp die Schwungentfaltung erarbeitet, auf der anderen Seite der versammelte Galopp. Die Pirouette ist dabei die höchste Versammlungsform im Galopp“, erläutert Kretzmann.

Schub- und Tragkraft

Welchen Grad an Versammlung Ihr Pferd leisten kann, hängt davon ab, wie gut die Schubkraft bereits ausgebildet ist. „Sobald das Pferd verstanden hat, was es bei den Tempounterschieden tun soll, wird es, vorausgesetzt der Reiter hat seinem Pferd die Aufgabe gut vermittelt, selbsttätig mitarbeiten und schnell mehr Kraft erlangen. Die Übergänge werden immer leichter abrufbar (störungsfreies Zulegen und Abfangen ohne Takt- und Anlehnungsfehler). Das Pferd wird nach und nach durch die steigende Kraft und Balance von sich aus mehr Verstärkung und Versammlung anbieten“, sagt die Ausbilderin. Wenn es dies nicht tut, gibt es dafür immer eine Ursache. Das kann zum Beispiel an einer fehlerhaften reiterlichen Einwirkung liegen, aber auch physische oder psychische Gründe haben. „Sobald das Pferd überfordert wird – sei es durch unverständliche oder überfallartige Anweisungen oder körperliche Überlastung –, kommt es zu Stressreaktionen, und damit zu Verspannungen und Leistungsabfall“, mahnt die Reitlehrerin an.

Nur eine planvolle Vorbereitung auf die versammelnden Lektionen sowie eine für das Pferd transparente Aufgabenstellung mit sinnvoller, angemessener Wiederholung der Übungen gewährleiste eine ruhige und konzentrierte Mitarbeit des Tieres. Damit es seine ihm gestellte Aufgabe verstehen und sich weiterentwickeln könne, müsse der Reiter sich im Ausbildungsweg gut genug auskennen und wissen, welche Lektion auf welcher aufbaue und was er wann fordern kann. „Eine beliebige Aneinanderreihung von Lektionen nach dem Motto ‚Was kann ich denn jetzt noch reiten?‘ lässt beim Pferd kein Verständnis für die Arbeit entstehen. Zudem müssen die Lektionen in der richtigen Reihenfolge abgerufen werden – von der Lösungsphase zur Arbeitsphase, vom Leichten zum Schweren“, erklärt sie. Zeigt sich der Vierbeiner bereit für die Versammlung, ist eine wichtige Regel zu beachten: Weniger ist mehr! Die vom Pferd verlangte Hankenbeugung bedeutet nämlich einen enormen Kraftaufwand und ist in etwa vergleichbar mit Kniebeugen. Machen Sie einmal zehn Kniebeugen hintereinander. Das klingt zunächst einfach, dürfte aber fast jedem, der kein Berufssportler ist, schwerfallen. Genauso ergeht es dem Tier. Wie lange oder wie stark ein Pferd versammelt gehen sollte, hängt also immer von seinem Trainingszustand ab. „Bei einem unangemessenen Einsatz kann die Versammlung zu vorzeitigem Verschleiß führen – ganz abgesehen davon, dass nichts unmotivierender ist, als eine Aufgabe gestellt zu bekommen, die einen überfordert. Das gilt für Pferde genauso wie für Menschen“, gibt Kretzmann zu bedenken.

…den kompletten Artikel finden Sie in der aktuellen Ausgabe (10/2019).