Text: Lara Wassermann | Foto: Daniel Elke

So unterschiedlich die Reiter und Pferde, so verschieden sind auch die zwei Reitweisen Western und Englisch. Auf den ­ersten Blick sieht man keine Gemeinsamkeiten – und doch ist das Ziel der Ausbildung gleich: ein durchlässiges, ­losgelassenes und mit ­wenigen Hilfen zu reitendes Pferd. Wir haben zwei ­Sportlerinnen die Pferde­ tauschen lassen.

Mit ruhigem Schritt und entspannter Körperhaltung kommt Chess, der Quarter-Horse-Wallach in die Halle geschlendert. Seine Mimik und Körpersprache zeigen keine Spur von Aufregung oder gar Nervosität. Mit einem Strohhut, der normalerweise nur auf Turnieren getragen wird, schwingt sich Sofie Eckebrecht, Pferdetrainerin, die unter anderem mit ihrem Team FEI-Vize-Europameisterin im Reining ge­worden ist, auf den Braunen. Der Sand unter seinen Hufen ist kein gewöhnlicher Hallensand – es ist ein spezieller Boden für Westernpferde. Die Körnung ist speziell für das Sliden und Spinnen bearbeitet. Die obere Sandschicht soll sich bei den verschiedenen Lektionen besonders leicht verschieben lassen, sodass das Pferd eine lange Strecke „rutschen“ kann. Die von vielen Englisch-Reitern geliebten Filzflocken im Sand wären für einen Westernreiter und sein Pferd ein Graus. Sie würden das Sliden fast unmöglich machen und die Sehnen und Knochen der Pferde belasten. So dreht Sofie einige Runden in der Halle. Dabei ist auch sie die Ruhe selbst, und Reiterin und Pferd scheinen im Einklang mit sich und der Umgebung. Das Traben und Galoppieren des 19-jährigen Wallachs, der schon viele Turniererfolge für sich verbuchen kann, ist für den klassischen Reiter zu langsam, der Kopf hängt zu tief, und eine Aufrichtung, wie man sie aus der Englischen Reitweise kennt, fehlt auch. Trotzdem wirkt das Ganze nicht unbeholfen, sondern absolut professionell. Die Durchlässigkeit scheint sehr hoch, denn der braune Wallach funktioniert ohne sichtbare Hilfen: Ein Kuss-Geräusch reicht aus, damit er ­angaloppiert, ein „Whoa!“, ein Nach-vorne-Strecken der Beine und ein Schwermachen im Sattel führen dazu, dass er, egal aus welcher Gangart, sofort stoppt.

Ein Zwischengang trennt die Western- von der Englischhalle. Nicole Nockemann und ihr Rappwallach Walter, der eigentlich Walk Your Way heißt, wärmen sich auf. Nicht nur der Größenunterschied der zwei Pferde, der etwa 40 Zentimeter beträgt, sondern auch das unterschiedliche Aufwärmen fällt schon auf. Selbst in der Aufwärmphase hat der Dressurreiter eine engere Verbindung zum Pferdemaul. Das „Wegwerfen des Zügels“, wie man es dabei nennen würde, ist grundsätzlich nie erwünscht. Walter schreitet mit großer, über den Rücken schwingenden Bewegung durch die 60er-Halle. Nicole­ Nockemann, die Dressurrichterin bis Klasse S ist und mit ihrem Wallach das goldene Reitabzeichen erritten hat, sitzt ihn aus, als wäre er ein bequemer Haflinger: ruhiges Bein, rhythmisches Treiben, weiche Verbindung zum Maul und ein mitschwingender, ruhiger Sitz machen es dem Wallach leicht, die fliegenden Wechsel und Pirouetten zu zeigen.

Sporentausch

Bevor es auf die neuen Pferde geht, müssen die Sporen getauscht werden. Schließlich würde Walter eine Westernspore vermutlich nicht so witzig finden. Schon dabei merkt man den Unterschied der Charaktere und der Reitweisen: Die oftmals geschniegelte und gestriegelte Art der Englischreiter, die auch für das Equipment, die Kleidung und das Pferd gilt, trifft schon jetzt auf die lockere, weniger auf Äußerlichkeiten gerichtete Art der Westernreiter. Die Sporen von Sofie sind schon am Stiefel, und sie hat nur den Dorn durch den Lederriemen gestochen. Nicole ist jedoch noch lange nicht fertig mit dem Befestigen: „Das kommt mir nicht in die Tüte, dass die Sporen hier nicht ordnungsgemäß verschnallt werden.“

Zunächst wagt sich die Westerntrainerin auf das über 1,80 Meter große Warmblut. Die Kandarrenzügel soll Sofie nicht benutzen, da ein ungeübter Umgang nicht zu verantworten wäre. Sofie scheint etwas verunsichert: „Der Sattel ist furchtbar! Man hat gar keinen Halt, und die Beine wackeln umher“, stellt sie fest. Schon immer hatte ­Sofies Fami­lie Westernpferde, sodass sie, anders als die meisten Westernreiter, nicht zunächst Englisch geritten ist, sondern schon als Kind das Reiten auf Quarter Horses lernte. Ihr Weg über eine Ausbildung als Pferdewirtin und über die verschiedensten Trainer und Turniererfolge führte sie irgendwann nach ­Oklahoma (USA), wo sie auf einem speziellen Trainingsstall für Westernpferde arbeitete und trainierte. Seit Januar 2017 trainiert sie auf dem Drei-Kronen-Hof in Siegburg und fährt für mobilen Unterricht durch Deutschland – durch und durch Westernreiterin also. Der Schritt auf dem schwungvollen Hannoveraner fällt ihr besonders schwer. „Du musst stabil sitzen, wechselseitig rechts und links treiben“, erklärt die Dressurreiterin, die ihr aus der Mitte des Zirkels Hilfestellung gibt. Getrieben wird beim Westernreiten nur dann, wenn das Pferd nicht in der gewünschten Gangart bleibt und ausfällt. Das rhythmische Treiben mit dem Bein ist für Sofie also extrem ungewohnt, weshalb sie sich sehr konzentrieren muss.

… lest alles zum Pferdetausch der Western- und Englischreiterin in der aktuellen Mein Pferd.