Text: Nicole Audrit     Foto: Holger Schupp

Bei einem Ausritt können dem Pferd sehr viele potenziell angst­einflößende Gegenstände oder Situationen begegnen: Eine achtlos weggeworfene Plastiktüte kann durch einen Windstoß in die Richtung des Pferd-Reiter-Gespanns fliegen, jemand könnte laut rappelnd plötzlich die Mülltonne vor das Haus schieben oder Kinder könnten einen Drachen steigen lassen. All diese Gegenstände und Situationen können bei Pferden Angst und – da sie Fluchttiere sind – den ihnen angeborenen Fluchtreflex auslösen. Diese Form des Ausweichens vor einer vermeintlichen Gefahr ist in den Genen der Pferde fest verankert.

Es ist die Aufgabe des Menschen, dem Pferd die Menschenwelt mit all ihren unterschiedlichen Reizen schrittweise näherzubringen. Diese Gewöhnung an verschiedene Gegenstände ist für eine verlässliche und vertrauensvolle Partnerschaft zwischen Mensch und Pferd und einen entspannten Umgang unumgänglich. Es ist zwar nicht möglich, jede Situation zu üben, allerdings kann man lernen, wie man mit verschiedenen Herausforderungen umgeht. Am besten eignet sich für ein Gelassenheitstraining ein umzäunter Reitplatz oder eine Halle, sodass die Sicherheit für Mensch und Pferd auch bei einer starken Angstreaktion des Pferdes gewährleistet ist. Außerdem sollten alle Übungen zunächst vom Boden aus erarbeitet werden und sicher funktionieren, bevor sie im nächsten Schritt aus dem Sattel angegangen werden können.

Horsemanship-Trainerin Courin Schneider legt viel Wert auf eine umfangreiche und abwechslungsreiche Ausbildung der Pferde. Aus diesem Grund bietet sie regelmäßig sogenannte Playdays auf einem Hof zwischen Köln und Düsseldorf an: „Bei diesen Playdays geht es nicht um einen Vergleich in Form eines Wettbewerbs nach dem Motto: Wer kann den Parcours schneller oder besser absolvieren?“, versichert die Expertin. „Vielmehr möchte ich Pferdemenschen und ihren Tieren die Möglichkeit geben, Gleichgesinnte zu treffen und mit viel Spaß – wie es der Name bereits vermuten lässt – verschiedene Hindernisse kennenzulernen.“ Die erfahrene Trainerin steht den Teilnehmern bei aufkommenden Fragen und Problemen zur Seite und leistet Hilfestellung. Generell kann sich aber jeder individuell in seinem eigenen Tempo und seiner eigenen Art und Weise mit seinem Pferd an den Hindernissen ausprobieren. Teilnehmen können Pferde und Menschen jeder Altersklasse und Reitweise. Courin erklärt: „Bereits mit Jungpferden kann man spielerisch ein paar neue Gegenstände kennenlernen. Wichtig ist dabei, diese nicht zu überfordern und nur sehr kurze Intervalle mit mehreren Wiederholungen zu machen.“

Entspannt durch souveräne Führung

Eine gute Beziehung mit gegenseitigem Vertrauen zwischen Mensch und Pferd kann nur durch eine gute Kommunikation und eine Basis entstehen. Daher ist es sehr wichtig, dass der Mensch Verständnis für das Pferd aufbringt und lernt, dessen Sprache zu verstehen, so die Expertin: „Häufig verstehen wir nicht, warum ein Pferd bei einem Ausritt ängstlich reagiert und beispielsweise ungewohnt heftig vor dem Regenschirm eines Fußgängers scheut. Anstatt in einer solchen Situation das Pferd zu ermahnen oder Druck aufzubauen, muss der Mensch lernen, entspannt mit einer solchen Situation umzugehen und dem Pferd so zu mehr Gelassenheit und Mut zu verhelfen.“ Bei einem Gelassenheitstraining lernt der Mensch neue Facetten an seinem Pferd kennen, bemerkt wie dieses auf gewisse Dinge reagiert und kann so anschließend auch unvorhergesehene Situationen besser meistern.

Indem das Pferd von seinem Menschen bei einem Gelassenheitstraining mit neuen Reizen konfrontiert wird, steigt dessen Vertrauen in ihn als Führungsperson, die Beziehung wird verbessert und das Pferd insgesamt gelassener. „Für den Menschen bedeutet dies: Er muss ein guter Lehrer für sein Pferd werden, nur dann kann er ihm in allen Lebenslagen die Sicherheit bieten, die es braucht“, fasst Courin zusammen. „Indem sich Pferd und Mensch gemeinsam neuen Herausforderungen stellen, wird die Beziehung automatisch gestärkt.“ Das Pferd lernt, seinen Fluchtreflex ins Denken umzuwandeln, somit ist es besser ansprechbar und vertraut zunehmend auf den Menschen als Leitperson. Aus gegenseitigem Vertrauen und Verständnis entsteht dann die angestrebte Zuverlässigkeit. Dadurch wird das Pferd letztendlich auch unbekannten und möglicherweise angsteinflößenden Dinge gelassen entgegensehen und sich bei neuen Herausforderungen auf den Menschen als Leitperson verlassen – Ziel erreicht.

…den gesamten Artikel finden Sie in der Oktober-Ausgabe. Zusätzlich haben wir einen Extreme Trail genauer unter die Lupe genommen und zeigen Ihnen viele abwechslungsreiche Parcours-Ideen mit Stangen und Hütchen. Lassen Sie sich von unserem Spezial „Ab in den Parcours“ inspirieren.

UNSERE EXPERTIN: Courin Schneider aus Dormagen bei Neuss ist Horsemanship-Trainerin aus Leidenschaft. Sie möchte interessierten Pferdemenschen eine verständnisvolle und feine Kommunikation mit ihrem Vierbeiner näherbringen. Dafür bietet sie verschiedene Kurse an. Besonders inspiriert hat sie die Arbeit von Thomas Günther von Pro Ride. www.courin.de