Text: Redaktion    Foto: imago/Frank Sorge

Muskelkater beim Pferd ist manchmal nicht direkt auf den ersten Blick zu erkennen. Pferde leiden darunter jedoch genauso wie wir Menschen. Was ist Muskelkater ­eigentlich, und wie kann ich meinem Vierbeiner helfen ­beziehungsweise was sollte ich vermeiden?

Wenn wir nach dem Winter eine Runde durch den Wald joggen, zwickt es schon in den Beinen. Die Quittung für ein zu hartes oder ungewohntes Workout bekommen wir aber erst am nächsten Morgen. Aus dem Zwicken ist ein ordentlicher Muskelkater geworden. Also lassen wir den Tag ruhig angehen, nehmen ein warmes Bad, massieren die schmerzenden Partien und verschieben die nächste Sportstunde. Wir entscheiden, was uns guttut und wann wir keine Kraft mehr haben. Pferde können sich weder in die Badewanne legen, noch können sie frei entscheiden, wann ein Ausritt besser wäre als eine anstrengende Trainingsstunde. Der Reiter übernimmt die Verantwortung für eine pferdegerechte Ausbildung und die Intensität der Bewegung. Schmerzen im Muskelgewebe treten nicht sofort, sondern erst zwölf bis 24 Stunden nach der Anstrengung auf. „Die betroffenen Muskeln fühlen sich hart an, schmerzen bei Bewegung, sind druckempfindlich und kraftlos“, erklärt die Pferdephysio­therapeutin Vera Barfrieder. Ruht das Pferd, ist der Muskel schmerzfrei.

Um zu verstehen, wie ein Muskel arbeitet, hilft ein kurzer Ausflug in den Muskelstoffwechsel. Muskeln sind die eigentlichen „­Arbeiter“ des Körpers und haben einen großen Energiebedarf. Die Basis einer gesunden Muskulatur ist eine ausreichende Nähr- und Sauerstoffversorgung. Damit der Muskel ausreichend „Brennstoff“ hat, braucht er Adenosintriphosphat (ATP). Dahinter verbirgt sich die reinste Form der Energie, die im Zuge biochemischer Vorgänge unter Sauerstoffzufuhr verstoffwechselt wird. Alle Prozesse, die in Zellen ablaufen, benötigen Energie, damit beispielsweise chemische oder mechanische Arbeit geleistet werden kann. Diese Energie muss dem Körper bereitgestellt werden, und das geschieht unter anderem über das Molekül ATP. Bei einer Überbelastung entstehen ein Mangel an Sauerstoff im Muskel und ein energetisches Defizit. Kurze Zeit kann der Muskel auch ohne Sauerstoff Leistung bringen. Aber dabei entsteht als Abfallprodukt der biochemischen Prozesse Laktat.

Früher wurde vermutet, dass bei starker Anstrengung mit mangelnder Sauerstoffzufuhr besonders viel Laktat (auch Milchsäure genannt) vom Muskel produziert wird. „Dass eine Übersäuerung des Muskels durch Milchsäure für Muskelkater verantwortlich ist, konnte allerdings in neueren Studien widerlegt werden“, erklärt Vera Barfrieder. Denn Laktat hat nur eine kurze Halbwertszeit und wird im Körper rasch abgebaut. In den letzten Jahren haben Untersuchungen bestätigt, dass mikrofeine Risse in der Zellstruktur der Muskelfasern die Ursache sind.

Ursache sind mikrofeine Risse

Muskeln bestehen aus einer Vielzahl einzelner Muskelfasern, den sogenannten Myofibrillen. Die sind wiederum aus zwei unterschiedlichen Eiweißstrukturen, dem Myosin und dem Aktin, zusammengesetzt. Sie verbinden sich in einer Z-förmigen Struktur. „Bei Überlastung kann es im Bereich der sogenannten Z-Scheiben zu Rissen kommen.“ Doch da immer nur ein Teil dieser Z-Strukturen reißt und nicht die gesamte Muskelfaser, heilt ein Muskelkater meist unproblematisch innerhalb weniger Tage ab. Das verdeutlicht, warum häufig sowohl die Vorhand- und Schultermuskulatur als auch die Haltemuskulatur des Kniegelenks betroffen sind. „Sie muss die Aufgabe des Abbremsens übernehmen, ganz besonders beim Landen nach einem Sprung oder bei abrupten Stopps“, so die Expertin. Seltener betroffenen sind dagegen die Bewegungsmuskeln der Hinterhand und des Rückens. Bei korrekt gerittenen Pferden arbeiten sie im ständigen Wechsel. Dennoch: Auch hier können Risse in der Muskelfaser entstehen. Gerade ungewohnte Bewegungen bergen ein hohes Risiko. Denn grundsätzlich erfordert jede Muskelbewegung ein Zusammenspiel von Muskelfasern und den sie steuernden motorischen Nerven. Ist diese Koordination noch nicht geübt, kann es zu besonders hohen Spannungsspitzen und dadurch zu mehr Faserrissen kommen, als wenn das Zusammenspiel schon perfekt aufeinander abgestimmt ist.

Vielleicht kennen Sie das: Sie holen Ihr Pferd aus der Box und merken, dass irgend­etwas nicht stimmt. Es bewegt sich steif, setzt mühsam einen Huf vor den anderen und würde am liebsten stehen bleiben. Dabei war das Training am Vortag doch so gut, und die neue Lektion hat endlich funktioniert. Trifft ein ungewohnter Bewegungsablauf auf eine Überlastung durch intensives Training, passiert im Pferdekörper Folgendes: „Im Moment der Schädigung des Gewebes wird kein Schmerz empfunden, da die Enden der schmerzleitenden Nerven außerhalb der Muskelfaser im Bindegewebe liegen. Aber durch die Risse entsteht eine Entzündung. Die beschädigten Strukturen in der Zelle müssen abgebaut und entsorgt werden.“ Die Schmerznerven werden dabei direkt durch die entstehenden Spaltprodukte gereizt.

…den kompletten Artikel finden Sie in der Mein Pferd-Ausgabe 2/2020.