Text: Aline Müller           Foto: www.Slawik.com

Zeitdruck, Anspannung, Sorgen– Reiter nehmen viele Stress auslösende Faktoren sozusagen mit in den Stall. Das hat Einfluss auf die Arbeit und den Umgang mit dem Pferd. Wie Sie Stress reduzieren und vorbeugen können, erklärt die klassische Ausbilderin Nicole Künzel

Als Freundlichkeit bezeichnen Umgangssprache und Sozialpsychologie das anerkennende, respektvolle und liebenswürdige Verhalten eines Menschen und zugleich die innere wohlwollende Geneigtheit gegenüber seiner sozialen Umgebung – quasi eine Grundhaltung, seinen Mitmenschen freundlich begegnen zu wollen. So jemand bringt anderen ein echtes Interesse entgegen, nimmt Rücksicht auf deren Situation und Emotionen und versucht sich so zu benehmen, dass niemand Anstoß nehmen kann.

Stress ist in unserem Alltag nahezu allgegenwärtig. Viele Menschen gewöhnen sich an ein gewisses Stresslevel – und nehmen die Anspannung im Sattel unter Umständen gar nicht mehr bewusst wahr. Doch Stress kann sich leicht auf das Pferd übertragen. Angefangen bei vermehrter Muskelspannung, zum Beispiel durch Ängste, Nervosität, Zeitdruck oder Wut, bis hin zu sichtbar unruhigen, hektischen Bewegungen. Stress ist nicht nur auf die psychische Ebene begrenzt. Körper und Psyche sind untrennbar miteinander verbunden. Körperliche Symptome wie ein erhöhter Herzschlag oder ein erhöhter Muskeltonus sind für das Pferd deutlich wahrnehmbar. Und zwar nicht nur beim Reiten.

Alltagssorgen mit Folgen

„Das Pferd spürt den Stress des Menschen, auch wenn dieser neben ihm geht: Der Strick wird kürzer geführt, die Stimme lauter und die Anspannung überträgt sich“, sagt Nicole Künzel. „All unsere inneren Bilder, zum Beispiel von dem, was alles passieren könnte, übertragen sich auf das Pferd und können Stress auslösen.“ Gedanken und Gefühle sind mit bestimmten körperlichen Reaktionen verbunden. Stellen Sie sich vor, Sie hatten einen anstrengenden Arbeitstag. Sie hatten eine Auseinandersetzung mit Ihrem Chef und konnten den Konflikt nicht lösen. Auf dem Weg in den Stall kreisen Ihre Gedanken um die besagte Situation. In Ihnen steigt Wut auf. Ihre Hände umklammern fest das Lenkrad und Sie würden am liebsten losschreien. Beim Aussteigen schlagen Sie die Tür fester zu als gewohnt. Auf dem Weg zu Ihrem Pferd werden Sie von einer Freundin begrüßt, Sie erwidern nur ein kurzes „Hallo“, ohne den Blick vom Boden zu heben. Eigentlich sollte Ihr Pferd bereits in der Box stehen, doch es ist noch auf der Weide. Schnellen Schrittes eilen Sie los und ärgern sich, denn damit haben Sie schließlich nicht gerechnet. Normalerweise würden Sie sich freuen, dass Ihr Vierbeiner mehr Zeit mit Artgenossen im Grünen genießen kann. Heute sind Ihre Gedanken nur noch negativ. Auf der Weide nimmt Ihr Pferd erst einmal Reißaus vor Ihnen. Kein Wunder, denn Ihre Mimik und Körpersprache vermittelt Ihrem Vierbeiner nichts Gutes.

Vom Boden in den Sattel

Über die Hilfengebung spürt das Pferd auch beim Reiten Ihre Anspannung. Bei Stress nehmen Reiter häufig die Zügel kürzer, klammern vermehrt mit den Beinen und der Oberkörper fällt nach vorne. Insgesamt erhöht sich der Druck und die Einwirkung wird härter. „Statt den Stress aufzulösen, wird dieser nur noch größer und führt gegebenenfalls zur kompletten Verunsicherung sowie zu Abwehrreaktionen des Pferdes“, gibt Nicole Künzel zu bedenken und fügt hinzu: „Hat das Pferd Stress, leidet die Aufmerksamkeit und Durchlässigkeit. Konzentriertes Trainieren ist in solchen Fällen meist nicht mehr möglich.“ Der Vierbeiner wird schreckhafter und zeigt nicht selten auch körperliche Symptome wie häufiges Äppeln, Zähneknirschen oder Schweifschlagen. Stressbedingte Beschwerden wie Magengeschwüre, Rückenschmerzen und allgemein Muskelverspannungen werden in der heutigen, hektischen Zeit immer häufiger. Umgekehrt ist aber auch eine Stressübertragung vom Pferd auf den Menschen möglich. Ein unruhiges und nervöses Pferd kann den Reiter regelrecht „anstecken“, vor allem, wenn dieser unsicher oder ängstlich ist.

Den kompletten Artikel finden Sie in unserer aktuellen August-Ausgabe.