Das Interview führte Lara Wassermann.             Foto: Daniel Elke

Mein Pferd: Wie wichtig ist das Thema Bodenarbeit für die Arbeit mit dem Pferd?

Sigrid Schöpe: In der heutigen Zeit gehört eine vernünftige Basis im Bereich der Bodenarbeit (Horsemanship) eigentlich zum Ausbildungsstandard dazu. Nicht nur das Reiten ist relevant, sondern auch ein vernünftiger Umgang mit dem Pferd am Boden, dazu gehört richtiges und vor allem problemloses Führen sowie Abwechslung im Alltag des Pferdes. Die Bodenarbeit fördert unter anderem die Kommunikation zwischen Pferd und Halter.

Was bewirkt Bodenarbeit, und wo liegen die Ziele?

Wie bereits erwähnt, ist die Kommunikation zwischen Pferd und Halter wichtig: Achtet mein Pferd auf mich, wenn ich es führe? Reagiert es auf meine Körperhaltung? Akzeptiert das Pferd mich als ranghöheres Tier? Bei der Bodenarbeit steht die Kommunikation für mich im Vordergrund. Mein Pferd soll auf mich und meine Körpersprache reagieren, auf Handzeichen, auf bestimmte Worte. Wenn dies gewährleistet ist und die Basis stimmt, dann kann man auch etwas Gymnastizierung mit einbinden.

Was fällt unter den Begriff Bodenarbeit?

Für mich persönlich ist es hauptsächlich die Körpersprache. Inzwischen geht die Bodenarbeit in zwei verschiedene Richtungen: einmal die Arbeit mit dem Pferd, die auf Kommunikation und Körpersprache basiert, und andererseits die Bodenarbeit, die ihren Schwerpunkt auf die Gymnastizierung legt. Dabei ist eine Anlehnung an die Dressurarbeit erkennbar: Es wird viel mit Seitengängen oder Longieren – vorwärts/abwärts oder Doppellonge – gearbeitet, durchaus auch mit Kappzaum oder Trense. Grundsätzliche sollten in beiden Bereichen alle Themen abgedeckt werden, wie beispielsweise das Führtraining, Rückwärtsrichten, Seitwärtsgehen, Handzeichen, Stimmkommandos, die Arbeit mit Stangen und Pylonen.

Wo liegen die Probleme, wenn man Pferde nur reitet und sich nicht vom Boden aus mit ihnen beschäftigt?

Das beste Beispiel ist, wenn Sie Ihr Pferd zur Weide bringen und nicht in der Lage sind, es vernünftig zu führen. Oder Sie holen Ihr Pferd aus der Box, und es rennt an Ihnen vorbei oder rempelt Sie an. Das ist nicht nur unerzogen, sondern kann auch gefährlich werden. Es gibt noch immer viele Reiter, die im Viereck zwar gut mit ihrem Pferd klarkommen, aber sobald sie neben dem Pferd stehen, große Probleme haben.

Wann kann man anfangen am Boden mit dem Pferd zu arbeiten?

Man kann in jedem Alter mit dem Training anfangen – selbst mit jungen Pferden, die noch nicht geritten werden. Je früher man anfängt, desto weniger Probleme hat man später beim Reiten. Bei sehr jungen Pferden verkürzt man die Trainingseinheiten, da sie sich noch nicht so lange konzentrieren können. Aber auch sie haben Spaß daran, wenn man sich mit ihnen beschäftigt. Bodenarbeit ist unabhängig vom Alter, von der Rasse oder vom Reitstil.

Wie kommt es dazu, dass Sie sich so intensiv mit Bodenarbeit beschäftigen?

Das habe ich meinem Araber Shir Khan zu verdanken. Ich habe ihn achtjährig bei einem Pferdehändler entdeckt. Er war eine Woche zuvor erst aus Russland importiert worden und war sehr verängstigt und misstrauisch. Selbst heute hat er noch einige Eigenarten, die ich auf Erlebnisse in seinen ersten acht Jahren zurückführe. Um überhaupt einen Kontakt zum Pferd zu bekommen, habe ich die ersten drei bis vier Monate fast ausschließlich Bodenarbeit mit ihm gemacht. Da er sehr sensibel ist, waren die Ergebnisse auch für mich sehr überraschend, und so habe ich im Laufe der Jahre meine Kenntnisse in Seminaren und Kursen weiter ausgebaut. Heute gebe ich meine Kenntnisse an Interessierte weiter.

Kommt es mir nur so vor oder haben Sie auch das Gefühl, dass gerade im Moment sehr viele Reiter Interesse an der Bodenarbeit zeigen?

Ja, Gott sei Dank (lacht). Als ich anfing mit der Horsemanship-Arbeit, wurde ich von allen Seiten noch belächelt, und es wurde abgetan mit den Worten „Das braucht doch keiner“. Das hat sich zum Glück geändert. Inzwischen haben auch die Turnierreiter erkannt, dass Bodenarbeit ihrem Sport nicht schadet. Ich vermisse noch ein breiteres Angebot in Reitschulen: Für Kinder sollte die Bodenarbeit genauso wichtig sein wie der Reitunterricht.

Was für Erfahrungen haben Sie mit Pferden gemacht, die vorher noch nie vom Boden gearbeitet wurden?

Durchweg nur positive Erfahrungen: Für Pferde ist die Bodenarbeit eine willkommene Abwechslung zum Alltag. Sie werden aufmerksamer, gehen mehr auf ihren Besitzer ein und reagieren sensibler auf Körpersprache. Bodenarbeit sollte keine „Arbeit“ sein, sondern Halter und Pferd Spaß machen. Der Spaß kann dabei durchaus auch gymnastizierende Teile enthalten. Habe ich beispielsweise ein Pferd, das sich auf einer Seite beim Reiten nicht richtig biegen lässt, dann kann ich dies am Boden spielerisch mit ihm üben. Den Erfolg merke ich später dann auch beim Reiten.

Zeigen die meisten Pferde Interesse an der Bodenarbeit?

Das kann ich nur mit einem definitiven JA beantworten.

Welche Muskelpartien kann man speziell vom Boden gut trainieren?

Fast alle Bereiche, die man auch beim Reiten trainiert – beispielsweise die Rückenmuskulatur genau wie die Hinterhand, Schulter- und Halsmuskulatur. Für fast alles gibt es Übungen, mit denen man diese Bereiche aufbauen und stärken kann.

Gibt es Pferde, mit denen man keine Bodenarbeit machen sollte?

Bisher ist mir noch kein Pferd begegnet, mit dem man nicht hätte arbeiten können. Natürlich müssen alle Übungen auf das Pferd abgestimmt sein. Hat ein Pferd Probleme mit den Sehnen oder Gelenken, dann mache ich zum Beispiel keine Wendungen oder enge Drehungen. Bei sehr alten Pferden sollte man die Vor- oder Hinterhand nicht zu stark belasten. Passt man das Training an das Pferd individuell an, dann spielen das Alter oder der Gesundheitszustand keine Rolle.

 

In unserer nächsten Ausgabe (August 2017) finden Sie den Artikel „Bodenarbeit für Anfänger“ mit vielen nützlichen Tipps.