Eigentlich handelt es sich hierbei um die einfachste Hufschlagfigur: die ganze Bahn. Und trotzdem gibt es immer wieder Tücken, die auf uns zukommen können – und dass, obwohl wir theoretisch einfach nur der Bande folgen müssen
Text: Jessica Classen | Foto: Daniel Elke

„Ab H bitte ganze Bahn reiten“, hört man es aus der Reithalle rufen. Dieses Kommando ertönt meist, wenn der Reiter sich in der Mitte der kurzen Seite befindet. Dann hat er nämlich noch genügend Zeit, sein Pferd wieder gerade zu stellen, nachdem es zuvor beispielsweise auf dem Zirkel gegangen ist. Das Reiten der ganzen Bahn ist unabhängig von der Größe der Reithalle beziehungsweise des Reitplatzes. Es beschreibt vorrangig das Reiten auf geraden Linien. Dies erfordert Ihrerseits eine seitengleiche Hilfengebung: Sitzen Sie stets mittig und belasten Sie dabei beide Gesäßhälften gleichermaßen. Ebenso gleichmäßig sollte auch die Zügelführung sein – die Zügel sind gleich lang, und die Zügelführung fühlt sich in beiden Händen gleich leicht an. Stellen Sie Ihr Pferd vor jeder Ecke so, dass es gebogen durch diese laufen kann. Nach dem Durchreiten der Ecke wird das Pferd wieder gerade gestellt. Voraussetzung für das Stellen und Biegen vor und in der Ecke ist die diagonale Zügelführung: der innere Schenkel treibt etwas vermehrt, und der äußere Zügel führt, ohne das Pferd dabei nach außen zu stellen.

bildschirmfoto-2016-11-16-um-16-52-07Immer mal wieder abbiegen

Damit Sie nicht nur entlang der Bande reiten müssen, können Sie durch die halbe oder ganze Bahn wechseln, auf dem zweiten oder dritten Hufschlag reiten, oder aber Sie reiten statt der ganzen nur die halbe Bahn. In diesem Fall biegen Sie bei E oder B ab und machen aus dem Rechteck ein Quadrat. Wechseln Sie durch die halbe oder ganze Bahn, müssen Sie, je nachdem auf welcher Hand Sie sich gerade befinden, durch die Ecke hindurchreiten und an den Punkten M, F, K oder H abbiegen, sobald Ihr Knie sich auf der Höhe des jeweiligen Buchstabens befindet. Reiten Sie beispielsweise auf der linken Hand und biegen Sie bei H ab. Möchten Sie durch die halbe Bahn wechseln, kommen Sie mit Ihrem Knie bei B an; wechseln Sie durch die ganze Bahn, kommen Sie bei F an. Bei diesen Übungen nutzen Sie die gesamte Halle, wechseln aber trotzdem die Hand. Dies ist wichtig, damit es für Ihr Pferd nicht zu einer einseitigen Belastung kommt: Im Schritt und Trab bleibt Ihr Pferd an den langen und kurzen Seiten gerade gerichtet und wird nur in den Ecken gebogen; im Galopp ist es allerdings auf der Hand gestellt, auf der es aufgrund der Fußfolge läuft. Würden Sie immer nur auf einer Hand reiten, wäre die Belastung zu hoch. Außerdem würde Ihr Pferd sich auf Dauer auch langweilen. Bringen Sie mit dem Abbiegen Abwechslung in Ihr Training hinein: Sobald Sie das Gefühl haben, Ihr Pferd ist unaufmerksam, oder aber Sie sind nun auf einer Hand schon länger unterwegs, biegen Sie ab. An jedem x-beliebigen Punkt lässt sich eine andere Hufschlagfigur reiten und in das Training mit einbauen. So können Sie immer wieder abbiegen und gleichzeitig effizient reiten.

bildschirmfoto-2016-11-16-um-16-52-35Warum ganze Bahn reiten?

Das Reiten der ganzen Bahn ist die Basis aller Hufschlagfiguren. Es wird gerne zum Warmreiten genutzt, denn die langen Seiten belasten die Gelenke nicht so stark und gleichzeitig wird das Pferd motiviert, schwungvoll nach vorne zu treten, da es Platz hat. Reiten Sie zu Beginn der Trainingseinheit die Ecken noch nicht so tief aus, damit Sie die Vorwärtstendenz Ihres Pferdes nicht stören, indem Sie es direkt zu Beginn in eine Biegung locken. Auf Turnieren achten Richter vor allem darauf, dass das Pferd an den langen Seiten nicht „auseinanderfällt“ – das bedeutet, dass es sich trotzdem an der Senkrechten befindet, auch wenn keine biegende Hufschlagfigur geritten wird, und nicht die Nase nach vorne streckt und dabei schneller wird, ohne dass der Reiter dies möchte. In den Ecken muss es sich stellen lassen. Um für ein Turnier zu üben, können Sie zu Hause in der heimischen Reithalle auch auf dem zweiten Hufschlag reiten – dadurch lernt Ihr Pferd, dass in einem Dressurviereck keine Begrenzung durch eine Bande vorhanden sein muss. Denn gerade auf Turnieren stellt die ganze Bahn eine tückische Aufgabe dar, weil unsere Pferde nicht durch das Abbiegen abgelenkt werden können und so genügend Zeit haben, sich genau umzusehen. Deshalb sollte die ganze Bahn während der Trainingseinheit immer wieder genutzt werden. Damit können Sie auch den Vorwärtsimpuls Ihres Pferdes verstärken und es dadurch „frischer“ machen: Nutzen Sie die langen Seiten, um die Tritte zu verlängern, und fangen Sie es kurz vor der Ecke wieder ein. Das verstärkt die Aufmerksamkeit und macht Ihr Pferd gleichzeitig sensibel für Ihren Schenkel. Ebenso lässt sich der Wechsel durch die ganze Bahn zum Tritteverlängern nutzen.

Fehler vermeiden

Machen Sie nicht den Fehler, Ihr Pferd beim Reiten der ganzen Bahn nur an der Bande entlanglaufen zu lassen – nutzen Sie die Seiten zum Tritteverlängern, zum Wechseln der Hand oder reiten Sie einfach eine halbe Bahn. Auch dies bringt Ihnen die nötige Aufmerksamkeit Ihres Pferdes und lässt keine Langeweile aufkommen. Ebenso, wenn Sie in der Arbeitsphase vermehrt darauf achten, dass die Hinterhand nicht ausweicht und dass Ihr Pferd in den Ecken immer korrekt gestellt und gebogen ist. Andernfalls würde der gymnastizierende Effekt verloren gehen.

 

 

… jeden Freitag finden Sie hier die Hufschlagfiguren. Grafiken und die gesamte Serie finden Sie in unseren Magazinen Mein Pferd 07/2016 bis 12/2016!