Text: Nicole Audrit     Foto: www.slawik.com

Kerzengerade steigt der Araber Dimitri, anschließend springt er Einerwechsel während einer Galopp-Pirouette, bevor er in einer Passage zu tanzen scheint – all dies am langen Zügel und mit scheinbar unsichtbaren Hilfen seiner ­Besitzerin und Ausbilderin Saskia Gunzer. Die Lektionen der Hohen Schule wirken bei dem Paar nahezu kinderleicht. In Wirklichkeit ist jedoch viel Fleiß notwendig, um solche Lektionen mit seinem Pferd zu erarbeiten. Besonders wichtig bei der Arbeit am langen Zügel ist, ähnlich wie beim Reiten, eine solide Grundausbildung. Unterm Sattel käme auch niemand auf die Idee dem Pferd erst Seitengänge und anschließend das Geradeauslaufen beizubringen. ­Generell ist die Arbeit am langen Zügel eine tolle Alternative beziehungsweise Ergänzung zu der Arbeit im Sattel und für viele Pferde eine Bereicherung – auch für ältere oder unreitbare Pferde sowie Ponys.

Gut vorbereitet ans Ziel

Die Ausbilderin Saskia Gunzer ist auch nach vielen Jahren noch fasziniert von den Möglichkeiten der Arbeit am langen Zügel. Dabei kam sie eher zufällig dazu: Ihr Wallach Dimitri hatte nach einem Wanderritt trotz eines angepassten Sattels einen Satteldruck und konnte ein halbes Jahr nicht geritten werden. Da das Pferd dennoch fit war und nur keinen Reiter tragen konnte, begann sie es am langen Zügel auszubilden.

Für die Arbeit am langen Zügel wird kein bestimmter reiterlicher Ausbildungsstand, jedoch ein gutes theoretisches Grundwissen über Versammlung und Hilfengebung benötigt. Saskia Gunzer empfiehlt, dass ein Pferd, welches aufgrund des Alters, der Gesundheit und des passenden Größenverhältnisses ­geritten werden kann, vor der Arbeit am langen Zügel eine Grundausbildung unterm Sattel erhält. Besonders große Pferde mit raumgrei­fenden Gängen müssen eine gewisse ­Versammlungsfähigkeit und -bereitschaft mitbringen, da man ansonsten Gefahr läuft, dem Gang zu schaden. Kann das Pferd nämlich noch nicht versammelt traben, kommt der Mensch häufig nicht bei der Geschwindigkeit mit und verringert diese durch konstanten Zug am Zügel. Das Ergebnis ist ein unversammelter „Zuckeltrab“ ohne Schwung und Raumgriff. Da dieses Szenario zu vermeiden ist, hat Saskia Gunzer die Faustregel: „Je größer das Pferd, desto höher sollte es ausgebildet sein und desto besser sollte es sich bereits versammeln können.“ Dies bedeutet: Ein Warmblut muss um einiges besser als ein Minishetty ausgebildet sein. Bei einem Pony ist es allein aufgrund der Größe auch bei einem unversammelten Trab möglich mitzulaufen, ohne dem Takt, Raumgriff und Schwung des Tieres zu schaden.

„Traditionell werden Pferde an den Hofreitschulen erst am langen Zügel gearbeitet, wenn sie bereits unterm Sattel bis zum Grand-Prix-Level ausgebildet sind“, so die Expertin. Ein solchen Ausbildungsstandard werden die wenigsten vorweisen können, und dennoch kann man mit Fleiß und Konsequenz tolle Erfolge am langen Zügel erreichen. Dafür müssen jedoch zwangsläufig die Grundsteine in der ­Pferdeausbildung stimmen: Das Pferd sollte respektvoll im Umgang sein und die Stimmkommandos für Gangartwechsel an der Longe sicher ­beherrschen. Außerdem bietet sich als Vorbereitung die Arbeit an der Hand an: Das Pferd lernt bei dieser bereits Gertenberührungen am ganzen Körper zu tolerieren. Um mit einem Pferd am langen Zügel zu arbeiten, sollte dieses nicht übermäßig schreckhaft sein und nicht zum Ausschlagen neigen. „Natürlich kann man das bei keinem Pferd hundertprozentig wissen, jedoch sollte man zumindest davon ausgehen, dass das Pferd nicht tritt“, so Saskia Gunzer.

Die Grundposition bei der klassischen ­Arbeit am langen Zügel ist dicht hinterm Pferd, leicht seitlich versetzt. Nur wenn man leicht seitlich versetzt läuft, tritt man dem Pferd nicht in die Beine und kann große Schritte machen. Diese Position und auch der geringe Abstand zur Hinterhand des Pferdes sind laut Saskia Gunzer ein Sicherheits­aspekt und ermöglicht eine bessere Einwirkungsmöglichkeit: „Es ist ein Irrglaube, dass ein größerer Abstand zum Pferd, wie beispielsweise beim Fahren vom Boden, sicherer sei. Wählt man ­einen größeren Abstand, so kann es im Falle eines Austretens des Pferdes zu schlimmen ­Unfällen kommen. In der Grund­position am langen Zügel würde ein Tritt den Oberschenkelbereich des Menschen treffen, bei mehr Abstand verursacht er erfahrungsgemäß schlimme Verletzungen im Bauchbereich.“ Die jeweils äußere Hand wird neben dem Ansatz der Schweifrübe angelegt und die innere Hand wird frei getragen. Dabei sollte darauf geachtet werden, die Hände möglichst ruhig zu halten.

…den kompletten Artikel lesen Sie in der Mein Pferd-Ausgabe 6/18.

 

Unsere Expertin

Saskia Gunzer bildet seit vielen Jahren Pferde an der Hand, am langen Zügel oder in Zirkuslektionen erfolgreich aus. Im Laufe ihres Lebens kam sie mit unterschiedlichen Reitweisen in Kontakt und bildet sich stetig weiter. Besonders wichtig ist ihr der faire Umgang und das Training mit dem Pferd. www.saskia-gunzer.de

Buchtipp

In dem Buch „Am langen Zügel – Die Krönung der Ausbildung“ erklären die beiden Autorinnen Saskia Gunzer und Nicole Künzel den gesamten Weg von der korrekten Vorbereitung des Pferdes und den ersten Schritten am langen Zügel bis hin zu Lektionen der Hohen Schule. Das Buch ist hier für 28,80 Euro erhältlich.