Text: Inga Dora Schwarzer         Foto: www.Slawik.com

Ein Sturz vom Pferd kann jedem Reiter passieren. Sicherheit sollte daher im Sattel oberste Priorität haben. Der richtige Reithelm hilft, schwere Kopfverletzungen zu reduzieren. Doch nicht in jedem Fall hält das Equipment, was es an Schutz scheinbar verspricht, warnt Prof. Dr. med. Norbert M. Meenen

Gleitsystem im Helm

MIPS ist ein geschützter Begriff und steht für „Multi-Directional Impact Protection System“ und wurde vom schwedischen Neurochirurgen Professor Hans von Holst sowie von Peter Halldin, Forscher am Swedish Royal Institute of Technology, entwickelt. Es imitiert das körpereigene Schutzsystem des Gehirns: Zwischen Gehirn und Schädelknochen befindet sich eine Flüssigkeit, in der das Gehirn hin- und hergleiten kann und sich bei Rotationskräften minimal bewegt. Damit ist es gegen die Stoßkraft eines Aufpralls geschützt. „Zusätzlich verschiebt sich auch die Kopfhaut gegenüber der Schädelkalotte (der knöcherne Dach des Schädels; Anm. d. Red.)“, erklärt der Experte.

Dieser Schutzmechanismus wird technisch nachgeahmt. „Im Helm befindet sich zu diesem Zweck eine reibungsarme Zwischenschicht, die sich in alle Richtungen verschieben lässt. Die Helmschale gleitet über diese Zwischenschicht und verschiebt sich unabhängig vom Kopf. So wird der natürliche MIPS verstärkt und die Energieübertragung auf Kopf und Gehirn bei einem Sturz reduziert“, betont Meenen. Aktuelle Studien zeigen die Wirksamkeit dieses Prinzips. „Entscheidend ist auch eine glatte Oberfläche von Helmen, damit es nicht durch Rauigkeit oder bisweilen auch aufmontierte Helmkameras beim Aufprall zu massiven lebensbedrohlichen Kräften auf das Hirn kommen kann“, weiß der Professor.

Voraussetzung ist aber auf jeden Fall ein intakter Reithelm. Nach einem Sturz oder Schlag auf den Kopf sollte er ausgetauscht werden, denn beschädigt kann er das Haupt nicht mehr schützen. Selbst wenn äußerliche Beschädigungen nicht erkennbar sind, kann seine Funktion bei einem weiteren Unfall deutlich verringert sein. Das lässt sich durch den Grundaufbau eines Reithelms erklären.

Verformte Schutzschicht

„Der Helm besteht aus einer dünnen hart- elastischen Außenhülle aus widerstandsfähigem Kunststoffmaterial. Diese Hülle dient der Fixierung der Helmanbauten, wie dem Visier, und der Fixierung des Helms auf dem Kopf durch Vergurtung, dem Schutz der für die Dämpfungsfunktion entscheidenden Styroporschicht gegen scharfkantige Gegenstände sowie als Gleitfläche beim Aufprall“, erläutert der Experte.

Darunter befindet sich eine dicke stoß- dämpfende Schutzschicht aus deformierbarem Styropor. Styropor besteht aus dem Kunststoff Polystyrol (zwei Prozent) und Luft (98 Prozent) und bildet einen Hartschaum. Kommt es nun zu einer Einwirkung durch stumpfe Kräfte, zerplatzen winzige luftgeschäumte Kunststoffkügelchen in dieser Schicht und verformen sich dauerhaft. „Die Schaumschicht kann an der Auftrittsstelle der Kraft durchaus um einen halben Zentimeter zusammengedrückt werden, vergleichbar mit einer Knautschzone am PKW. Durch diese endgültige Verformung des Styropors wird die einwirkende Kraft eines Sturzes verarbeitet, das heißt aufgenommen, und eine deutlich geringere Kraft an den zu schützenden Kopf weitergeleitet. Nach jedem Sturz muss daher ein Helm ausgetauscht werden, weil das Styropor definitiv verformt ist und daher für einen erneuten Sturz keine Dämpfung mehr erreichen würde.“

Auch bei der Lagerung gibt es einiges zu beachten. So empfiehlt unter anderen der Helm-Hersteller Casco: „Lassen Sie Ihren Helm nach jedem Gebrauch an der Luft trocknen und bewahren Sie ihn an einem kühlen, trockenen Ort auf. Hohe Temperaturen – etwa bei direkter Sonneneinstrahlung, hinter Glas, in dunklen Taschen oder Kofferräumen – können den Reithelm ernsthaft beschädigen. Unebene Helmoberflächen und Bläschenbildung sind das Zeichen einer Hitzebeschädigung.“

Doch auch ein intakter und fachgerecht gelagerter Reithelm sollte nach einer gewissen Zeit ausgetauscht werden. So heißt es weiter auf der Casco-Homepage: „In Abhängigkeit von der Intensität der Nutzung sollten Helme aus Sicherheitsaspekten nach drei bis fünf Jahren ab dem ersten Gebrauch ausgetauscht werden.“ Dann nämlich setzt der Alterungsprozess ein. Die Widerstandsfähigkeit der Schale lässt nach, weil sich ihre Struktur aufgrund von Temperatureinflüssen (zum Beispiel durch UV-Licht und Wärme) verändert. Die ehemals harte Schale wird nun langsam brüchig und porös.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Aufgabe.