Text: Inga Dora Schwarzer          Foto: www.Slawik.com

Ist der Sitz des Reiters gefühlvoll und flexibel, kann er den Pferdebewegungen harmonisch folgen. Das Aussitzen gelingt ohne Anstrengung. Ist er es nicht, heißt es: Raus aus der Komfortzone! Nur wer funktionale Veränderungen im Körper zulässt, findet im Sattel seine ganz eigene Lösung für einen korrekten Sitz

Warum hoppeln Kaninchen? Weil das genetisch vorprogrammiert ist. Da die Nervensignale im Rückenmark automatisch verarbeitet werden, können sie gar nicht anders, als in der Bewegung die Hinterläufe vor die Vorderläufe zu setzen. Das geschieht unbewusst. Und auf dem Pferderücken? Auch hier, so scheint es, findet eine unbewusste Koordination der Gliedmaßen statt, die genau aufeinander abgestimmt ist.

Der Reiter sitzt in schwungvollen Gangarten aus, und der Dominoeffekt beginnt: Die Hände werden unruhig, die Arme spreizen sich vom Körper ab, die Knie klemmen sich am Sattel fest, die Unterschenkel wandern nach hinten, die Absätze zieht es nach oben, und der Oberkörper lehnt sich weit vor, während der Allerwerteste auf und ab hüpft. All das geschieht, obwohl keine Absicht des Reiters dahintersteckt, sondern dieser – ganz im Gegenteil – willentlich bemüht ist, den Bewegungen des Pferdes so gut wie möglich zu folgen. Also: Körper, warum tust du das?

Innere Landkarte

„Wie sich der Mensch bewegt, hängt immer davon ab, wie gut seine bewegungssteuernden Systeme miteinander arbeiten. Hierbei spielen vor allem im Leben erlernte Bewegungserfahrungen im Alltag, beim Sport usw. eine wichtige Rolle, auf die der Mensch beim Reiten zurückgreift“, erklärt Katja Trillitzsch, Pferdewirtschaftsmeisterin, Bewegungstrainerin und -pädagogin aus dem bayerischen Fürth. Stellen Sie sich alle Bewegungen, die Sie machen, als Bewegungsdaten vor, die im Gehirn auf einer Art inneren Landkarte abgespeichert werden. Aus diesem Datenvolumen sucht sich der Körper die für ihn beste Lösung heraus, um auf eine bestimmte Situation zu reagieren. Das Problem: „Hat das Gehirn nur wenige Bewegungsdaten zur Verfügung, ist der Pool, aus dem es schöpfen kann, gering“, so Trillitzsch weiter. Dann wird es vielleicht nur die drittbeste Möglichkeit finden, um ein Bewegungsproblem zu lösen, und wählt in der Situation des Aussitzens – ob wir wollen oder nicht – das Gehoppel.

Warum der eine von Anfang an besser aussitzen kann als der andere, hängt aber nicht nur von individuellen motorischen Erfahrungen, sondern auch von der eigenen Körperwahrnehmung ab. „Weiß der Reiter, wo sich der Körper gerade im Raum befindet? Wie stark sind seine sensorischen Bahnen, die zum Gehirn verlaufen, ausgeprägt? Wie gut kann er jedes einzelne Körperteil ansteuern? Das sind entscheidende Fragen für die Koordination im Sattel“, weiß die Expertin.

Das Körpergefühl kann jedoch durch alte Verletzungen und Narben gestört werden. „Eine Verletzungspause, in der z.B. eine Gliedmaße nicht in vollem Umfang bewegt werden konnte, führt dazu, dass das Gehirn über diesen Zeitraum nur wenig sensorische Daten empfängt.“ Die Bewegungslandkarte wurde nicht aktualisiert, sodass diese Gliedmaße eher verschwommen abgebildet ist. In diesem Bereich mangelt es dem Reiter dann an Präzision.

Spezielle Balance

Das Aussitzen ist zudem eine körperliche Leistung, die einen hohen Anspruch an das Gleichgewicht stellt. Das Gleichgewicht ist unser ständiger Begleiter im Alltag. Gehen, Laufen, Treppensteigen, sogar das Sitzen auf einem Stuhl würde nicht funktionieren, wenn wir dabei nicht in Balance blieben. Das Gleichgewicht auf dem sich bewegenden Pferd zu halten ist aber deutlich schwieriger, zumal der Reiter zusätzlich die Bewegung des Vierbeiners mit einbeziehen muss. Das heißt: Die Balance auf dem Pferd muss der Mensch neu erlernen. Hierfür kann er, wie gesagt, auf bereits gemachte Bewegungserfahrungen aus Sport und Alltag zurückgreifen. Je mehr er davon hat, desto besser. Aber das reicht nicht immer aus, um gut aussitzen zu können.

Den kompletten Artikel finden Sie in der neuen Mein Pferd- Ausgabe.