Interview: Nora Dickmann    Foto: imago images/ imagebroker

Die Kandare ist ein Gebiss, dessen Hebelwirkung das genaue Führen des Pferdes ermöglicht. Sie eignet sich sowohl für die Dressur als auch für das Westernreiten. Allerdings sollte sie nicht in Anfängerhände geraten, da es einige Vorraussetzungen gibt, die Pferd und Reiter erfüllen sollten. Deike Bräutigam von der Firma Sprenger erklärt, wie man eine Kandare einsetzt und worauf man achten sollte, wenn man diese Zäumung verwenden möchte

Wie setzt man die Kandare in der Dressur (und beim Westernreiten) ein?


In der Dressur nutzt man die Kandare immer in Kombination mit einer Unterlegtrense. Es wird mit zwei Zügelpaaren und einer konstanten Verbindung geritten, wobei die Zügelhilfen vorherrschend über die Unterlegtrense gegeben werden. Der Kandarenzügel wird nur zur Verfeinerung der Hilfengebung benötigt, hierfür genügt eine leichte Verbindung. Im Westernreiten wird ohne Unterlegtrense und ohne konstante Verbindung zwischen Zügel und Reiterhand geritten – mit durchhängendem Zügel. Die Kandare wird nur bei Bedarf angesprochen. Deshalb nutzt man im Westernbereich häufig Kandaren mit längeren Anzügen und schärferen Mundstücken als in der Dressur. Die Kandare dient der Verfeinerung der Hilfengebung. Das Reiten mit Kandare ist allerdings auch eine Anforderung an die Reiter in den höheren Klassen. Es wird geprüft, ob Reiter und Pferd die „Kandarenreife“ erreicht haben.

Wann sind Reiter und Pferd bereit für die Kandare?


Für die sogenannte Kandarenreife benötigen Reiter und Pferd einen ausbalancierten und losgelassenen Sitz, unabhängig von der Hand, eine feine Reiterhand, gleichmäßig und dosiert einwirkend, und eine zufriedene und ruhige Anlehnung mit Trensengebiss. Das Pferd sollte ausbalanciert sein und sich nicht auf dem Zügel abstützen, gut am Sitz sein und die Gewichts- und Schenkelhilfen akzeptieren. Außerdem sollte das Pferd bereits Ansätze von Versammlung und Selbsthaltung zeigen sowie Schub- und Tragkraft entwickelt haben.

Wie ist eine Kandare aufgebaut? 


Eine Kandare besteht aus einem Mundstück und den Seitenteilen, die sich wiederum in einen Ober- und Unterbaum aufteilen. Das Verhältnis zwischen Ober- und Unterbaum, auch Unterzug genannt, bzw. die Länge des Unterbaums bestimmt dabei die Stärke der Hebelwirkung. Am Oberbaum wird das Backenstück des Kandarenzaums befestigt. Hier sind auch die Kinnkettenhaken für die Kinnkette angebracht. Am Unterbaum befindet sich eine Scherriemenöse, in die bei Bedarf der Scherriemen verschnallt werden kann, und am unteren Ende die Ringe für die Anbringung der Zügel. Kandaren gibt es mit unterschiedlich langen Anzügen/Unterzügen. Die gängigsten Längen sind 5 cm und 7 cm. Wobei ein kürzerer Unterzug schneller reagiert und eine geringere Hebelwirkung hat, ein längerer Unterzug reagiert etwas langsamer, kann aber mehr Druck auf das Genick ausüben. Die Kinnkette wird in die Kinnkettenhaken eingehängt (ausgedreht) und sollte einen Winkel von etwa 45 % zwischen Maulwinkel und Anzug zulassen. So eingestellt, begrenzt sie die Hebelwirkung auf das Genick und wirkt zusätzlich auf den Unterkiefer ein.

Welche Wirkung hat der Kandarenzaum?

Der Kandarenzaum ist im Grunde genommen ein Englisches Reithalfter mit zusätzlichem Backenstück, das in den Oberbaum des Kandarengebisses eingeschnallt wird. Bei Annahme des Kandarenzügels wird über das Backenstück Druck auf das Genick des Pferdes ausgeübt. Durch das „Greifen“ der Kinnkette bei einem Winkel von etwa 45° zwischen Maulspalte und Unterbaum wird der Genickdruck begrenzt und zusätzlich Druck auf den Unterkiefer ausgeübt.

Wie finde ich die passende Kandare?


Zum Einstieg auf Kandare empfehlen wir immer gerne unsere „HO Kandare“. Diese zeichnet sich durch ein leicht gebogenes und nach vorne geneigtes Mundstück mit leichter Zungenfreiheit aus. Es räumt der Zunge mehr Platz ein als eine gerade Stange und kann nicht in den Gaumen drücken. Bei Pferden mit besonderen Anforderungen muss man häufig einfach verschiedene Modelle ausprobieren. Pferde, die eine besonders dicke Zunge haben oder keinen Druck auf der Zunge mögen, sind häufig zufriedener mit einer Kandare mit einer höheren und breiten Zungenfreiheit. Wichtig ist, dass die Zungenfreiheit über die gesamte Zungenbreite geht und nach vorne geneigt ist, damit sie keinen Druck in den Gaumen ausüben kann.