Text: Inga Dora Meyer         Foto: Slawik

Schluss mit dem Einheitsbrei: Gegen Langeweile im Winter hilft kreatives Reiten. Verzichten Sie auf die altbekannten Hufschlagfiguren und erfinden Sie doch mal selbst welche. Wie das geht und warum besonders freie Linien Körper und Geist trainieren sowie die Kommunikation zwischen Reiter und Pferd verbessern, erklärt Ausbilderin Katja von Rönne.

Für viele Reiter-Pferd-Paare heißt es im Winter: ab in die Halle und Dressur reiten. Doch das finden die meisten Vierbeiner bereits nach wenigen Trainingseinheiten öde, weil sie die Hufschlagfiguren aus dem Effeff kennen. „Das Reiten von immer wiederkehrenden Figuren, z. B. das Reiten auf dem Hufschlag der ganzen Bahn, hat keine fördernden Eigenschaften, sondern langweilt das Pferd. Monotonie ist absolut kontraproduktiv, um es aufmerksam, motiviert und kommunikationsbereit zu halten. Es ‚lehnt‘ sich an der Bande an und achtet eventuell nicht auf die Hilfen des Reiters. Der Reiter hingegen fokussiert Themen wie Festigkeiten im Hals, Triebigkeit und Ähnliches. Ebenso geht die Achtsamkeit auf die vorherrschenden, treibenden Hilfen und den losgelassenen, geschmeidigen Reitersitz bei ständigen Wiederholungen verloren“, sagt Katja von Rönne, Dressurausbilderin im Raum Hamburg und Autorin des Buches „Dressur richtig vorbereitet“. Sie empfiehlt: „Stellen Sie vorab klar, was Ihr ­Tagesziel sein soll und wie Sie die Trainingseinheit entsprechend gestalten wollen. Hufschlagfiguren sowie auch alle Seitengänge sind kein bloßer Selbstzweck. Sie dienen vielmehr der kreativen Gestaltung, dem sinnvollen Stundenaufbau und der Gymnastizierung. Jede Übung hat ihren Sinn. Sinnloses Abspulen macht weder Spaß, noch bringt es Reiter oder Pferd irgendwie weiter“, so die Expertin.

Neue Figuren fördern die Ausbildung

Anstelle von „ganze Bahn“ ist es besser, zu Beginn jeder Reiteinheit häufige Handwechsel zu reiten und nur gelegentlich eine halbe oder ganze Runde auf dem ersten Hufschlag zu drehen. „Das Ziel der Lösungsphase sollte sein, die Aufmerksamkeit vom Pferd zu erreichen, von Beginn an die Reiterhilfen abzusichern sowie die Balance und das Gleichgewicht zu fördern“, erklärt von Rönne. Wenn dabei noch der Takt in der jeweiligen Grundgangart erhalten bleibt (besonders in den Wendungen), ist das Pferd nach kurzer Zeit gut gelöst, läuft taktmäßig, ausbalanciert, vermehrt geradegerichtet und ist freudig auf die folgende Arbeitsphase vorbereitet, ohne seine Kräfte vergeudet zu haben. „Schonendes und effektives Abreiten macht Spaß, sinnhafte Reiteinheiten halten gesund“, fasst die Pferdewirtschaftsmeisterin zusammen.

Neben den Hufschlagfiguren, die in den Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung stehen, gibt es vielerlei andere Figuren, die Sie ins Training einbauen können. Dafür ist lediglich ein wenig Kreativität im Sattel gefragt. Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf und verändern Sie altbekannte Lektionen, sodass sich neue Formen ergeben. So können Sie ­einen Zirkel nur halb ausführen und dann wieder ganze Bahn reiten oder Sie wenden einfach mal an anderen als den üblichen Wechselpunkten auf eine Diagonale ab. Die Lektion „durch die halbe Bahn wechseln“ lässt sich beispielsweise auch verkehrt herum reiten (beginnend bei B oder E in Richtung Wechselpunkt). Sie können auch auf die Mittellinie gehen, reiten bis X und dann zu einem Wechselpunkt oder von A oder C direkt zu einem Wechselpunkt. Ebenso bringen ein Quadratzirkel in der Mitte der Bahn oder die Figur „Schlangenlinien durch die ganze Bahn mit drei Bögen“ auf der Mittellinie mehr Abwechslung. Es gibt unzählige Möglichkeiten (siehe Kasten auf Seite 56), das Training allein mit geschickten Kombinationen spannender zu gestalten. „Wichtig ist aber, die individuelle Kreativität für jedes einzelne Pferd verständlich zu strukturieren. Es darf kein Durcheinander geben“, gibt die Expertin zu bedenken.

Zum Mitdenken anregen

Von neuen Figuren profitieren sowohl Reiter als auch Pferd. „Sie erhöhen die Aufmerksamkeit, Losgelassenheit, Balance und Geschmeidigkeit beider, wobei die Körper ganzheitlich trainiert werden. Koordination, Beweglichkeit und eine gleichmäßige Bemuskelung werden ebenfalls gefördert. Der Reiter verbessert außerdem seine Reaktionsschnelligkeit und optimiert die Dosierung seiner Hilfen, was wiederum eine gute Vorbereitung für spätere schwerere Lektionen ist. Das Pferd wird zum Mitdenken angeregt. Das heißt: Es fragt den Reiter, was als Nächstes kommt. Ist es aufmerksam und freudig mitarbeitend, lässt es sich wiederum mit immer feiner werdenden Hilfen reiten“, zählt von Rönne die Vorteile auf. Temperamentvolle Vierbeiner, die gerne mal die Hilfen des Reiters vorwegnehmen, lernen abzuwarten. So wird der klassische Selbstgänger „durch die ganze Bahn wechseln“ und Tritte verlängern, wie er vielfach in Dressurprüfungen verlangt wird, unterbunden. Gemütliche, die es unter dem Sattel gerne langsam angehen lassen, werden im Geiste wachgehalten, weil stets etwas Neues folgt.

… viele weitere Tipps und praktische Übungen zum Nachreiten lesen Sie in der November-Ausgabe der Mein Pferd.