Text: Kerstin Niemann       Foto: Jaques Toffi

Vieles gelingt Ihnen beim Reiten, aber es könnte insgesamt noch besser sein? Vielleicht liegt’s an Ihrer Körperspannung. Finden Sie heraus, was der Rumpf damit zu tun hat und testen Sie selbst: Welcher Körperspannungs- Typ sind Sie?

Es passiert, ohne dass wir bewusst etwas dazutun – wir sitzen und stehen, ohne umzukippen, unser Körper hält sich scheinbar automatisch aufrecht, wir müssen überhaupt nicht darüber nachdenken. Was da im Hintergrund arbeitet und uns zunächst mit einer Art „Grund-Körperspannung“ ausstattet, ist ein komplexes System aus Muskeln, Faszien, Sehnen, Bändern und Gelenken. Unser ganzer Körper ist durchzogen von Muskelketten, die miteinander korrespondieren als Agonisten (Spieler) und Antagonisten (Gegenspieler). Die Art, wie Agonist und Antagonist zusammen- wirken, beeinflusst, ob wir als Schlaffi mit krummem Rücken, herabhängenden Schultern und nach vorn geneigtem Kopf durch den Tag schlurfen oder ob wir angespannt, mit hochgezogenen Schultern und einem ins Hohlkreuz gedrückten Rücken stehen oder gehen. Diese Grundhaltung sagt viel darüber aus, wie wir später im Sattel sitzen. Denn unsere persönliche Körperspannung hat einen großen Einfluss darauf, ob es uns mühelos oder nur so ungefähr gelingt, gezielte Hilfen zu geben, das Pferd auf einer Linie zu halten, es im Galopp zu versammeln oder im starken Trab harmonisch mitzuschwingen statt das Pferd in seinem Bewegungsablauf zu behindern. „Wenn sich die Reiter-Muskulatur im Einklang mit dem Rhythmus des Pferdes an- und abspannt, sprechen wir von positiver Körperspannung bzw. einem losgelassen sitzenden Reiter“, definiert Roswitha Schreiber-Jetzinger das Idealbild, das wir alle als Reiter gern in jeder Lebens- und Reitsituation erreichen möchten. Diverse Faktoren beeinflussen unsere Körperspannung, und viele von ihnen sind so individuell wie der Mensch selbst.

Anatomie: Ist man groß oder klein? Hat man einen langen Oberkörper (mehr Rumpf, den man stabilisieren muss)? Wie verläuft die Wirbelsäule (besteht ein Hohl- kreuz/Rundrücken)?

Geschlecht: Männer haben ca. 40 Prozent Muskelmasse, Frauen dagegen ca. 30 Prozent. Mehr Muskelmasse kann bedeuten: mehr Kraft und mehr Stabilität (und damit auch mehr Körperspannung).

Körperlicher Zustand: Ist man trainiert und sportlich, oder eher der Typ „Couch Potato“? Je mehr unterschiedliche, vielseitige Reize die Muskeln erfahren, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, eine positive Körperspannung zu haben, damit im Gleichgewicht zu sein und Hilfen „zur rechten Zeit am rechten Ort“ geben zu können.

Emotionaler Zustand: Stress und Angst verursachen Spannung! Und das wirkt sich auf zahlreiche Muskelpartien aus.

Gesundheits- und Ernährungszustand: Wenn dem Körper zum Beispiel Magnesium oder B-Vitamine fehlen, neigt die Muskulatur zu Krämpfen – Verspannungen sind programmiert.

Bewegungsanforderung: Ist es anstrengend oder einfach, auf die Bewegungen des Pferdes zu reagieren ohne Gleichgewichtsverlust? Bei Überforderung (z.B. Anfänger soll gleich galoppieren) verspannen wir sofort! Was die Sache mit der Körperspannung so kompliziert macht, ist, dass wir uns nicht einfach befehlen können: „Halte dich gerade“ und schon hat man eine bessere Körperhaltung bzw. -spannung. Die Anweisungen des Reitlehrers „Streck dich“ oder „richte dich mehr auf“ führen zu noch mehr Verkrampfung statt zu einer positiveren Haltung. Der Grund: Wir können zwar manchen Muskeln unseres Körpers direkte Befehle geben – anderen aber nicht.

Stabil macht mobil

Grob vereinfacht hat der Mensch zwei verschiedene Arten von Muskeln, die an der Körperspannung beteiligt sind: Haltungs- und Bewegungsmuskeln. „Unsere Haltungsmuskeln, von denen eine Vielzahl im Rumpfbereich liegen, spielen im Hinblick auf die Körperspannung die Hauptrolle“, erläutert Dr. Julia Schmidt. „Egal um welche Bewegungen es geht: Alles klappt besser aus einer stabilen Körpermitte.“ Nun neigt aber die Haltungsmuskulatur durch unseren vorwiegend sitzenden Lebenswandel – im Durchschnitt sitzt der Mensch ca. sieben Stunden täglich – in vielen Regionen des Körpers zur Verkürzung, und die Gegenspieler der Haltungsmuskeln, z.B. im Brust- oder Bauchbereich, sind ohne Training zu schwach, um ihren Job zu machen und damit ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Agonist und Antagonist herzustellen.

Den gesamten Artikel finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.